Technisches Forum Entsorgungsnachweis

Frage 60: Diffusion im Opalinuston

Bei der Ermittlung der Geschwindigkeit von Schadstoffen im Opalinuston über Diffusion werden Untersuchungen herangezogen, die auf Einzelproben basieren. Wie wird sichergestellt, dass diese repräsentativ sind, dass diese Repräsentativität auch den gewählten Standort umfasst und dort sowohl die grossflächigen als auch die lokalen Verhältnisse abbildet?

Thema , , Bereich
Eingegangen am 23. Dezember 2005 Fragende Instanz Klar! Schweiz
Status beantwortet
Beantwortet am 23. Dezember 2005 Beantwortet von

Beantwortet von ENSI

Die Nuklidausbreitung im Opalinuston findet sowohl durch Diffusion (im Porenwasser) wie auch durch Advektion (mit dem Wasserfluss) statt. Im Opalinuston ist der Wasserfluss sehr gering, sodass die Diffusion in den Freisetzungsberechnungen die grössere Rolle spielt.

Für die Berechnung der Diffusion werden als Materialkennwerte die Diffusionskoeffizienten der Radionuklide im Opalinuston und die Porosität des Opalinustons benötigt. Die Diffusionskoeffizienten sind je nach Nuklid (genauer: je nach im Wasser gelösten Ion) unterschiedlich und zudem richtungsabhängig, da der Opalinuston einen Schichtaufbau hat. Eine im Rahmen des Sicherheitsnachweises sinnvolle Vereinfachung geht für die Diffusion in der Schichtebene (ungefähr horizontal) von je einem Wert des Diffusionskoeffizienten für alle neutrale Moleküle und positiv geladene Ionen und einem Wert für stabile negativ geladene Ionen aus. Für die Richtungskomponente der Diffusion senkrecht zur Schichtung wird ebenfalls von zwei nach Ladung unterschiedlichen Werten ausgegangen. Diese 4 Kennwerte der Diffusion müssen gestützt auf Messungen am Opalinuston so gewählt werden, dass die Diffusion quantitativ nicht unterschätzt wird. Je nach Ladung der Ionen ist der für sie zugängliche Porenraum im Opalinuston unterschiedlich gross. Deshalb werden auch 2 nach Ladung unterschiedliche Werte für die Porosität verwendet.

Die Nagra stützt ihre Parameterwerte auf Laboruntersuchungen an Bohrkernmaterial aus der Bohrung Benken. Diese Untersuchungen wurden hauptsächlich an der Universität Bern (Porosität) und im Paul Scherrer Institut (Diffusion und Porosität) durchgeführt. Sie zeigen, dass die Diffusionskoeffizienten horizontal und vertikal etwa in einem Verhältnis 5:1 zu einander stehen. Sie zeigen auch, dass die Werte der Diffusionskoeffizienten im Allgemeinen mit grösserer Tiefenlage des Opalinustons abnehmen. Sie sind von der Kompaktierung des Tons aufgrund seiner geologischen Versenkungsgeschichte abhängig. Die Daten aus der Bohrung Benken wurden auf Plausibilität geprüft, indem sie mit Messergebnissen an Opalinustonproben von anderen Orten (z.B. Felslabor Mont Terri sowie anderen Bohrungen, die Opalinuston durchquert haben) und an anderen Tongesteinen verglichen wurden. Gesteinsproben aus Mont Terri sind international in vielen Labors untersucht worden. Im Felslabor Mont Terri wurden auch in-situ Diffusionsexperimente in Bohrungen durchgeführt, die die Laborwerte bestätigen.

Nach Ansicht der HSK sind die experimentellen Grundlagen der Diffusionsdaten noch gering (Gutachten, Kapitel 4.7.4). Insbesondere stützen sich die Annahmen für den Entsorgungsnachweis über das Verhalten positiver Ionen im Wesentlichen auf Messungen, die nur mit Tritium ausgeführt wurden. Die Nagra hat aber neben ihren Referenzwerten für die Diffusionsparameter auch pessimistische Parameterwerte definiert, die zu rascherer Diffusion führen würden und die die HSK als vorwiegend auf der sicheren Seite liegend ansieht. Die HSK empfiehlt in ihrem Gutachten der Nagra, im Falle einer Weiterführung des Projekts die Untersuchungen zur Diffusion im Opalinuston fortzusetzen und auf weitere Nuklide auszudehnen. Im Felslabor Mont Terri sind entsprechende Experimente bereits in Angriff genommen worden.

Die Repräsentativität der Daten für ein in horizontaler Richtung grossflächig ausgedehntes Gebiet lässt sich aus der in der Seismik ersichtlichen ähnlichen und ungestörten Lage der Opalinustonschicht erwarten. Verifiziert werden können die Parameter an einem gewählten Standort zum Beispiel durch eine Bohrung noch vor dem Bau der unterirdischen Anlagen. Vor allem müssen sie aber während und nach der Erstellung der Untertagebauten durch Probenahmen und in-situ Experimente an unterschiedlichen Orten untertage im Rahmen des Testlagerbetriebs verifiziert werden.