54. Sitzung des Tiefenlager-Forums: Fehlerkultur im Sachplanverfahren

Die Fehlerkultur der am Sachplan geologische Tiefenlager beteiligten Organisationen war Thema einer im Technischen Forum Sicherheit eingereichten Frage. Vertreter des Bundesamts für Energie, des ENSI und der Nagra gingen in ihren Beiträgen auf Aspekte wie Transparenz, Qualitätsmanagement und Kritikfähigkeit ein.

Die Suche nach Tiefenlagerstandorten für radioaktive Abfälle erfolgt im Sachplan geologische Tiefenlager. In diesem Verfahren erarbeitet die Nagra unter der Führung des Bundesamts für Energie (BFE) Vorschläge für Lagerstandorte. Vertreter der Kantone und Fachgremien aus dem In- und Ausland sind ebenfalls am Verfahren beteiligt. Im September 2022 hat die Nagra Nördlich Lägern als Standortgebiet für ein Tiefenlager vorgeschlagen. Voraussichtlich Ende 2024 wird sie das Rahmenbewilligungsgesuch beim Bund einreichen, das dann das ENSI prüfen wird. Ausserdem arbeitet die Nagra ein Rahmenbewilligungsgesuch für eine Verpackungsanlage am Standort des Zentralen Zwischenlagers für radioaktive Abfälle aus.

Im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager wird das vom ENSI geleitete Technische Forum Sicherheit (TFS) eingesetzt, um Fragen zur Sicherheit und Geologie zu klären. Bei der 54. Forumssitzung Ende März 2023 war die Fehlerkultur im Sachplanverfahren (Frage 162) eines der besprochenen Themen.

Das ist das Technische Forum Sicherheit (TFS)

Im Technischen Forum Sicherheit werden technische und wissenschaftliche Fragen aus der Bevölkerung, von Gemeinden, Standortregionen, Organisationen, Kantonen und Gemeinwesen betroffener Nachbarstaaten zur Sicherheit und Geologie des Tiefenlagers diskutiert und beantwortet.

Das Forum besteht aus Fachpersonen des verfahrensleitenden Bundesamts für Energie (BFE), der überprüfenden bzw. unterstützenden Behörden (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI, swisstopo), von Kommissionen (Kommission für nukleare Sicherheit KNS, Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung EGT), der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra, der Kantone, der Nachbarländer, Nichtregierungsorganisationen sowie Vertretern aus den Standortregionen.

Die Fragesteller interessierten sich dafür, wie im Sachplanverfahren mit Fehlern und Kritik umgegangen wird und wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse ins Verfahren einfliessen. Vertreter des BFE, des ENSI und der Nagra erläuterten in ihren Beiträgen die Bedeutung von Transparenz, Qualitätsmanagement und Kritikfähigkeit in den jeweiligen Organisationen.

Überprüfung nach wissenschaftlichen Prinzipien

Die sicherheitstechnische Überprüfung durch das ENSI verläuft nach wissenschaftlichen Prinzipien. Tauchen neue sicherheitsrelevante Aspekte auf, fliessen diese in die Begutachtung direkt ein. Der Beizug von unabhängigen Expertinnen und Experten, wie der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung EGT, stärkt diesen Prozess und macht ihn hinsichtlich der sicherheitstechnischen Bewertung robuster.

Einbringen von Kritik im Sachplanprozess

Für die Diskussion sicherheitstechnischer Fragen wurde das Technische Forum Sicherheit eingerichtet. Bisher wurden 160 Fragen diskutiert und beantwortet. Dieses Gremium, in dem eine breite Auswahl an Stakeholdern Einsitz hat, erleichtert das Einbringen von Kritik in den Sachplanprozess. Die Fragen und Antworten sind auf der Website des ENSI aufgeschaltet und somit öffentlich. Zudem erfolgte auch im vergangenen Prozess die Diskussion sicherheitstechnischer Fragen in den Fachgruppen Sicherheit der Regionalkonferenzen der Regionen Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost.

Offenheit und Vernehmlassung

Bei der Erstellung von Gutachten ist die offene Diskussion unter den ENSI-Fachleuten zentral – insbesondere wenn es um die Einordnung von Erkenntnissen und die Feststellung der sicherheitstechnischen Bedeutung von noch zu klärenden Fragen geht. Die Resultate der Überprüfung durch das ENSI sind öffentlich. Die Vernehmlassung am Ende einer Etappe des Sachplans bietet Gelegenheit, Kritik anzubringen.

«Zentraler Aspekt einer guten Aufsicht: kritisches Hinterfragen»

Bei der anschliessenden Diskussion der TFS-Mitglieder kam die Frage auf, wie das ENSI sicherstelle, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kritik äussern, nicht eingeschüchtert würden. «Für das ENSI ist klar, dass das kritische Hinterfragen sowohl der Arbeiten der Beaufsichtigten als auch der eigenen Tätigkeiten und Prozesse ein zentraler Aspekt einer guten Aufsichtskultur ist», erklärte Felix Altorfer, Leiter Aufsichtsbereich Entsorgung beim ENSI. «Kultur kann nicht angeordnet werden, sie muss sich etablieren und gelebt werden. Entsprechend wird beim ENSI eine Aufsichtskultur gepflegt, die die Äusserung von Kritik zulässt und in der Kritik erwünscht ist.»

Mehr Informationen zum geologischen Tiefenlager und zur Frage, wie radioaktive Abfälle sicher entsorgt werden.

Es wurde darauf hingewiesen, dass ein wichtiger Teil der Fehler- und Kommunikationskultur darin besteht, Diskussionen unterschiedlicher fachlicher Meinungen zu den Themen der geologischen Tiefenlagerung transparent und öffentlich zu führen. Die Regionalkonferenz Nördlich Lägern erwiderte, dass die Bevölkerung mit einer sicherheitstechnischen Diskussion auch überfordert werden könne.

Als Beispiel wurde die Diskussion der Grundwasserfrage am Standort Haberstal angeführt. Es habe der Eindruck entstehen können, dass für ein Tiefenlager viel höhere Sicherheitsanforderungen zum Schutz des Grundwassers nötig seien als für andere Gefahrengutanlagen wie beispielsweise ein Benzindepot. Dies obwohl bei beiden Anlagentypen der gesetzlich festgelegte Schutz von Mensch und Umwelt umgesetzt werden muss.

Die schriftliche Antwort zum Thema «Fehlerkultur im Sachplanverfahren» wird nach ihrer Verabschiedung hier veröffentlicht. Die nächste TFS-Sitzung findet Ende Mai 2023 statt.