Technisches Forum Sicherheit

Frage 115: Brand im geologischen Tiefenlager

Angenommen, während dem Einlagern bricht im geologischen Tiefenlager ein Feuer aus und der Inhalt von 1, 2, 5, 10, 50, 100 und allen HAA-Endlagerbehältern werde durch einen vertikalen Schacht bei Windstille in die Höhe befördert und schlage sich anschliessend ebenfalls bei Windstille als radioaktiver Fallout kreisförmig rund um den Schachtausgang nieder. Bitte informieren Sie uns über die folgenden Themen:

Beispiel Falloutkarte
Beispiel Falloutkarte
  1. Wie sieht die Nukleare Falloutkarte in Becquerel pro m2 (Anzahl Atomkernzerfälle pro Sekunde pro m2) im Umkreis des Schachtausgangs gemäss nebenstehender Karte aus?
  2. Vergleich der Falloutmenge der OFA mit dem Vorfall in Fukushima. Angenommen, in Fukushima wäre nicht ein KKW, sondern ein Tiefenlager gestanden, wie hätte die obige Karte ausgesehen unter der Annahme, dass die oben bezeichnete Radioaktivitätsmenge in die Luft gegangen wäre? Mit den gleichen Evakuationsrichtlinien wie in Japan, welcher Perimeter hätte wie lange evakuiert werden müssen? Wie sind im Vergleich dazu die entsprechenden Vorschriften in der Schweiz?
  3. Zeichnen Sie in der nuklearen Falloutkarte des geologischen Tiefenlagers nach Fragestellung a. für einen typischen menschlichen Körper mit 80 kg Gewicht die Bereiche tödlicher, schädlicher und in den Grenzwerten befindlicher Strahlung bei einer permanenten Aufenthaltsdauer von 1 Monat ein.
Thema Bereich
Eingegangen am 11. März 2014 Fragende Instanz RK ZNO
Status beantwortet
Beantwortet am 10. März 2017 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Zur Beantwortung der TFS-Frage 115 „Brand im geologischen Tiefenlager“ verweist das ENSI in einem ersten Schritt auf die Rahmenbedingungen zum Umgang mit Störfällen und Szenarien in der Schweiz. Gemäss Kernenergieverordnung sind Kernanlagen gegen Störfälle mit Ursprung innerhalb der Anlage, z. B. Brand, Schutzmassnahmen zu treffen.

Die Berechnung der in der Fragestellung 115 geforderten radiologischen Ausbreitungsrechnungen (nukleare Falloutkarte) sind sehr komplex und benötigen viele Detailinformationen wie z. B. Quellterm, Wetterverlauf, Topographie oder die zu betrachtende Oberflächenanlage, welche im aktuellen Projektstatus nicht vorliegen. Aus diesen Gründen wird das ENSI im Rahmen der Beantwortung dieser Frage keine radiologischen Ausbreitungsrechnungen durchführen. Auf einen entsprechenden Vergleich von radiologischen Ausbreitungsrechnungen mit der aus dem Kernkraftwerk Fukushima freigesetzten Menge wird ebenfalls verzichtet.

Brandschutzmassnahmen erfolgen auf unterschiedlichen Ebenen. Während mit dem vorbeugenden Brandschutz versucht wird, die Gefahr eines Brandes durch geeignete Massnahmen zu verhindern oder zu minimieren, wird mit dem abwehrenden Brandschutz versucht einen aktiven Brand zu löschen, indem man ihm eine oder mehrere Grundlagen entzieht. Für ein Tiefenlager können neben den Erfahrungen aus dem Bau und Betrieb von vergleichbaren Einrichtungen in anderen Ländern auch Erfahrungen aus dem Bau und Betrieb von ähnlichen Tiefenbauten wie dem Bergbau oder den Strassen- und Bahntunneln herangezogen werden. Die Brandlasten in einem geologischen Tiefenlager können im Gegensatz zu jenen in Strassen- und Bahntunneln relativ genau erfasst werden. Die Brandgefährdung einer solchen Anlage liegt in erster Linie bei den verwendeten Betriebsmitteln (Fahrzeuge, Materialien, elektrische Einrichtungen). Die nuklearen Abfälle sind von einer Stahl- oder Betonhülle umschlossen, so dass sie als nicht brennbar bezeichnet werden können. Jeder Betreiber einer Kernanlage hat die Aufgabe ein Brandschutzkonzept gemäss den behördlichen Vorgaben des ENSI und der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) zu konkretisieren. Das ENSI kontrolliert die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen und des Brandschutzkonzepts im Rahmen von Inspektionen.

Am 5. Februar 2014 geriet in der US-amerikanischen „Waste Isolation Pilot Plant“ (WIPP) ein untertägiges Abraumfahrzeug in Brand. Gemäss dem Untersuchungsbericht des DOE verursachten technische Mängel infolge ungenügender Wartung einen Teilbrand des Fahrzeugs. Die Analyse von solchen Vorkommnissen auf internationaler Ebene und aus anderen Bereichen stellt für das ENSI eine wichtige Grundlage dar, um die technischen, menschlichen und organisatorischen Aspekte und deren Zusammenspiel im Zusammenhang mit den Schweizer Kernanlagen stetig zu verbessern.

Die Nagra kommt in ihrer Antwort zum Schluss, dass aufgrund der betrieblichen Abläufe in einem zukünftigen geologischen Tiefenlager in der Schweiz keine relevanten Brandlasten aufgrund von Endlagerbehältern bestehen. Die abgebrannten Brennelemente (BE) und die verglasten hochaktiven Abfälle (HAA) sind in dickwandigen metallischen Behältern dicht eingeschlossen (inkl. Gasdichtheit), die nicht brennbar sind und die ihre Dichtheit auch unter grossen Belastungen behalten. Auch die LMA- und SMA-Abfälle sind in nicht brennbaren Endlagerbehältern verpackt. Es ist sichergesellt, dass innerhalb des geologischen Tiefenlagers die Entstehung von Bränden unwahrscheinlich ist und allfällige Brände räumlich und in ihrer Dauer und Intensität klar begrenzt sind.

Die Berechnungen der Nagra basieren auf einem hypothetisch angenommenen Brand von einer Stunde in der Oberflächenanlage (Verpackungsanlage), wobei angenommen wird, dass die Abfallgebinde weder durch den externen Transportbehälter noch durch den Endlagerbehälter geschützt sind. Die Resultate zeigen, dass die Dosen klein und unterhalb dem (Nagra-internen) Zielwert von 1 mSv liegen und somit weit unterhalb der behördlichen Vorgabe (100 mSv) bleiben.

Einleitung

Die TFS-Frage 115 „Brand im geologischen Tiefenlager“ ist eine von zehn Fragen (TFS-Fragen 111 bis 120) desselben Fragestellers, welche losgelöst von jeglichen Eintretenswahrscheinlichkeiten, verschiedene theoretische Extrem-Ereignisse im Zusammenhang mit geologischen Tiefenlagern beim TFS eingereicht wurden. Gemäss vorliegenden Informationen erhofft sich der Fragesteller ein „vertieftes Verständnis der Gefährlichkeit radioaktiver Abfälle sowie ein Vergleich mit ähnlichen Ereignissen“ damit „die Wirksamkeit der diversen Schutzmassnahmen im Normalbetrieb bzw. im Ereignisfall zuverlässiger beurteilt werden können“.

Die TFS-Frage 115 „Brand im geologischen Tiefenlager“ steht in engem Zusammenhang mit den TFS-Fragen 112 „Brand in der Oberflächenanlage“ und 113 „Brand Transport HAA, SMA und Kombilager“ vom selben Fragesteller.

Die Beantwortung der TFS-Fragen 111 bis 120 erfolgt unter den Rahmenbedingungen zum Umgang mit Störfällen und Szenarien in der Schweiz, d. h. die gesetzlichen Vorgaben für Störfallanalysen (Umgang mit Auslegungsstörfällen und auslegungsüberschreitenden Störfällen) für Kernanlagen sowie der Umgang mit übergeordneten Szenarien auf Ebene Bund durch KomABC (Eidgenössische Kommission für ABC-Schutz) und Bundesstab ABCN. Diese werden in der Antwort zur TFS-Frage 111 ausführlich erläutert.

Das ENSI beantwortet die eingereichten Fragen grundsätzlich basierend auf wissenschaftlich-technischen Fakten unter Einbezug

  • physikalisch-chemischer Stoffeigenschaften (d. h. dem Schadstoffpotential: Welche radioaktiven Stoffe liegen in welchen Mengen und in welcher Form (fest, flüssig, gasförmig, brennbar, nicht brennbar) vor);
  • möglicher Expositionspfade (Szenarien);
  • der entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeiten (d. h. mögliche Ereignisabläufe, in Kenntnis der vorherrschenden Randbedingungen wie z. B. Auslegung der Anlage, Inventar, Betriebsprozesse); sowie
  • der Einwirkungen auf die Schutzziele (Mensch und Umwelt, z. B. Strahlenexposition mit nennenswerter Dosis).

Dies erfolgt ähnlich wie bei Risikobetrachtungen in anderen Bereichen z. B. die Beurteilung des Gefährdungspotentials von Altlasten durch die Kantone, welche das Schadstoffpotenzial, das Freisetzungspotenzial und die Exposition und Bedeutung von Schutzgütern berücksichtigt.

Das ENSI ist der Ansicht, dass bei der Betrachtung des vorliegenden Szenarios mit der Freisetzung des Inhaltes von 1, 2, 5, 10, 50, 100 und allen HAA-Endlagerbehältern aus einem geologischen Tiefenlager, die wissenschaftlich-technischen und organisatorischen Faktoren berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel die Brandlasten im geologischen Tiefenlager, die Brennbarkeit der Abfälle und die Betriebsabläufe. In diesem Sinne informiert das ENSI über die Grundlagen des Brandschutzes, den Brandschutz im Tiefenlager, die Anforderungen an den Brandschutz im Tiefenlager, das Brandschutzkonzept eines Tiefenlagers sowie den Brandschutz im Betrieb eines Tiefenlagers. Für die Beantwortung der vorliegenden Frage ist es ebenfalls naheliegend und notwendig, die Vorkommnisse zum Fahrzeugbrand vom 5. Februar 2014 im US-amerikanischen „Waste Isolation Pilot Plant“ (WIPP) anzusprechen. Entsprechend beschreibt das ENSI die Vorkommnisse und wie es auf solche Vorkommnisse reagiert. Im Kontext der Fragestellung erachtet es das ENSI als zielführend, dass die Nagra im Rahmen dieser Frage über die Logistik von Endlagerbehältern im geologischen Tiefenlager, Abschätzungen zur Brennbarkeit der radioaktiven Abfälle und Ergebnisse von Dosisberechnung durch Brand informiert. Die Antwort der Nagra wurde unabhängig vom ENSI erstellt. Wie bereits in der Beantwortung der TFS-Fragen 111 und 112 erläutert das ENSI, weshalb es nicht auf die Berechnung der Falloutkarten und auf vergleichende Betrachtungen zwischen Freisetzung radioaktiver Stoffe durch einen beschriebenen Brand und den Unfall in Fukushima eingeht. Dies wird vorab in den nächsten zwei Abschnitten ausführlich begründet.

Falloutkarten

Die Berechnung von radiologischen Ausbreitungsrechnungen (nukleare Falloutkarten) bildet ein wichtiges Instrument für die Planung und Vorbereitung von Schutzmassnahmen für die Bevölkerung. Diese werden basierend auf realistischen und qualifizierten Szenarien für den Ernstfall als Vorsorge bei Unfällen in Kernanlagen erstellt. Die Resultate von Ausbreitungsrechnungen hängen von vielen Faktoren wie z. B. Quellterm, Wetterlage, Wetterverlauf oder Topografie ab. Im Rahmen seiner Tätigkeit führt das ENSI entsprechende Berechnungen unter Berücksichtigung aller Faktoren zur Vorbereitung des Notfallschutzes durch und stellt diese den verantwortlichen Behörden zur Verfügung. Deren Publikation obliegt den zuständigen Behörden. Das ENSI erachtet es als nicht zielführend, bzw. nicht möglich, belastbare radiologische Ausbreitungsrechnungen ohne standortspezifische und anlagenspezifische Angaben durchzuführen. Entsprechend wäre die Aussagekraft solcher Berechnungen gering und aus Sicht des ENSI nicht zielführend. Eine Veröffentlichung könnte sogar, falls sich im Nachhinein niemand mehr an die unrealistischen Randbedingungen erinnert, zur unnötigen Verunsicherung der Bevölkerung führen. Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für ein geologisches Tiefenlager wir das ENSI jedoch auslegungs- und auslegungsüberschreitende Störfälle analysieren.

Vergleich mit Fukushima

Die Berechnung von radiologischen Ausbreitungsrechnungen (nukleare Falloutkarten) hängt von vielen Faktoren wie z. B. Quellterm, Wetterlage, Wetterverlauf oder Topografie ab. Im Rahmen seiner Tätigkeit führt das ENSI entsprechend komplexe Berechnungen unter Berücksichtigung aller Faktoren zur Vorbereitung des Notfallschutzes durch und stellt diese den verantwortlichen Behörden zur Verfügung. Das ENSI verzichtet aus nachfolgenden Gründen auf die Berechnung eines Vergleichs zwischen den hypothetischen Freisetzungen von Radioaktivität aus einer Oberflächenanlage, einem geologischen Tiefenlager oder einem Transportbehälter mit der im Kernkraftwerk Fukushima freigesetzten Menge in Form von Falloutkarten:

  • Die unterschiedlichen Mengen an Inventar und verschiedenen flüchtigen Radionukliden.
  • In Transport- und Lagerbehältern wird viel weniger Zerfallsenergie freigesetzt, die in Form von Wärme an die Luft abgegeben wird. Entsprechend reduziert sich auch das Gefährdungspotential.
  • Transport- und Lagerbehälter werden bereits heute im ZWILAG passiv mit Luft gekühlt, d. h. es ist keine aktive Wasserkühlung notwendig.
  • Die Möglichkeit einer Kettenreaktion kann in einer OFA durch technische und administrative Massnahmen ausgeschlossen werden.
  • Es werden nur feste radioaktive Abfälle zur OFA angeliefert.
  • Das Notfallschutzkonzept muss im Rahmen der Baubewilligung vorliegen (zum Thema Notfallschutzvorsorge siehe auch TFS-Antwort zu TFS-Frage 90).
  • Schlussendlich ist die Publikation einer Freisetzungskarte für Japan auf Basis einer hypothetischen Freisetzung von radioaktiven Stoffen aus dem Schweizer Programm nicht angebracht.

Der Notfallschutz ist in der Schweiz in der „Verordnung über den Notfallschutz in der Umgebung der Kernanlagen“ (SR732.33) seit langem geregelt. Im Rahmen von „IDA NOMEX“ wurde nach den Erkenntnissen aus einer Naturkatastrophe in Japan Anpassungen vorgenommen, wobei die vom ENSI entwickelten Referenzszenarien als Grundlage dienten. Für die vorsorgliche Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung und für die Verkehrsführung im Ereignisfall haben die Kantone auf der Basis von Richtlinien des Bundesamts für Bevölkerungsschutz Konzepte in Händen. Das ENSI wird im Ereignisfall, ausgehend vom Quellterm am Ort der Freisetzung, den meteorologischen Vorhersagen und der Landestopologie ein Dosisprofil erstellen und aktuell halten. Im Fall eines Ereignisses in der Oberflächenanlage zu einem Tiefenlager ist wegen der Beschaffenheit der Abfälle, den vergleichsweise geringen Temperaturen und dem Rückhaltevermögen der Gebäude mit geringen oder sehr geringen Quelltermen zu rechnen, sodass nur einfache Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung notwendig sein werden.

Das ENSI erachtet es nicht als zielführend, mittels japanischer Evakuationsrichtlinien auf ein nicht passendes, hypothetisches Szenario in der Schweiz einen Evakuierungsperimeter darzustellen.

Grundlagen des Brandschutzes

Das Feuer bildet als Nutzfeuer eine der Grundlagen für die menschliche Zivilisation. Ein Feuer ausser Kontrolle stellt als Schadfeuer eine Gefahr für Menschen, Tiere, Umwelt und Sachwerte dar.

Zur Entstehung eines Feuers müssen drei Bedingungen erfüllt sein. Sie werden im Brandschutz als „Feuerdreieck“ dargestellt:

  • Sauerstoff;
  • Brennstoff;
  • Wärme (Temperatur, Zündquelle).
Figur-115-1: Feuerdreieck (Quelle: www.agv-ag.ch)
Figur-115-1: Feuerdreieck (Quelle: www.agv-ag.ch)

 

Im vorbeugenden Brandschutz wird versucht, die Gefahr eines Brandes durch geeignete Massnahmen zu verhindern oder zu minimieren. Im abwehrenden Brandschutz versucht man einem aktiven Brand zu löschen, indem man ihm eine oder mehrere Grundlagen entzieht.

Da die Gefahr eines Brandes die Menschheit durch die Nutzung des Feuers seit langer Zeit begleitet, wurden für unterschiedliche Einsatzgebiete Strategien entwickelt, um einen Brand zu verhindern oder die Auswirkungen eines Brandes zu begrenzen.

Brandschutz im Tiefenlager

Für ein Tiefenlager können neben den Erfahrungen aus dem Bau und Betrieb von vergleichbaren Einrichtungen in anderen Ländern auch Erfahrungen aus dem Bau und Betrieb von ähnlichen Tiefbauten wie dem Bergbau oder Strassen- und Bahntunneln herangezogen werden.

Bei der Rohstoffgewinnung (Kohlebergbau) liegen die Probleme oft bei den hohen Brandlasten. Aufgrund austretender Grubengase und infolge von möglichen Staubentwicklungen besteht die Gefahr einer Verpuffung. Durch gesetzliche Grundlagen und technische Massnahmen konnten in den Industriestaaten die Gefahren eines Brands im Bergbau gemindert werden. Um einen Brand oder eine Verpuffung zu verhindern werden gefährliche Gase gemessen, die Entstehung von Stäuben unterdrückt und mögliche Zündquellen ferngehalten. Zur Bekämpfung von Bränden sind leistungsfähige Löschanlagen eingebaut, und die Mannschaft wird über das Verhalten und die Benutzung von Löscheinrichtungen geschult.

Im Betrieb eines Strassen- oder Bahntunnels kann die Menge an Brennstoff (Brandlast) nur unvollständig erfasst und kontrolliert werden. Die Brandlasten sind in der Regel so gross, dass Brände in solchen Bauten kaum beherrschbar sind. Die Massnahmen für den Brandfall sind auf den Personenschutz ausgelegt. Die Benutzer werden mit Hilfe der Notbeleuchtung und Signalisation durch Schleusen in den Fluchtstollen geleitet. Die Rauchabsaugung schützt sie dabei vor den giftigen Verbrennungsgasen. Ein Sachwertschutz der Fahrzeuge und Ladungen ist nur sehr eingeschränkt möglich,  oft wird auch der Tunnel selbst durch den Brand beschädigt. Vorbeugend wird die Sicherheit durch Massnahmen wie ein Verbot des Transports grösserer Mengen gefährlicher Stoffe, einem Mindestabstand zwischen den Lastwagen oder der Reduktion der Anzahl Fahrzeuge im Tunnel erhöht (Reduktion der Brandlast).

In einem Tiefenlager sind aus brandschutztechnischer Sicht weniger Probleme zu erwarten. Die Brandlasten können relativ genau erfasst werden, da neben den umgebenden Gesteinsschichten die Bauten, die Arbeitsmittel und die einzulagernden Materialien bekannt sind. Die radioaktiven Abfälle sind von einer Stahl- oder Betonhülle umschlossen, so dass sie als nicht brennbar bezeichnet werden können. Durch die Verbrennung von brennbaren radioaktiven Abfällen in der Plasma-Anlage wird die Brandlast im Tiefenlager weiter reduziert. Idealerweise erfüllen die vorgesehenen Behälter mit radioaktivem Material den notwendigen Feuerwiderstand, um bei einem Brand keine radioaktiven Stoffe freizusetzen. Die Brandgefährdung einer solchen Anlage liegt in erster Linie bei den verwendeten Betriebsmitteln (Fahrzeuge, Materialien, elektrische Einrichtungen). Weitere denkbare Gefährdungen sind Grubengase oder äussere Einwirkungen auf die Bauten auf der Oberfläche.

Anforderungen an den Brandschutz eines Tiefenlagers

Die Richtlinie HSK-R-50 „Sicherheitstechnische Anforderungen an den Brandschutz in Kernanlagen“ regelt die Aufsicht über die Brandschutzmassnahmen in den schweizerischen Kernanlagen während der Projektierung, dem Bau, dem Betrieb und der Stilllegung. Für die konventionellen Brandschutzmassnahmen stützt sich das ENSI auf die Brandschutznorm und die Brandschutzrichtlinien der VKF und die kantonalen Behörden. Damit die grundsätzlichen Ziele des Personen- und Sachwertschutzes eingehalten werden, sind diese einzuhalten. Zusätzlich gelten die Strahlenschutzvorschriften, welche keine Personengefährdung oder Freisetzung durch einen Brandfall zulassen. Dies bedeutet, dass die Brandschutzmassnahmen so zu treffen sind, dass bei einem allfälligen Brandfall eine Freisetzung radioaktiver Stoffe verhindert wird, und dass keine Gefährdung des Betriebspersonals oder von Angehörigen der Feuerwehr durch Freisetzung radioaktiver Stoffe in Kauf genommen werden darf.

Die Anlage ist so zu gestalten und zu betreiben, dass einzelne, abgeschottete Bereiche (Brandabschnitte) bei maximaler Brandlast ohne Gefährdung anderer Abschnitte ausbrennen können, oder dass Brände mit vor Ort installierten Löscheinrichtungen wirksam eingedämmt werden.

Die baulichen, technischen und organisatorischen Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels werden in einem Brandschutzkonzept festgehalten.

Das Brandschutzkonzept eines Tiefenlagers

Jeder Betreiber einer Kernanlage hat die Aufgabe ein Brandschutzkonzept zu erstellen und anzuwenden. Das Brandschutzkonzept konkretisiert die behördlichen Vorgaben des ENSI und der VKF, welche in Richtlinien festgelegt sind, für die betreffende Kernanlage. Es definiert die Schutzziele, listet die vorhandenen Gefährdungen auf und beschreibt die erforderlichen Massnahmen zur Erreichung der Schutzziele. Dabei wird zwischen baulichen, technischen und organisatorischen Massnahmen unterschieden. Aufgrund der stationären und mobilen Brandlasten in einem Brandabschnitt ergeben sich Anforderungen an das Tragwerk der Baustruktur, die brandabschnittsbildenden Elemente (Türen, Brandschutzklappen, Brandschottungen) oder ergänzende Massnahmen wie Löscheinrichtungen.

Möglicherweise ergeben sich aus der Betrachtung der mobilen Brandlasten innerhalb eines Brandabschnittes bestimmte Betriebsvorschriften oder Beschränkungen, welche die Arbeitsabläufe beeinflussen und zwingend eingehalten werden müssen.

Neben dem vorbeugenden Brandschutz beinhaltet das Brandschutzkonzept auch den abwehrenden Brandschutz. Die Feuerwehreinsatzpläne der Betriebsfeuerwehr müssen gemäss der kantonalen Vorgaben für Betriebe, die der Störfallverordnung unterstellt sind, erstellt werden. Die Pläne müssen von der kantonalen Behörde genehmigt werden.

Das Brandschutzkonzept muss bei Anpassungen der Anlage, veränderten Gefährdungen oder Nutzungen nachgeführt werden. Es wird dem ENSI vorgelegt und kann erst nach einer Freigabe durch das ENSI angewendet werden. Auf der Grundlage des Brandschutzkonzepts werden die Brandschutzmassnahmen ausgeführt, somit ist es notwendig für Baufreigaben und Freigaben von technischen Brandschutzmassnahmen.

Der Brandschutz im Betrieb eines Tiefenlagers

Der Anlagenbetreiber hat die Aufgabe einen Brandschutzverantwortlichen zu bezeichnen, der für die Belange des Brandschutzes und die Einhaltung des Brandschutzkonzepts verantwortlich ist.

Mindestens einmal im Jahr sind die Brandabschnitte, die Brandlasten und die zugehörige Dokumentation durch den Brandschutzverantwortlichen und einen externen Fachmann zu prüfen und zu dokumentieren.

Da Brandschutzeinrichtungen zu den sicherheitsbezogenen Ausrüstungen einer Anlage gehören sind Störungen und Vorkommnisse in ihrem Zusammenhang meldepflichtig. Der Betreiber ist auch verpflichtet Ereignisse und Erkenntnisse aus externen Anlagen auszuwerten und auf ihre Übertragbarkeit auf seine Anlage zu prüfen. Mit diesem Erfahrungsaustausch soll ein kontinuierlicher Lern- und Verbesserungsprozess zu mehr Sicherheit in allen Anlagen führen.

Technische Brandschutzeinrichtungen wie Brandmelde- und Sprinkleranlagen werden durch Fachleute des Kantons geprüft und abgenommen.

Das ENSI kontrolliert die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen und des Brandschutzkonzepts im Rahmen von Inspektionen. Bei Befunden, Vorkommnissen oder Meldungen von Störungen in der Anlage werden die betroffenen Anlageteile oder organisatorischen Regelungen geprüft. Wenn ein Verbesserungsbedarf festgestellt wird, fordert das ENSI vom Betreiber eine Lösung. Das ENSI prüft auch externe Vorkommnisse auf ihre Übertragbarkeit auf Anlagen vor Ort um bei Bedarf vom Betreiber entsprechende Untersuchungen für mögliche Anpassungen zu fordern.

Vorkommnisse „Waste Isolation Pilot Plant“ (WIPP)

In der „Waste Isolation Pilot Plant“ (WIPP) werden in einer 610 m mächtigen Salzschicht in 655 m unter Terrain nicht-wärmeentwickelnde Transuranabfälle aus militärischer Forschung und Produktion endgelagert. Das WIPP wurde 1999 durch die US-amerikanischen Energiebehörde („Department of Energy“, DOE) in Betrieb genommen und befindet sich ca. 26 km südöstlich von Carlsbad, im US-Bundestaat New Mexico. Zu Beginn des Jahres 2014 ereigneten sich in kurzer Folge zwei Störfälle.

Am 5. Februar 2014 geriet ein untertägiges Abraumfahrzeug in Brand. Gemäss dem Untersuchungsbericht des DOE (http://www.wipp.energy.gov/Special/AIBReport.pdf) verursachten technische Mängel infolge ungenügender Wartung einen Teilbrand des Fahrzeugs. Vorhandene Brandbekämpfungseinrichtungen konnten nicht ihre gewünschte Wirkung erzielen, sodass die gesamte Anlage innert kurzer Zeit verrauchte und vollständig evakuiert werden musste.

Am 14. Februar 2014 kam es in der aktuellen Einlagerungskammer zu einer Radionuklidfreisetzung, welche mittels automatischer Messeinrichtungen detektiert wurde. Trotz dem sofortigen Einsatz von Abluftfiltern, gelangten Spuren von Americium und Plutonium (30 µSv) in die Umwelt, wobei mindestens 13 Mitarbeiter obertägig leicht über die Atemwege kontaminiert wurden. Die untertägige Anlage war aufgrund des Brandereignisses zum Zeitpunkt der Freisetzung noch immer evakuiert. Die zulässigen Strahlungsgrenzwerte wurden zu jeder Zeit eingehalten, wie der erste Teil des DOE-Untersuchungsberichts (http://www.wipp.energy.gov/Special/AIB_Final_WIPP_Rad_Release_Phase1_04_22_2014.pdf) betont. Als Kontaminationsquelle wurde ein mit Aufarbeitungsabfällen aus den Los Alamos National Laboratories befülltes Gebinde identifiziert. Dieses weist neben einem geborstenen Deckel auch deutliche Spuren einer grösseren Hitzeeinwirkung auf (punktuell bis zu 870 °C möglich). Die Untersuchungen zu den genauen Störfallursachen sind noch nicht abgeschlossen. Die vorliegenden Informationen deuten jedoch auf eine wärme- und gasentwickelnde chemische Reaktion des Gebindeinhalts hin. Als wahrscheinlichste Ursache gilt eine starke Oxidationsreaktion zwischen neutralisierten Salpetersäureresten und einem Bindemittel auf Weizenbasis. Am 30. September 2014 veröffentlichte das DOE einen Massnahmenplan mit dem Ziel der Wiederaufnahme des Einlagerungsbetriebs im Jahr 2016 (http://www.wipp.energy.gov/Special/WIPP%20Recovery%20Plan.pdf). Aktuell werden hierzu untertägig Dekontaminierungs- und routinemässige Instandhaltungsarbeiten durchgeführt.

Die Sektion MEOS des ENSI analysiert menschliche und organisatorische Aspekte („Human and Organisational Factors“, HOF), welche neben den naturwissenschaftlichen und technischen Aspekten eine wichtige Rolle in der nuklearen Aufsicht einnehmen. Die Organisationen von Betreibern und Behörden, in welchen die Menschen arbeiten, müssen den menschlichen Faktoren durch geeignete Strukturen, Abläufe und einer Sicherheitskultur Rechnung tragen.

Bei der Betrachtung von menschlichen und organisatorischen Aspekten im Zusammenhang mit den Vorkommnissen im WIPP werden in einem ersten Schritt die verschiedenen beteiligten Organisationen und deren Aufgaben betrachtet, da deren Zusammenspiel und deren gemeinsame Kultur für das Verständnis der tieferen Ursachen für die Vorkommnisse zentral sind. Die bisherigen Untersuchungen durch die zuständigen Behörden in den USA zeigen neben den identifizierten technischen Ursachen eine Reihe von beitragenden Faktoren aus menschlicher und organisatorischer Sicht, zum Beispiel in Bezug auf

  1. Managementsysteme: Vorgaben, Regelungen, Vorschriften;
  2. Ausbildung, Vorbereitung des Personals; und
  3. Haltung/Einstellung gegenüber der Sicherheit, des Sicherheitsbewusstseins.

Für die MEOS steht die Frage im Raum, ob das Auftreten zweier Vorkommnisse (Brandfall vom 5. Februar 2014 und Radionuklidfreisetzung vom 14. Februar 2014) innerhalb von weniger als 10 Tagen als zufällig betrachtet werden kann oder ob den beiden Vorkommnissen gemeinsame/systemische Ursachen zugrunde liegen. Die noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen deuten in beiden Fällen auf ähnliche Merkmale in der Organisation und Kultur hin, welche zu den Vorkommnissen beigetragen haben. Diese Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit einer ganzheitlichen, systemischen Betrachtung von Ereignissen unter Einbezug ihres geschichtlichen, kulturellen und organisatorischen Kontexts, um die tiefer liegenden, grundlegenden Mechanismen zu identifizieren, welche zu den Ereignissen geführt haben und um daraus nachhaltige Lehren abzuleiten. Die Analyse von Vorkommnissen auf internationaler Ebene und aus anderen Bereichen stellt für das ENSI eine wichtige Grundlage dar, um die technischen, menschlichen und organisatorischen Aspekte und deren Zusammenspiel im Zusammenhang mit den Schweizer Kernanlagen stetig zu verbessern.

Kommentierung durch Fragesteller und weiterführende Fragen

Die Beantwortung der Fragen durch das ENSI basierend auf wissenschaftlich-technischen Fakten beinhaltete Prüfung und Kommentierung der Szenarien sowie hypothetische Rechenbeispiele und detailliertere Berechnungen. Im Rahmen der Kommentierung der Antworten zu den TFS-Fragen 111 bis 120 hat der Fragesteller festgehalten, dass mit den vorliegenden Antworten seine übergeordneten Fragen nach dem theoretischen Gefährdungspotential nicht oder nur teilweise beantwortet wurden. Entsprechend hat er im Rahmen der Rückmeldung fünf ergänzende  Fragen (TFS-Frage 138 bis 142), losgelöst von Szenarien, eingereicht.

Im Zusammenhang mit der Frage 115 wird an dieser Stelle auf folgende ergänzenden Fragen verwiesen:

Beantwortet von Nagra

Als Ergänzung zur Antwort des ENSI auf die TFS-Frage 115 wurde die Nagra gebeten, zu folgenden Themen zu informieren:

    1. Logistik von Endlagerbehälter (HAA, SMA): Wie viele Behälter befinden sich zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort im Tiefenlager? (Stichwort: Akkumulation von Brandlasten);
    2. Können radioaktive Abfälle brennen? (Stichwort: Brennbarkeit von Abfällen (HAA/LMA/SMA));
    3. Übersicht zu NAB 14-51: Ergänzende Sicherheitsbetrachtungen für die Untertageanlagen der geologischen Tiefenlager in der Betriebsphase: Vorgaben, Vorgehen und Ergebnisse;
    4. Informationsforum Betriebssicherheit vom 24. Mai 2014: Erläuterung zu den Dosisberechnungen (z. B. zu Folie 33, Vortrag von P. Zuidema).

Zur Logistik von Endlagerbehältern: Endlagerbehälter untertags im Tiefenlager

Die heutige Planung geht davon aus, dass die Abfälle aus den heute bestehenden Kernkraftwerken sowie die Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung in der Betriebsphase mit einer geplanten Dauer von 15 Jahren eingelagert werden können. Dies bedeutet für das HAA-Lager, dass für die abgebrannten Brennelemente (BE) bzw. die verglasten hochaktiven Abfälle (HAA) eine Einlagerungsrate von rund 200 Behältern pro Jahr angestrebt wird. Dies bedeutet, dass pro Tag nur ein Behälter eingelagert werden muss und sich deshalb nur ein Endlager­behälter in der untertägigen Anlage befindet, der nicht eingelagert ist. Zusätzlich kommen beim HAA-Lager noch LMA-Behälter dazu, die aber von der Anzahl her nicht ins Gewicht fallen und zeitlich und räumlich getrennt von den BE/HAA eingelagert werden.

Für das SMA-Lager sind pro Tag etwa vier Endlagerbehälter[1] einzulagern. Der Zeitbedarf für die Förderung der Endlagerbehälter und die Einlagerung eines Endlagerbehälters wird auf rund 4 Std. geschätzt. Um die Arbeit sicher und effektiv abwickeln zu können, wird davon ausgegangen, dass beim Transport nach Untertag maximal zwei Endlagerbehälter gleichzeitig transportiert werden, bei der Einlagerung in die Lagerkammer jedoch nur ein Endlagerbehälter eingelagert wird. Gesamthaft können gemäss heutiger Planung zwei Transporteinheiten (zu je zwei Endlagerbehälter) gleichzeitig in der untertägigen Anlage sein, beide jedoch immer räumlich getrennt voneinander.

In der Oberflächenanlage werden die einzulagernden Abfallgebinde entgegengenommen, kontrolliert und dann in Endlagerbehälter verpackt. Die Oberflächenanlage und die darin stattfindenden Abläufe wurden in NTB 13‑01 beschrieben. Die maximale Anzahl von sich gleichzeitig in der Oberflächenanlage befindlichen Abfallgebinden (verpackt in Transportbehältern oder in Endlagerbehältern) entspricht für die SMA/LMA-Gebinde einem Äquivalent von 80 vollen Endlagerbehältern[1], für das HAA-Lager einem Äquivalent von acht vollen Transportbehältern. Schliesslich befinden sich untertägig auch die in den Lagerkammern eingelagerten Endlagerbehälter, wobei die Lagerkammern während der Einlagerung fortlaufend verfüllt und die vollen Lagerkammern abschliessend versiegelt werden und damit vollständig geschützt vor äusseren Einwirkungen sind.

Zu der in der Frage angesprochenen Akkumulation von Brandlasten ist festzuhalten, dass die Endlagerbehälter bezüglich Brandlast nicht relevant sind (vgl. Aussagen im nächsten Kapitel).

Zur Brennbarkeit von Endlagerbehältern

Die abgebrannten Brennelemente (BE) und die verglasten hochaktiven Abfälle (HAA) sind in dickwandigen metallischen Behältern dicht eingeschlossen (inkl. Gasdichtheit), die nicht brennbar sind und die ihre Dichtheit auch unter grossen Belastungen nicht verlieren. Die einzelnen Endlagerbehälter sind für den Transport nach Untertag zu den Lagerkammern zusätzlich in internen Transportbehältern eingeschlossen und damit vor äusseren Einwirkungen geschützt. Weiter handelt es sich bei BE und HAA um nicht brennbare Materialien[2]. Bei den Endlagerbehältern mit BE und HAA kann es somit auch im hypothetischen Falle einer hohen thermischen Belastung (inkl. Brand)[3] zu keiner Nuklidfreisetzung kommen.

Auch die LMA- und SMA-Abfälle sind in nicht brennbaren Endlagerbehältern verpackt, die einen grossen Schutz gegen Temperatureinwirkungen und Brand bieten. Auch hier sind die Endlagerbehälter für den Transport nach Untertag zu den Lagerkammern zusätzlich in internen Transportbehältern eingeschlossen und damit vor Einwirkungen zusätzlich geschützt. Der grösste Teil der in den Endlagerbehältern eingeschlossenen Abfallgebinde ist nicht brennbar. Nur ein sehr kleiner Anteil der in Endlagerbehälter eingeschlossenen Abfallgebinde beinhaltet organische Stoffe, die grundsätzlich oxidieren bzw. brennen können; der organische Massenanteil aller in Endlagerbehälter verpackten SMA-Abfälle beträgt nur rund 1 %. Der brennbare Anteil kann einerseits die Verfestigungsmatrix betreffen (Bitumen und Polystyrol) oder aber die Abfälle selbst (Ionentauscherharze und organische Materialien), die in ein Verfestigungs­material eingebettet sind (mehrheitlich Zementmörtel, aber auch Bitumen oder Polystyrol). In den Sicherheitsanalysen zur Betriebsphase wird das Verhalten der mit Abfallgebinden beladenen Endlagerbehälter auch unter thermischer Belastung untersucht. Die Auswirkungen einer thermischen Belastung bzw. eines Brandes[3] auf ein Abfallgebinde hängen von der Dauer des Brandes, von der Höhe der beim Abfallgebinde auftretenden Temperatur, von der Verpackung und ihrer isolierenden Wirkung, der stofflichen Zusammensetzung und der Behandlung des Abfalles bei der Konditionierung (Abfallprodukt) ab.

Für die in Endlagerbehälter verpackten Abfallgebinde ist zu beachten, dass diese durch die Endlager­behälter und das Verfüllmaterial in den Endlagerbehältern von der Umgebung getrennt sind. Durch eine von aussen auf den Endlagerbehälter wirkende Wärmequelle kann die Temperatur jedoch auch im Endlagerbehälter und damit auch in den Abfallgebinden zunehmen. Dies kann bei entsprechenden Temperaturen zu einer Mobilisierung von Radionukliden durch Übertritt von der Festphase in die Gasphase oder von der Festphase in die flüssige Phase führen. Dies kann auch begleitet sein durch eine thermische Zersetzung von organischem Material verbunden mit einer entsprechenden Gasbildung. Diese Prozesse wurden in Versuchen und durch Modellrechnungen untersucht, so dass die Freisetzungsraten für die verschiedenen Nuklide zuverlässig abgeschätzt werden können. Durch eine entsprechende Auslegung der Endlagerbehälter (und Transportbehälter) kann die Temperaturzunahme in den Abfallgebinden als Folge eines hypothetischen Brandes mit einer gewissen Dauer begrenzt werden. Speziell in den Bereichen der untertägigen Anlagen, in denen Endlagerbehälter gehandhabt werden, wird die Entstehung hoher Temperaturen durch Massnahmen praktisch ausgeschlossen. Mit diesen Massnahmen (i) werden die Brandlasten und Zündquellen auf ein Minimum beschränkt (bzw. ganz vermieden) bzw. diese sicher eingeschlossen, (ii) werden diese Bereiche überwacht und (iii) − falls es nicht eingeschlossene Brandlasten von beschränktem Umfang sind – wird im Brandfall sichergestellt, dass der Brand sofort gelöscht wird. Damit ist sichergestellt, dass innerhalb des geologischen Tiefenlagers die Entstehung von Bränden sehr unwahrscheinlich ist und allfällige Brände räumlich und in ihrer Dauer und Intensität klar begrenzt sind (keine Möglichkeit der Entstehung eines Vollbrands).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Endlagerbehälter kein brennbares Material enthalten, bzw. dass das oxidierbare Material wegen seiner Einbettung in der Verfestigungsmatrix bzw. wegen seiner Verpackung im Abfallgebinde bzw. Endlagerbehälter nicht offen abbrennen kann. Bei hohen Temperatureinwirkungen können jedoch Nuklide mit entsprechend tiefer Verdampfungstemperatur grundsätzlich gasförmig werden und freigesetzt werden. Eine Freisetzung wird aber durch eine geeignete Verpackung und durch die Verwendung von internen Transportbehältern sowie durch weitere Massnahmen weitestgehend vermieden. Die Auswirkungen von Temperaturen werden in den Sicherheitsanalysen für die Betriebsphase berücksichtigt, und die Nuklidfreisetzung bei unterstellten schweren Störfällen kann zuverlässig abgeschätzt werden; die erwartete Nuklidfreisetzung ist aus Sicht der Sicherheit akzeptabel[4].

Übersicht zu NAB 14-51: Ergänzende Sicherheitsbetrachtungen für die Untertageanlagen der geologischen Tiefenlager in der Betriebsphase: Vorgaben, Vorgehen und Dokumentation der Ergebnisse

Der Nagra Arbeitsbericht NAB 14-51 ist für jedermann verfügbar und kann von der Nagra Homepage[5] heruntergeladen werden.

Der Bericht NAB 14-51 zeigt anhand einer systematischen Betrachtung, dass der Normalbetrieb der Untertageanlagen des geologischen Tiefenlagers (inkl. der Zugangsbauwerke und Fördermittel) sicher ist und die Sicherheit auch bei Störfällen gegeben ist. In dieser Betrachtung werden allfällige Störfälle identifiziert und systematisch analysiert unter Berücksichtigung der geplanten Massnahmen und Sicherheitssysteme. Dies umfasst die systematische Analyse der sich aus den Ereignissen (abgeleitet aus dem Störfallkatalog) ergebenden Belastungen (bspw. thermisch und mechanisch) und den aus den Belastungen resultierenden Schäden und Konsequenzen für die verschiedenen zu betrachtenden Schadenstypen (Schadenstypen: (i) nukleare Betriebssicherheit und Strahlenschutz, (ii) die Personensicherheit, die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz während der Betriebsphase, (iii) die Auswirkungen der Betriebsphase auf die Langzeitsicherheit und (iv) die Auswirkungen der Betriebsphase auf die Umwelt).

Die Analysen zeigen auf, dass ein sicherer Betrieb des geologischen Tiefenlagers in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen und behördlichen Vorgaben möglich ist. Darüber zeigen die durchgeführten Analysen die Bedeutung der sicherheitsgerichteten Optimierung der Anlage und der zugehörigen Massnahmen auf, mit welchen Abweichungen vom Normalbetrieb sowie Störfälle soweit wie möglich vermieden werden. Wo die Vermeidung von Abweichungen durch Auslegungsmassnahmen nicht vollständig möglich ist, werden durch Einplanung von Sicherheitssystemen die Auswirkungen entsprechend begrenzt bzw. die Eintrittshäufigkeiten der Störfälle reduziert. Die systematische Diskussion der Massnahmen erfolgt dabei in Anlehnung an das international empfohlene Konzept der gestaffelten Sicherheitsvorsorge („Defence in Depth“, mehrere hintereinander gestaffelte komplementäre Ebenen von aktiven und passiven Massnahmen, die zum Teil redundant und/oder „Fail Safe“ ausgelegt werden).

Diese Analyse der Untertageanlage infolge von inneren und äusseren Einwirkungen (Normal- und Störfallbetrieb) wird ergänzt durch den Vergleich der Standortgebiete und -areale hinsichtlich ihres Gefahrenpotenzials als auch dem Vergleich der Zugangsoptionen des Hauptzugangsbauwerks (Zugangstunnel oder Zugangsschacht) inkl. der Betrachtung der Fördermittel.

Die Ergebnisse der ergänzenden Sicherheitsbetrachtungen zeigen in Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Tiefenlagerprojekte und den Erfahrungen mit Untertagbauten, dass für den Einlagerungsbetrieb unabhängig vom gewählten Standortgebiet und der Zugangsoption ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet werden kann. Eine sicherheitsrelevante Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt ist im Normalbetrieb und im Fall von Störfällen nicht zu erwarten. Eine irreversible Schädigung der relevanten technischen und natürlichen (geologischen) Barrieren[6] während des Einlagerungsbetriebs und bei allfälligen Störfällen ist ausgeschlossen, wodurch auch eine Beeinflussung der Langzeitsicherheit ausgeschlossen werden kann. Die Personensicherheit, die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz sind durch die sicherheitsgerichtete Auslegung der Untertageanlagen und der Betriebsabläufe sichergestellt. Die Möglichkeit von Flucht, Rettung und Evakuation der in den Untertageanlagen befindlichen Personen stellt in der derzeitigen Projektstufe in Übereinstimmung mit „Good Practice“ eine bedeutende Komponente dar. Der Einlagerungsbetrieb hat sowohl im Normalbetrieb als auch im Falle eines Störfalls keinen relevanten Einfluss auf die Umwelt; der Schutz der Umwelt ist jederzeit gewährleistet.

Die Schutzziele können – aufgrund der Wahl geeigneter Standortareale und in Verbindung mit der sicherheitsgerichteten robusten Auslegung der Strukturen, Systeme und Komponenten – jederzeit für alle Schadenstypen gewährleistet werden.

Der Bericht NAB 14-51 liefert somit ein konsistentes Bild über die aktuelle stufengerechte Anlagenauslegung (inkl. Massnahmen und Sicherheitssysteme) und Betriebsabläufe. Die durchgeführten Störfallanalysen und die Auswertung der Störfallabläufe basieren auf verschiedenen Ebenen, wobei die Gefährdungen erfasst (Katalog der auslösenden Ereignisse), die Belastungen abgeleitet und für die verschiedenen Schadenstypen die Konsequenzen abgeschätzt wurden. Als relevante Störfälle wurden der Flugzeugabsturz mit anschliessendem Kerosinbrand, der Förder- und Handhabungsmittelunfall mit anschliessendem Brand und der Wassereinbruch aus einem Karstsystem oder Störungszone abgeleitet und im Bericht ausführlich, unter Berücksichtigung von Massnahmen und Sicherheitssystemen, diskutiert.

Informationsforum Betriebssicherheit vom 24. Mai 2014: Erläuterung zu den dort erwähnten Dosisberechnungen

Die Dosis berechnet sich aus dem Quellterm (Menge an radioaktiven Stoffen, die im Falle eines Störfalls aus dem betroffenen Abfallgebinde freigesetzt wird) unter Berücksichtigung der Mobilität dieser Stoffe innerhalb des Raums, wo die Freisetzung stattgefunden hat (luftgetragene Stoffe oder sich absetzende Partikel) und der Rückhaltung der mobilen radioaktiven Stoffe innerhalb dieses Raums (Steuerung der Lüftung: Verschluss von Klappen, Führung der Abluft über hochwirksame Filter) sowie einem Faktor, der die Ausbreitung der Radionuklide in der Umgebung sowie die daraus resultierende Dosis berücksichtigt. Bei der in der Frage angesprochenen Folie handelt es sich um einen hypothetisch angenommen Brand in der Oberflächenanlage in der Verpackungsanlage (Zelle zum Umladen der Abfallgebinde aus den externen Transportbehältern in die Endlagerbehälter), wo beispielhaft zwei SMA-Abfallgebinde unter Annahme des bzgl. Sicherheit ungünstigsten Nuklidinventars[7] analysiert werden. Für die Berechnungen wird angenommen, dass die Abfallgebinde weder durch den externen Transportbehälter noch durch den Endlagerbehälter geschützt sind. Weiter wird hypothetisch angenommen, dass der Brand eine Stunde dauert; in der Realität ist dies nicht möglich (Brandlasten/Zündquellen, Löschmassnahmen). Der Quellterm wird für jedes betrachtete Radionuklid unter Berücksichtigung der Resultate von Brandversuchen, von Modellrechnungen und von Analogieüberlegungen ermittelt . Für die Filterwirkung wurden zwei beispielhafte Filterwirkungen angenommen: Filter 1 mit einer Rückhaltung von 99,7 % (POSIVA Working Report 2009-106) bzw. Filter 2 mit einer Rückhaltung von 99,999 % (HSK 27/12) für alle Radionuklide ausser 3H, 14C, 129I und 85Kr, für welche keine Rückhaltung in den Filtern angenommen wurde. Die Expositionsfunktionen wurden gemäss der Richtlinie ENSI-G14, Revision 1, berechnet, wobei für die Berechnungen in den Folien die Personengruppe „Erwachsene“ verwendet wurde.


[1]     Dies bezieht sich auf Endlagerbehälter vom Typ LC-84H bzw. LC-86H (vgl. dazu z. B. NTB 14-04, Seite 24). Diese sind deutlich kleiner als die z. B. in NTB 13-01 diskutierten Endlagerbehälter LC1 (vgl. dazu z. B. NTB 08-06, B-19 bzw. NTB 13-01).

[2]    Zirkalloy kann unter extremen Bedingungen oxidieren (z. B. bei einem Kernschmelzunfall). Solche Bedingungen sind jedoch in einem geologischen Tiefenlager ausgeschlossen

[3]    Hohe Temperaturen mit Relevanz für die Sicherheit (Integrität) der Endlagerbehälter können aus heutiger Sicht ausgeschlossen werden

[4]     Die entsprechend im Kernenergiegesetz und in der Kernenergieverordnung vorgeschriebenen radiologischen Schutzziele werden eingehalten

[5]     http://www.nagra.ch/de/cat/publikationen/arbeitsberichte-nabs/nabs-2014-1-80/downloadcenter.htm

[6] Im Falle einer Schädigung der Barrieren durch einen sehr unwahrscheinlichen, aber zurzeit in den Analysen nicht ausgeschlossenen Wassereinbruch werden korrigierende Massnahmen getroffen

[7]     Annahmen: (i) spät (z. B. im Nachbetrieb) produzierte Abfallgebinde mit entsprechend geringem radioaktiven Zerfall bis zum Zeitpunkt der Anlieferung an die Oberflächenanlage; (ii) explizite Berücksichtigung der Ungewissheiten bei den Korrelationsfaktoren (Annahme: 95 % „Confidence Level“)