Technisches Forum Sicherheit

Frage 93: Veränderung der Eigenschaften des Opalinustons durch Wärme

Wie verändert Wärmestress die Eigenschaften des Opalinustons (z.B. Austrocknung, mineralische Umwandlung, erhöhter Porendruck?) und wie wirkt sich diese Veränderung auf die Sicherheit bei Erdbeben aus?“

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Eingegangen am 19. Oktober 2012 Fragende Instanz Fragen aus der Bevölkerung
Status beantwortet
Beantwortet am 17. Juni 2014 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

Die Wärmeproduktion (Zerfallswärme) der hochaktiven Abfälle der Schweiz nimmt rasch ab und beträgt nach 1000 Jahren noch etwa 1/10 der Anfangsproduktion bei der Einlagerung (Johnson et al. 2002). Zur Reduktion der Wärmeentwicklung eines Tiefenlagers werden die hochaktiven Abfälle während den ersten 40 – 50 Jahren im Zwischenlager abgekühlt; in dieser Zeit zerfällt ein grosser Teil der kurzlebigen Spaltprodukte, welche für die Wärmeentwicklung am Anfang verantwortlich sind.

Nach der Einlagerung der Abfälle wird die Maximaltemperatur an der Grenze Bentonit/Opalinuston spätestens nach wenigen 100 Jahren erreicht; sie beträgt maximal 95 °C für die verbrauchten Brennelemente mit der höchsten Wärmeleistung (MOX/UO2 Brennelemente) und nimmt danach wieder ab (Johnson et al. 2002, Senger & Ewing 2008). Während dieses frühen Wärmepulses sind die Radionuklide noch vollständig im Endlagerbehälter eingeschlossen.

Die Eigenschaften des Opalinustons bezüglich Wärme sind in Nagra (2002) zusammenfassend dokumentiert. Der Opalinuston der Nordschweiz wurde während seiner geologischen Geschichte bis in Tiefen von 1700 m versenkt und hat dabei während Millionen von Jahren Temperaturen im Bereich 80 – 90 ° C erfahren (Nagra 2002, Mazurek et al. 2006). Während dieser Zeit fanden mineralogische Veränderung statt, v.a. eine teilweise Umwandlung des Smektits in Illlit (beides Tonminerale) und eine Veränderung des organischen Materials, welches in geringen Mengen (rund 0.7 %) im Opalinuston vorkommt. Der Reifegrad des organischen Materials liegt knapp unterhalb des sog. ‚Oelfensters‘, in welchem das organische Material in Erdöl umgewandelt würde (Nagra 2002).

Diese Umwandlungsprozesse laufen sehr langsam, d.h. über geologische Zeiträume ab. Die Kinetik der Illitisierung von Smektit und die damit verbundene Quarz-Zementation wurde von zahlreichen Autoren auf der Basis von Laborexperimenten, Felduntersuchungen wie auch theoretischen Modellen untersucht und quantifiziert (Übersicht in Mazurek 2002). Berechnungen aufgrund verschiedener Datensätze zeigen, dass bei 95 °C in Koexistenz mit dem Referenzporenwasser des Opalinustons (Kap. 5.12) erst nach ca. 1 Million Jahren eine merkliche Illitisierung zu erwarten wäre, also in einem Zeitraum, der denjenigen des Wärmepulses um Grössenordnungen übersteigt. Durch den verglichen mit den geologischen Zeiträumen kurzen Wärmepuls zu Beginn der Einlagerung muss mit keinen weiteren mineralogischen Umwandlungen gerechnet werden.

Die Temperaturerhöhung im Gestein bewirkt eine Ausdehnung des Porenwassers und der Minerale und damit einhergehend eine Ausdehnung des Gesteinsvolumens. Mit thermo-hydro-mechanisch gekoppelte Modellen wird berechnet, dass sich die Erdoberfläche im Umfeld eines HAA-Tiefenlagers im Opalinuston nach rund 10’000 Jahren um ca. 10 cm anheben kann (Te Kamp & Konietzky 2009). Im Vergleich mit anderen Langzeitprozessen (Erosion, vertikale Krustenbewegungen) ist eine solche Hebung (einmaliges Ereignis) vernachlässigbar. Unabhängige Berechnungen der Andra für das französische HAA-Tiefenlager in Tongesteinen des Callovo-Oxfordians haben vergleichbare Ergebnisse gezeigt (Andra 2011). Emch & Berger (2005) haben im Rahmen eines Expertenberichts für die HSK (heute ENSI) ‚worst case‘ Fälle berechnet und kommen dabei auf eine maximale Hebung von 0.85 m nach 3000 Jahren (grossräumige flache Hebung mit einem Krümmungsradius von 700 km).

Die thermo-hydro-mechanisch gekoppelten Modellrechnungen von Te Kamp & Konietzky (2009) zeigen auch, dass die allmähliche und über ein grosses Gesteinsvolumen verteilte Verformung des Opalinustons so gering und kontinuierlich ist, dass das Gestein nur elastisch deformiert wird, d.h. dass es nicht zu einer Bruchbildung kommt.

Es ist unwahrscheinlich, dass diese sehr geringen und sehr langsamen Deformationen eine Erdbebenaktivität auslösen können, weil bei der Platzierung des Lagers ein Sicherheitsabstand zu potenziell reaktivierbaren Störungen eingehalten wird.

Referenzen

(Reihenfolge nach Erscheinungsdatum)

 

Nagra (2002): Projekt Opalinuston Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse: Kap. 5.6 Petrophysikalische Eigenschaften (inkl. Wärmeleitfähigkeit und kapazität) und Kap. 7.6 Temperatureffekte durch die Einlagerung wärmeproduzierender Abfälle. Nagra Tech. Ber. NTB 02-03

 

Johnson, L.H., Niemeyer, M., Klubertanz, G., Siegel, P. & Gribi, P. (2002): Calculations of the temperature  evolution of a repository for spent fuel, vitrified high-level waste and intermediate level waste in Opalinus Clay. Nagra Tech. Rep. NTB 01-04.

Mazurek, M. (2002): Geochemische Effekte des vom radioaktiven Abfall ausgehenden Wärmepulses auf den Opalinuston. Unpubl. Nagra Int. Ber.

 

Emch & Berger AG (2005): Beurteilung der bautechnischen Machbarkeit eines geologischen Tiefenlagers für BE/HAA und LMA und der durch das Lager induzierten Prozesse. Expertenbericht z.Hd. der HSK, Würenlingen.

 

Mazurek, M., Hurford, A.J. & Leu, W. (2006): Unravelling the multi-stage burial history of the Swiss Molasse Basin: Integration of apatite fission track, vitrinite reflectance and biomarker isomerisation analysis. Basin Research 18, 27-50.

 

Senger, R. & Ewing, J. (2008) Evolution of temperature and water content in the bentonite buffer: Detailed modelling of two- phase flow processes associated with the early closure period – Complementary simulations. Nagra Arbeitsbericht NAB 08-53.

 

Te Kamp, L. & Konietzky, H. (2009): Numerical Modelling of the Thermo Hydro Mechanical Loading in a Geological Repository for HLW and SF. Nagra Arbeitsbericht NAB 09-25.

 

Andra (2011): Evaluation préliminaire de la réponse thermo-hydromécanique en grand du milieu géologique (Callovo-Oxfordien et encaissants) au droit de la zone de stockage des colis HA. Andra document interne C.NT.AEAP.11.0061.