Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 32: Dry-Out-Phänomene im KKL

Sachverhalt

Die nachstehenden Fragen sind so zeitnah wie es inhaltlich Sinn macht nach der nächsten Revision im KKW Leibstadt zu beantworten.
Gemäss ENSI konnten die Bedingungen die zu den Dry-Out-Phänomenen im KKL geführt haben, ermittelt werden. Als Auflage für den Weiterbetrieb wurde deshalb eine reduzierte Bündelleistung der Brennelemente sowie ein reduzierter Kerndurchsatz verfügt. Hinzu kam die Auflage, das Werk sofort abzufahren, falls ein Anstieg an radioaktiver Abgasen festgestellt würde. Ein Hinweis, der auf einen Brennstabsschaden deuten würde. Die Ursache, die zu den Dry-Outs führten, war bei der Wiederinbetriebnahme jedoch nicht bekannt. Auf eigene Initiative führt das KKL jedoch seither die Ursachenanalyse fort. Gemäss Aussage der Betreiber im TFK vom 3. März 2017 liegt die Motivation vor allem darin, das KKL wieder mit seiner vormaligen Leistung betreiben zu können. In wie weit die verfügten Auflagen die Probleme beheben können, zeigt sich nun ein erstes Mal nach der ordentlichen Jahresrevision, die für das KKL auf den Herbst verschoben wurde.

Fragen

  1. Wurden Befunde, Verfärbungen, Unregelmässigkeiten oder sonstige Abweichungen vom Normalzustand an den Brennstäben entdeckt? Wenn ja, in welchem Umfang, an welchen Orten und in welcher Anzahl? Falls Abweichungen festgestellt wurden: Haben diese einen Zusammenhang oder sind sie vergleichbar mit den Dry-Outs zwischen 2014 und 2016 oder mit anderen Befunden an den Brennstäben im KKL in der Vergangenheit (1990er-Jahre, 2012-2014)?
  2. Gemäss Antwort-Entwurf der TFK-Frage 30 wurde das beschädigte Brennelement aus dem Jahr 2014 im August zur weiteren Schadenanalyse an das PSI transportiert. Gibt es aus der vorgenommenen Untersuchung im Hot-Labor bereits gesicherte Schlüsse?
  3. Gibt es neue Erkenntnisse zu den Unklarheiten bzgl. den vorherrschenden, lokalen Temperaturniveaus, insb. auch beim beschädigten Brennstab von 2014?
  4. Unabhängig davon ob es weitere Befunde gab: Konnte aus dem halbjährigen Betrieb seit Wiederinbetriebnahme Mitte Februar 2017 weitere Schlüsse zu den Dry-Out-Befunden gezogen werden? Wenn ja, welche?
  5. Wo stehen das KKL und das ENSI in der weiteren Ursachenanalyse bzgl. den Dry-Out-Phänomenen? Was sind gesicherte Erkenntnisse, die seit dem TFK von Anfang März gemacht werden konnten? Im Interview mit der Handelszeitung vom 22. Juni 2017 spricht Axpo-CEO Andrew Walo von einer Arbeitshypothese, dass die Verfärbungen vom Uran stammen würden. Kann diese These genauer erläutert werden? Wie ist der Begriff Arbeitshypothese zu verstehen? Wie sieht der weitere Fahrplan in der Ursachenanalyse aus?
  6. Welche Überlegungen zur Leistung (Leistungsreduktion, beabsichtigte Rückkehr zum alten Leistungsniveau auf das Betriebsjahr 2019 gemäss selbem Interview mit Andrew Walo) laufen derzeit bzw. werden aufgrund der neuesten Erkenntnisse gemacht?
  7. Wie verläuft das Verfahren zur Bewilligung einer allfälligen erneuten Leistungserhöhung? Welche Stellen werden angehört und welche externen Experten beigezogen? Gemäss einer mündlichen Aussage aus dem ENSI (Dr. Ralph Schutz, TFK vom 30. Juni 2016) ist eine «vollständige Ursachenanalyse» der Dry-Outs unmöglich, da das Phänomen in seiner Komplexität im Detail kaum erfasst werden kann. Welche Nachweise und Erkenntnisse bzgl. Ursachenanalyse erwartet das ENSI vom KKL, damit es eine erneute Leistungssteigerung bewilligt?
  8. Auch in den Blöcken B und C des SWR Gundremmingen wurde bezüglich Befunden an den Brennstäben in den letzten Jahren von inoffizieller Seite verschiedentlich auf mögliche Dry-Out verwiesen. In wie weit sind die Phänomene vergleichbar und welche Rücksprachen treffen die Betreiber in der Ursachenforschung und die Aufsichtsbehörden in der Beurteilung des Problems?
Thema Bereich
Eingegangen am 30. August 2017 Fragende Instanz Energiestiftung | Nils Epprecht
Status beantwortet
Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Frage 1: Wurden Befunde, Verfärbungen, Unregelmässigkeiten oder sonstige Abweichungen vom Normalzustand an den Brennstäben entdeckt? Wenn ja, in welchem Umfang, an welchen Orten und in welcher Anzahl? Falls Abweichungen festgestellt wurden: Haben diese einen Zusammenhang oder sind sie vergleichbar mit den Dry-Outs zwischen 2014 und 2016 oder mit anderen Befunden an den Brennstäben im KKL in der Vergangenheit (1990er-Jahre, 2012-2014)?

Es wurden keine Dryout-Befunde an den im Zyklus 33 frisch eingesetzten Brennelementen gefunden. Das ENSI ist der Ansicht, dass die Art und Anzahl der zur Inspektion ausgewählten Brennelemente repräsentativ und abdeckend sind. Das Inspektionsprogramm wurde vom ENSI vorab geprüft. Des Weiteren überprüfte das ENSI die Arbeiten beider Brennelement-Hersteller vor Ort in Form von Inspektionen und liess sich nach den jeweilig erfolgten Inspektionskampagnen der Brennelement-Hersteller eine Zusammenfassung der Ergebnisse präsentieren.

Frage 2: Gemäss Antwort-Entwurf der TFK-Frage 30 wurde das beschädigte Brennelement aus dem Jahr 2014 im August zur weiteren Schadenanalyse an das PSI transportiert. Gibt es aus der vorgenommenen Untersuchung im Hot-Labor bereits gesicherte Schlüsse?

Es erfolgte eine detaillierte Erläuterung durch das KKL. Das ENSI hat dem nichts hinzuzufügen.

Frage 3: Gibt es neue Erkenntnisse zu den Unklarheiten bzgl. den vorherrschenden, lokalen Temperaturniveaus, insb. auch beim beschädigten Brennstab von 2014?

Es erfolgte eine detaillierte Erläuterung durch das KKL. Das ENSI hat dem nichts hinzuzufügen.

Frage 4: Unabhängig davon ob es weitere Befunde gab: Konnte aus dem halbjährigen Betrieb seit Wiederinbetriebnahme Mitte Februar 2017 weitere Schlüsse zu den Dry-Out-Befunden gezogen werden? Wenn ja, welche?

Es wurden keine Dryout-Befunde an den im Zyklus 33 frisch eingesetzten Brennelementen gefunden. Daher gelten die für den Zyklus 33 veranlassten Massnahmen als zweckmässig.

Des Weiteren wurden im Rahmen der vergangenen Inspektionskampagnen auch Brennelemente inspiziert, die in weiter zurückliegenden Zyklen zum Einsatz kamen. Die Inspektionsergebnisse zeigten, dass eine direkte Korrelation zwischen Leistungserhöhung und Dryout nicht gegeben ist.

Frage 5: Wo stehen das KKL und das ENSI in der weiteren Ursachenanalyse bzgl. den Dry-Out-Phänomenen? Was sind gesicherte Erkenntnisse, die seit dem TFK von Anfang März gemacht werden konnten? Im Interview mit der Handelszeitung vom 22. Juni 2017 spricht Axpo-CEO Andrew Walo von einer Arbeitshypothese, dass die Verfärbungen vom Uran stammen würden. Kann diese These genauer erläutert werden? Wie ist der Begriff Arbeitshypothese zu verstehen? Wie sieht der weitere Fahrplan in der Ursachenanalyse aus?

Das ENSI stellte mit seinen eigenen Fachleuten Betrachtungen an und analysierte unter anderem Forschungsresultate des OECD-Halden-Reaktors, beauftragte zur Ursachenanalyse externe Experten, darunter das in der Kernenergieforschung weltweit anerkannte Paul Scherrer Institut (PSI). Aufgrund der hohen Komplexität der ablaufenden Phänomene müssen Analysemethoden mitunter weiterentwickelt oder verfeinert werden, um präzisere Ergebnisse zu liefern. Die begonnenen Arbeiten werden fortgeführt und die Diskussion der Ergebnisse in der Fachwelt dauert an.

Darüber hinaus pflegt das ENSI einen engen Kontakt zu internationalen Aufsichtsbehörden für die nukleare Sicherheit. Im Hinblick auf baugleiche Anlagen des Typs BWR 6 diskutierte das ENSI unter anderem mit der U.S.NRC sowie der spanischen CSN über relevante Erkenntnisse.

Das ENSI äussert sich nicht zu Interviews des Betreibers.

Frage 6: Welche Überlegungen zur Leistung (Leistungsreduktion, beabsichtigte Rückkehr zum alten Leistungsniveau auf das Betriebsjahr 2019 gemäss selbem Interview mit Andrew Walo) laufen derzeit bzw. werden aufgrund der neuesten Erkenntnisse gemacht?

Das ENSI ist die schweizerische Aufsichtsbehörde für die nukleare Sicherheit. Für das ENSI stehen betriebswirtschaftliche Aspekte der beaufsichtigten Anlagen nicht im Fokus seiner Tätigkeit.

Frage 7: Wie verläuft das Verfahren zur Bewilligung einer allfälligen erneuten Leistungserhöhung? Welche Stellen werden angehört und welche externen Experten beigezogen? Gemäss einer mündlichen Aussage aus dem ENSI (Dr. Ralph Schutz, TFK vom 30. Juni 2016) ist eine «vollständige Ursachenanalyse» der Dry-Outs unmöglich, da das Phänomen in seiner Komplexität im Detail kaum erfasst werden kann. Welche Nachweise und Erkenntnisse bzgl. Ursachenanalyse erwartet das ENSI vom KKL, damit es eine erneute Leistungssteigerung bewilligt?

Möchte das KKL zurückkehren zur grundsätzlich bewilligten Leistung, so muss das KKL den Nachweis erbringen, dass kritische Siedezustände gemäss Richtlinie ENSI-G20 sowie geltender internationaler Regelungen ausgeschlossen sind. Das ENSI wird die vom KKL eingereichten Unterlagen prüfen und auf deren Basis und seiner eigenen Erkenntnisse eine Entscheidung treffen. Das ENSI definiert jedoch nicht die Herangehensweise bei der Nachweisführung. Bei Bedarf werden diejenigen externen Experten herbeigezogen, die das ENSI bei dieser Fragenstellung auch jetzt schon beraten.

Frage 8: Auch in den Blöcken B und C des SWR Gundremmingen wurde bezüglich Befunden an den Brennstäben in den letzten Jahren von inoffizieller Seite verschiedentlich auf mögliche Dry-Out verwiesen. In wie weit sind die Phänomene vergleichbar und welche Rücksprachen treffen die Betreiber in der Ursachenforschung und die Aufsichtsbehörden in der Beurteilung des Problems?

Das ENSI steht in Kontakt zu deutschen Aufsichtsbehörden und Gutachtern, laut deren Aussage es keine Hinweise auf Dryout in besagtem KKW gibt. Dies bestätigen Inspektionsergebnisse. Das ENSI beruft sich bei seinen Aussagen stets auf überprüfbare und offizielle Quellen.

Beantwortet von Kernkraftwerk Leibstadt

Während der Jahreshauptrevision 2017 (17.9. – 7.11.2017) wurde eine Auswahl von Brennelementen einer Spezialinspektion unterzogen. An KEINEM der im abgeschlossenen Zyklus 33 eingesetzten Brennelemente wurden neue Befunde festgestellt. Das KKL beweist damit, dass sich die getroffenen betrieblichen Massnahmen zur temporären Leistungseinschränkung bewähren.

Weiterführung der betrieblichen Massnahmen

Aufgrund der noch laufenden Untersuchungen werden die betrieblichen Einschränkungen im aktuellen Betriebszyklus 34 weitergeführt. Dies bedeutet, dass der Kerndurchsatz auf ≤ 95 Prozent limitiert ist. Zudem begrenzt das KKL die Brennelement-Bündelleistung für die in den Zyklen 33 und 34 frisch eingesetzten Brennelemente auf ≤ 7.0 MW. Damit liegt die thermische Reaktorleistung im aktuellen Zyklus 34 bei maximal 86 Prozent.

Die Brennelemente der Spezialinspektion

Bei den während der Jahreshauptrevision inspizierten Brennelementen handelte es sich um 47 Elemente, die im vergangenen Zyklus 33 im Einsatz gestanden waren. Darunter waren insbesondere alle 22 Brennelemente, die Anfang 2017 neu und an leistungsstarken Positionen eingesetzt worden waren. Die weiteren 31 inspizierten Brennelemente stammten aus den früheren Betriebszyklen 30, 29, 28, 20 und 19.

Brennstoffschaden von 2014

Durch den bisher nicht geklärten Primärschaden des Brennstabs von 2014 gelangte Wasser und Wasserstoff ins Innere des Hüllrohrs. Dadurch wurden Sekundärschäden ausgelöst, unter anderem ein Axialriss. Diese Sekundärschäden lassen sich heute vom Primärschaden nicht mehr unterscheiden. Die Untersuchung des beschädigten Stabs mit dem Ziel, die Hüllrohrtemperatur zu bestimmen, ist daher nicht mehr möglich.

Deshalb wurde im vergangenen August ein Nachbarstab des betroffenen Brennstabs mit ähnlichem Befund an das PSI geliefert. Die Untersuchungen in der PSI-Hot-Cell umfassen die Mikrohärtebestimmung zur Bestimmung des H2-Versprödungsgrades, Metallographie der Metalloberfläche zur Bestimmung des Gefüges und der Temperatur sowie ein Gamma-Scan zur Bestimmung des lokalen Abbrandes. Der Abschluss dieser Arbeiten ist auf das Ende des ersten Quartals 2018 vorgesehen. 

Vertiefte Ursachenanalyse

Zu den Schwerpunkten der vertieften Ursachenanalyse gehören neben den Tests in der PSI-Hot-Cell die Modellierung der Strömungen in und um die Brennelemente, Untersuchungen zur Position im Kern, zum Alter der Brennelemente, zum Brennelement-Design und zu betrieblichen Parametern. Ebenfalls analysiert werden Einflüsse zur zeitlichen Entstehung der Oxidschicht und das Korrelieren der Befunde mit Zyklusdaten. Die Validierung der erhobenen Daten und Erkenntnisse sowie die Berichterstellung sind im zweiten Halbjahr 2018 geplant.

Volllastbetrieb als Ziel

Ziel jedes Kraftwerks – natürlich auch des KKL – ist der Volllastbetrieb. Dafür gilt es, gegenüber der Aufsichtsbehörde ENSI die Unbedenklichkeit eines künftigen Volllastbetriebs nachzuweisen. Dazu gehören eine nachvollziehbare, plausible Ursachenanalyse und die notwendigen Massnahmen zum Ausschluss von Befunden. Das ENSI überprüft den Nachweis und entscheidet über die Rücknahme der heutigen Betriebseinschränkungen.

Weltweit keine vergleichbaren Phänomene

Bei den festgestellten, lokalen Befunden handelt es sich um ein Phänomen, welches bislang in keinem anderen Kernkraftwerk auftrat. Das im Rahmen des TFK erwähnte KKW Gundremmingen hat potenziell betroffene, einjährige Brennelemente an den leistungsstärksten Positionen untersucht und keine vergleichbaren Belagsschichten festgestellt, die auf ein lokales Dryout zurückzuführen wären. Auch vonseiten der Behörden gibt es keine anders lautenden Berichte.