Technisches Forum Sicherheit

Frage 2: Auswahl von Mergel Formationen

a)

Ausser dem Wellenberg gibt es noch weitere Mergel Formationen in der Schweiz, welche für Endlagerung geeignet sein könnten. Neben dem Wellenberg werden im Nagra – Bericht NTB 08-03 (Seite 220) ausdrücklich das Muotathal und Wartau als Vorkommen bezeichnet, welche die Mindestanforderungen an ein Endlager erfüllen. Aufgrund von „Ungewissheiten betreffend Geometrie der Akkumulation“ schlägt die Nagra diese jedoch nicht vor. Ist die Einschätzung zutreffend, dass der Wellenberg vorgeschlagen wurde, da dieser bereits eingehend untersucht ist, Muotathal und Wartau hingegen nicht vorgeschlagen wurden, da vergleichbare Untersuchungen dort nicht unternommen wurden?

b)

In NTB 08-03 steht auch: „Es ist nicht auszuschliessen, dass wegen ungünstiger Aufschlussverhältnisse (Schuttbedeckung) und der komplexen tektonischen Verhältnisse im Helvetikum noch weitere, heute nicht bekannte Mergel-Akkumulationen von grösserem Ausmass existieren. Aufgrund der heutigen Kenntnisse können solche Vorkommen aber auch nicht annäherungsweise lokalisiert werden“ (Seite 219). Teilt die KNE die Auffassung der Nagra, dass weitere Vorkommen mit heute verfügbaren Methoden nicht zu lokalisieren sind?

Thema Bereich
Eingegangen am 18. Juni 2009 Fragende Instanz LK Waldshut
Status beantwortet
Beantwortet am 26. März 2010 Beantwortet von ,

Beantwortet von Nagra

a)

Bei allen drei genannten Vorkommen sind die Mindestanforderungen erfüllt.

Informationen zur Geometrie der tektonischen Mergel-Anhäufungen Muotathal und Wartau basieren auf Profilkonstruktionen.

Die Erfahrungen am Wellenberg haben gezeigt, dass die obersten 400 m des Wirtgesteins aufgrund von Dekompaktionseffekten eine stark erhöhte hydraulische Durchlässigkeit aufweisen. Ab 400 m nehmen die Durchlässigkeiten ab, die Dekompaktionseffekte sind aber noch bis in Tiefen von rund 600 m erkennbar (siehe Figur 4.3-24 in NTB 08-04). Diese Gegebenheit wurde auch bei der Bewertung der übrigen Vorkommen berücksichtigt (verschärfte Anforderungen).

Unter Berücksichtigung der verschärften Anforderungen und der Maximaltiefe im Hinblick auf die bautechnische Machbarkeit ist das Platzangebot in den Vorkommen Muotathal und Wartau für ein Tiefenlager sehr knapp und demzufolge das Realisierungsrisiko aus Sicht der Nagra zu gross. Im Fall Muotathal stellt das von der Nagra in NTB 08-04 gezeigte Profil eine optimistische Ergänzung des Profils von Oberholzer (1933) dar. Weiter östlich verlaufende Profile aus Oberholzer (1933) zeigen, dass durchaus mit der Einschuppung und Einfaltung grosser kalkiger Deckensegmente gerechnet werden muss, wodurch das Platzangebot für ein Lager drastisch reduziert würde. Auch im Fall von Wartau sind die Ungewissheiten bezüglich Platzverhältnisse aufgrund der schräg einfallenden Schichtung so gross, dass das Realisierungsrisiko als zu hoch eingestuft wird.

Bei beiden Vorkommen ist zudem die Situation bezüglich Explorierbarkeit sehr schwierig. Die potenziellen Vorkommen müssten mit stark geneigten Schrägbohrungen (Fallwinkel bis 30°) von z.T. mehr als 1500 m Länge erkundet werden. Im Fall von Muotathal würden die Bohrungen durch grossblockigen Gehängeschutt führen, im Fall von Wartau sind die Bohransatzpunkte z.T. in schwer zugänglichem, hochgelegenen Gelände. Insgesamt müssen die Explorationsverhältnisse im geologischen Untergrund sowie die Explorationsbedingungen an der Oberfläche als sehr ungünstig bewertet werden.

Die Etappe 1 SGT geht vom aktuellen Stand der geologischen Kenntnisse aus; zusätzliche Untersuchungen stehen in dieser Etappe nicht zur Diskussion

b)

Stellungnahme der Nagra zur Antwort der KNE:

Die Nagra ist mit dem ersten Teil der Antwort der KNE grundsätzlich einverstanden. Im zweiten Teil ihrer Antwort befasst sich die KNE noch mit der Bewertung des Wellenbergs als Standort. Da dieser Aspekt jedoch nicht Gegenstand der eigentlichen Frage ist, bezieht die Nagra dazu auch keine Stellung.

Beantwortet von EGT (ehem. KNE)

b)

Im Rahmen der Etappe 1 des SGT haben die Entsorgungspflichtigen vom heutigen geologischen Kenntnisstand auszugehen. Zusätzliche Felduntersuchungen sind in Etappe 1 nicht vorgesehen. Für Etappe 1 ist demzufolge zu prüfen, ob die in Figur 5.2.-19 in NTB 08-03 ausgeschiedenen Standorte vollständig sind. Diese Überprüfung der Mergel-Formationen im Helvetikum erfolgte durch die swisstopo und nicht durch die KNE. swisstopo betrachtet die ausgeschiedenen Mergel-Akkumulationen im Helvetikum als vollständig. Sie hält in ihrem Expertenbericht (swisstopo 2010, Seite 38) vom Februar 2010 fest, dass aufgrund der heute vorhandenen geologischen Kenntnisse von den 18 geprüften grösseren Mergel-Akkumulationen im Helvetikum nur die Palfris-Formation beim Standortgebiet Wellenberg die verschärften Anforderungen an die räumlichen Verhältnisse erfüllt.

Die KNE hat die sicherheitstechnische und bautechnische Eignung aller Standortgebiete überprüft und kommt bei den Mergel-Akkumulationen im Helvetikum zum Teil zu anderen Bewertungen als die Nagra. Insbesondere scheint es der KNE wichtig, dass nur schwach tektonisierte Gebiete mit möglichst unbedeutender neotektonischer Aktivität als bevorzugte Standortregionen in Betracht gezogen werden. Dies führt dazu, dass die KNE das Standortgebiet Wellenberg trotz einiger sehr positiver Eigenschaften (grosse Mächtigkeit und gute Barriereneigenschaften in einer Tiefe von > 550 m u.T.) als deutlich weniger geeignet einstuft als die bevorzugten Standortgebiete in der Nordschweiz. Diese Bewertung wird in der Stellungnahme der KNE (KNE 2010, Kapitel 5, Abschnitt 5.3) im Detail erklärt und vertieft begründet.

Referenzen

KNE (2010):  Sachplan Geologische Tiefenlager, Etappe 1 – Stellungnahme der KNE zur Sicherheit und bautechnischen Machbarkeit der vorgeschlagenen Standortgebiete, Expertenbericht Kommission Nukleare Entsorgung, Brugg

swisstopo 2010: Beurteilung der Sammelprofile und der hergeleiteten Wirtgesteine sowie der Grundlagen für die Herleitung von Standortgebieten im Sachplan geologische Tiefenlager, Expertenbericht Bundesamt für Landestopographie swisstopo, Wabern.