KKW Beznau: Montageabweichung stellt Sicherheit nicht grundsätzlich in Frage

Das ENSI hat die Vorkommnisbearbeitung für nicht eingebaute Anschlagbegrenzer in zwei Notstanddieseln des KKW Beznau abgeschlossen. Die Überprüfung zeigt: Die Montageabweichung wurde während 28 Jahren nicht entdeckt und die Erdbebensicherheit der Notstanddiesel war während dieser Zeit reduziert. Im Interview ordnet Georg Schwarz, stellvertretender Direktor und Leiter des Bereiches Kernkraftwerke beim ENSI, die sicherheitstechnische Bedeutung des Vorkommnisses ein.

In den Medien war zu lesen, dass es von 1969 bis 2017 im KKW Beznau keinerlei Schutz gegen ein Erdbeben gab, wie es Fukushima 2011 erlebt hat. War es wirklich so schlimm?

Die zitierte Aussage ist tendenziös. Fukushima liegt in einem Erdbeben-Hochrisikogebiet, Beznau nicht. Zudem wurde das KKW Fukushima-Daiichi nicht durch ein Erdbeben zerstört, sondern durch einen Tsunami. Tsunamis sind in Beznau kein Thema.

Trotzdem, wie stand es um die Erdbebensicherheit des KKW Beznau?

Im Gegensatz zu den Aussagen in den Medien war die Erdbebenfestigkeit der Notstanddiesel ohne Anschlagbegrenzer keinesfalls Null. Sie war zwar reduziert. Trotzdem erfüllten die Notstanddiesel die bis zum Jahr 2012 geltenden Anforderungen.

Und danach?

Als Reaktion auf den Unfall in Fukushima hat das ENSI per 1. April 2012 stark erhöhte Erdbebenanforderungen in Kraft gesetzt. Diese mehr als verdoppelten Anforderungen hätten die beiden Notstanddiesel im KKW Beznau nicht erfüllt.

Aber bereits knapp zwei Monate später waren, ebenfalls als Reaktion auf Fukushima, zwei zusätzliche Notstromgeneratoren installiert und betriebsbereit. Diese sogenannten Accident-Management-Dieselgeneratoren haben eine sehr hohe Erdbebenfestigkeit und halten auch den neuen stark erhöhten Erdbebenanforderungen stand.

Im Jahr 2015 wurden im Rahmen des Projektes AUTANOVE vier weitere erdbebenfeste Notstromdieselgeneratoren nachgerüstet. Damit stehen im KKW Beznau heute insgesamt acht Dieselgeneratoren für die Stromversorgung nach einem schweren Erdbeben zur Verfügung.  

Im Jahr 2017 gab es ein Vorkommnis mit den AUTANOVE-Dieselgeneratoren. Wären sie vorher überhaupt zur Verfügung gestanden?

Es trifft zu, dass die AUTANOVE-Dieselgeneratoren aufgrund eines Softwarefehlers bei einem schweren Erdbeben nicht automatisch gestartet wären. Sie hätten aber jederzeit manuell gestartet werden können.

Das ändert nichts daran, dass die Montageabweichung 28 Jahre lang nicht erkannt wurde. Wie konnte sie so lange unbemerkt bleiben?

Der Fehler war in der Tat sehr schwierig zu entdecken. Für die Erdbebenberechnungen war angenommen worden, dass Anschlagbegrenzer eingebaut sind. Im gelieferten Dieselgenerator fehlten sie jedoch. Doch nicht nur das. Auch in der Dokumentation und in den Instandhaltungsvorschriften waren keine Anschlagsbegrenzer aufgeführt. Für das Betriebspersonal war somit alles in Ordnung. Der Dieselgenerator entsprach der Dokumentation.

Erst als das KKW Beznau die Erdbebenrechnungen wegen einer Forderung des ENSI im Detail überprüfte, wurde die Diskrepanz erkannt.

Kann man vor diesem Hintergrund den Erdbebennachweisen überhaupt trauen?

Das hat uns in der Tat zu denken gegeben. Obwohl der Fehler schwierig zu finden war, hätte es auch Gelegenheiten gegeben, bei denen man die Diskrepanz hätte bemerken können. Das ENSI hat deshalb vom KKW Beznau auch zusätzliche Analysen verlangt. Zudem werden wir auch unsere Richtlinien überprüfen, um solche Fälle in Zukunft unwahrscheinlicher zu machen.

Doch letztlich gibt es keine absolute Sicherheit. Es besteht keine absolute Gewissheit, dass nirgends ein Fehler versteckt ist. Deshalb ist Sicherheit auch kein Zustand, sondern ein Prozess.

Dieser Prozess war auch im vorliegenden Fall letztlich erfolgreich. Die vom ENSI angeordnete Überprüfung der Gefährdungsannahmen hat dazu geführt, dass die Montageabweichung entdeckt wurde. Die realisierten Nachrüstungen haben ausserdem dazu geführt, dass die sicherheitstechnische Bedeutung der Montageabweichung zum heutigen Zeitpunkt viel kleiner ist als in der Vergangenheit.

Dem ENSI wurde vorgeworfen, dass es auf Tauchstation gegangen sei und die Öffentlichkeit nur unzureichend informiert habe.

Da muss ich um Verständnis bitten. Das ENSI kann erst öffentlich informieren, wenn es seine Vorkommnisanalyse abgeschlossen hat. Wir wollen keine unausgegorenen Zwischenresultate verbreiten.

Die Vorkommnisanalyse wurde seriös und detailliert vorgenommen. Die definitiven Resultate liegen nun vor und werden hiermit auch öffentlich kommuniziert.