Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 27: Beznau: Borsäure im Primärwasserkreis des Reaktors

Es ist bekannt, dass die Reaktorleistung und Wassertemperatur im Primärwasserkreis des Reaktors mit Regelstäben aus neutronenabsorbierendem Material geregelt wird. Die Regelstäbe werden von oben durch den Reaktordeckel in den Reaktor eingefahren.

Es gibt einen zweiten Kontrollmechanismus mittels Borsäure-Injektionen in den Primärwasserkreis.

Aus der Sicht des Maschinenbaus sind die Auslegungsdaten eines Primärwasserkreises sehr anspruchsvoll:

– Wasserbetriebstemperatur ca. 300 °C
– Betriebsdruck ca. 150 bar oder 1‘500 m Wassersäule.
Welche zusätzlichen Einflüsse hat die durch Borsäure verursachte sehr starke Korrosion auf die
– Lebensdauer der Komponenten im Primärwasserkreis?
– Betriebssicherheit der Komponenten im Primärwasserkreis?

Dabei denken wir an folgende Komponenten: Reaktordruckgefäss, Reaktordeckel, Regelstabantriebsystem, Reaktorhauptpumpe, Dampferzeuger, Druckhalter, Stellorgane/ Ventile, Primärwasserkreisleitungen, usw.

In den allgemein zugänglichen Unterlagen (www.axpo.com, Informationsschriften, usw.) wird das Thema Borsäure nie erwähnt. Warum?

Thema Bereich
Eingegangen am 28. Februar 2016 Fragende Instanz Guy Schrobiltgen
Status beantwortet
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Beantwortet von Kernkraftwerk Beznau

Der Einfluss von Borsäure auf die druckführende Umschliessung des Primärkreislaufs und auf angrenzende Systeme ist in der Auslegung von Druckwasserreaktoren des Reaktorlieferanten Westinghouse vollumfänglich berücksichtigt. So sind die erwähnten Ausrüstungen Reaktordruckgefäss und Reaktordeckel auf der Innenseite mit einer Plattierung (Cladding) aus rostfreiem Material versehen. Die übrigen Komponenten und Systeme wie Primärkreislaufleitungen, Regelstabantriebsystem, Reaktorhauptpumpen, U‑Rohre der Dampferzeuger, Druckhalter sowie Stellorgane/Ventile sind durchgängig aus rostfreiem und damit gegen Borsäure korrosionsresistentem Material ausgeführt. Zudem stellt der geringe Sauerstoffgehalt im Primärkreislauf einen weiteren Schutz gegen Borsäurekorrosion dar.

Diese Auslegung gegen Borsäurekorrosion (durch Cladding, rostfreies Material, geringen Sauerstoffgehalt) deckt dabei alle Zustände von Druck und Temperatur ab. Daher ist an der druckführenden Umschliessung des Primärkreislaufs auf der Innenseite keine relevante Borsäurekorrosion möglich. Vielmehr hat Borsäurekorrosion an Ausrüstungen aus rostfreiem Material einen vernachlässigbar kleinen Einfluss auf die Betriebssicherheit und die Lebensdauer der Anlage. Allfällige Leckagen an der Aussenseite würden zudem durch die Bilanzierung des Primärkühlmittels sowie weitere Parameter erfasst.

Eine von der Borsäure unabhängige Form der Korrosion ist die Primärwasser-Spannungsrisskorrosion (Primary Water Stess Corrosion Cracking, PWSCC) an Ausrüstungen, welche aus dem rostfreien Material Inconel 600 gefertigt sind. Dazu enthält die Antwort auf die TFK-Frage 23 weitere Ausführungen.

Der Nachweis der intakten Oberflächen resp. die Feststellung von möglichen Schädigungen erfolgen mittels periodisch durchgeführten zerstörungsfreien Prüfungen (ZfP). Basierend auf deren Ergebnissen werden allenfalls geeignete Massnahmen ergriffen. Die Intervalle sind einem allfällig maximal möglichen Schädigungsfortschritt entsprechend gewählt.