Technisches Forum Sicherheit

Frage 30: Eignung von sandigen Opalinustonschichten

Fragen zum Opalinuston:

  1. Der Opalinuston hat eine unterschiedliche fazielle Ausbildung (tonig bis sandig). Inwieweit wurde diese Eigenschaft in der bisherigen Arbeit berücksichtigt?
  2. Wie gut ist der Selbstabdichtungseffekt in der „sandigen Fazies“ im Vergleich zum tonig ausgebildeten Opalinuston?
Thema Bereich
Eingegangen am 9. Oktober 2009 Fragende Instanz Kanton Zürich
Status beantwortet
Beantwortet am 4. November 2010 Beantwortet von ,

Beantwortet von Nagra

a) und b)

  • Die unterschiedliche fazielle Ausbildung des Opalinustons wurde sowohl in der Nordschweiz wie im Felslabor Mont Terri beschrieben und wurde in allen Arbeiten berücksichtigt. In der Bohrung Benken liess sich der Opalinuston in 6 Untereinheiten unterteilen (siehe Figur 30-1), welche sich über weite Gebiete korrelieren lassen (vgl. Figur 3.2-4 in Nagra NTB 02-03). Die tonigste Fazies ist Untereinheit 1, die sandigste Fazies Untereinheit 4. Bei letzterer handelt es sich um siltig-sandige Flasern, welche in einer tonreichen Matrix eingebettet sind.
Figur 30-1: Bohrkernfotos aus dem Wirtgestein Opalinuston der Bohrung Benken (Figur 5.3-1 aus Nagra NTB 02-03). Die Untereinheit 6 (Murchisonae-Schichten) ist wegen ihrer tonreichen Ausbildung ebenfalls Teil des Wirtgesteins.
Figur 30-1: Bohrkernfotos aus dem Wirtgestein Opalinuston der Bohrung Benken (Figur 5.3-1 aus Nagra NTB 02-03). Die Untereinheit 6 (Murchisonae-Schichten) ist wegen ihrer tonreichen Ausbildung ebenfalls Teil des Wirtgesteins.
  • Bezüglich der hydraulischen Eigenschaften des Opalinustons haben diese sandigen Flasern aus zwei Gründen keine Bedeutung. Erstens haben sie nur eine sehr beschränkte laterale Kontinuität im cm- bis dm-Bereich (gut erkennbar in einem 60 cm Ø Bohrkern im Felslabor Mont Terri), und zweitens wurde der Porenraum der Sandflasern während der Versenkung und Verfestigung der Opalinuston-Sedimente (sog. Diagenese) durch Calcit zementiert, was zu einer Reduktion der Porosität und – als Folge davon – einer sehr geringen hydraulischen Durchlässigkeit geführt hat. Dies wird durch die Ergebnisse von hydraulischen Tests im Opalinuston von Tiefbohrungen der Nordschweiz und im Felslabor Mont Terri bestätigt (vgl. Antwort der swisstopo), welche keine Unterschiede zwischen der sandigen und tonigen Fazies gezeigt haben (der hydraulische Test in der sandigsten Untereinheit 4 der Bohrung Benken zeigt beispielsweise einen K-Wert deutlich niedriger als 10-13 m/s, siehe Nagra NTB 02-03,  Figur 4.6-1 und entsprechende Tabelle).
  • Mehrere Eigenschaften des Opalinustons (z.B. hydraulische Durchlässigkeit, Diffusionskoeffizienten verschiedener Stoffe, Gesteinsfestigkeit) hängen in erster Linie von der Porosität ab, respektive (bei vollständiger Wassersättigung) vom Wassergehalt. Je niedriger die Porosität desto niedriger die hydraulische Durchlässigkeit und die Diffusionskoeffizienten, und desto höher die Gesteinsfestigkeit (vgl. Figur 5.8-8, 5.10-1 und 5.7-14 in Nagra NTB 02-03).
  • Zwischen dem Sandgehalt und der Porosität besteht beim Opalinuston kein strenger Zusammenhang, insbesondere weil auch der Grad der diagenetischen Zementation eine wichtige Rolle spielt. Sandigere Proben haben jedoch tendenziell eher etwas niedrigere Porositäten als tonige Proben (im gleichen Tiefenbereich!) und demzufolge etwas niedrigere Durchlässigkeiten und Diffusionskoeffizienten sowie höhere Gesteinsfestigkeiten. Wenn sich die Porositäten der Proben nicht signifikant unterscheiden, überlappen sich die Bandbreiten der Messwerte.
  • Betreffend Selbstabdichtung der natürlichen Störungen wurden bis heute keine Unterschiede zwischen sandiger und toniger Fazies beobachtet. Möglicherweise spielt dabei die Verschleppung der tonigen Matrix bei der Bildung der Störungen eine Rolle. Bei der Selbstabdichtung der Auflockerungszone (dilatante Strukturen) wird aus theoretischen Überlegungen erwartet, dass die Selbstabdichtung in der sandigeren Fazies möglicherweise etwas geringer oder zumindest langsamer ist als in der tonigen Fazies (eventuell geringeres Kriechverhalten).

Referenzen

NTB 02-03 (2002): Projekt Opalinuston: «Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungs-ergebnisse – Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle». Nagra Technischer Bericht. Wettingen. Schweiz.

Beantwortet von swisstopo

a)

Swisstopo beschränkt sich bei der Beantwortung der Frage 30 auf Erkenntnisse aus den Untersuchungen im Felslabor Mont Terri (siehe auch Antwort der Nagra mit Bezug zu weiteren Untersuchungen in der Nordschweiz).

Das Felslabor Mont Terri liegt etwa zu 70% in der tonigen Fazies, zu 25% in der sandigen Fazies und zu 5% in der karbonatreichen-sandigen Fazies. In der Vergangenheit ist vor allem die tonige Fazies detailliert untersucht worden. Insgesamt wurden nur wenige Experimente in der sandigen und karbonatreichen-sandigen Fazies durchgeführt (z.B. WS-A, Investigation Of Wet Spots; EZ-G, Geophysical Characterisation Of The Excavation Damaged Zone; GP, Hydraulic And Gas Permeability). Die Schlüsselkennwerte der tonigen Fazies sind recht gut bekannt. Diejenigen der sandigen Fazies liegen aber noch nicht in der gewünschten statistischen Dichte vor; weitere Experimente in der sandigen Fazies sind deshalb in den kommenden Phasen des Mont Terri Projektes geplant. Kennwerte aus der karbonatreichen-sandigen Fazies sind nicht von Relevanz, da diese Fazies vor allem in der „Franc-Comtois“ Region der Westschweiz und Frankreich vorkommt und in den Profilen der Nordschweiz weitgehend fehlt.

Grundsätzliches

Bei der tonigen Fazies handelt es sich um siltige Tone und siltig-tonige Mergel, bei der sandigen Fazies um siltige Tone und Mergel mit feinen Siltlagen und bei der karbonatreichen-sandigen Fazies um sandige Kalke, mergelige Sandsteine und tonig-sandige Mergel. Der Begriff „sandige Fazies“ ist etwas irreführend. Es handelt sich vielmehr um feine, isolierte, nicht miteinander verbundene Siltlinsen. Die Quarzkörner in diesen Linsen sind mit diagenetisch gebildetem Kalzit verkittet, wodurch Porosität und Durchlässigkeit erniedrigt werden (siehe Figur 30-2).

Figur 30-2: Dünnschliff-Fotos aus der sandigen Fazies im Opalinuston. Links helle siltige Lagen mit Quarz, Kalzit, Hellglimmer, Biotit und Pyrit – dunkle tonige Bereiche v.a. feinkörnige Tonmineralien (Bildbreite 6 mm); Rechts Ausschnitt aus einer hellen siltigen Lage mit diagenetischem Kalzit zwischen den Quarzkörnern (matrixgestütztes Gefüge; Bildbreite 0.8 mm, Mazurek et al., 2009)
Figur 30-2: Dünnschliff-Fotos aus der sandigen Fazies im Opalinuston. Links helle siltige Lagen mit Quarz, Kalzit, Hellglimmer, Biotit und Pyrit – dunkle tonige Bereiche v.a. feinkörnige Tonmineralien (Bildbreite 6 mm); Rechts Ausschnitt aus einer hellen siltigen Lage mit diagenetischem Kalzit zwischen den Quarzkörnern (matrixgestütztes Gefüge; Bildbreite 0.8 mm, Mazurek et al., 2009)

Porosität und Hydraulische Durchlässigkeit

  • Porositätsmessungen in der sandigen Fazies, welche an hellen siltigen Linsen durchgeführt wurden, ergaben totale (physikalische) Porositäten von 7 – 10 Vol.% (siehe Figur 30-3). In den dunklen tonigen Partien der sandigen Fazies sind diese Porositäten aber deutlich höher und liegen zwischen 10 – 14 Vol.%. Diese Werte verdeutlichen den Einfluss der Zementation mit Kalzit während der Diagenese (Verfestigung) auf die Porosität (Mazurek et al. 2009). Die durchschnittliche Porosität eines grösseren Gesteinsvolumens aus der sandigen Fazies (z.B. Aufschluss) liegt somit zwischen den beiden gemessenen Werten aus den hellen Sandlinsen und den dunklen, tonigen Partien und beträgt rund 13 Vol.%. Die durchschnittliche totale Porosität der tonigen Fazies beträgt am Mont Terri 18 Vol.% und ist somit deutlich höher als jene der sandigen Fazies.
  • Aus dem Mont Terri Felslabor liegen deutlich weniger Werte zur hydraulischen Durchlässigkeit in der sandigen Fazies als in der tonigen vor. Die Durchlässigkeitsbeiwerte der sandigen Fazies liegen zwischen 1 x 10-13 und 2 x 10-12 und bewegen sich in derselben Grössenordnung wie in der tonigen Fazies (siehe Figur 30-3). Zu berücksichtigen ist die Schichtflächenanisotropie, welche in der tonigen Fazies deutlicher ausgebildet ist als in der sandigen. Die Durchlässigkeitswerte parallel zur Schichtung sind bei beiden Fazies etwa 5-mal höher als senkrecht dazu. Bei den in Figur 30-3 dargestellten Durchlässigkeitsbeiwerten (K-Werte) handelt es sich um die ermittelten Werte aus durchgeführten Hydrotests, aber ohne Aufschlüsselung nach Schichtflächenantisotropie. Generell widerspiegeln die grösseren K-Werte eher schichtparallele und die kleineren eher schichtvertikale Durchlässigkeiten.
Figur 30-3: Zusammenstellung der Durchlässigkeitswerte der sandigen und tonigen Fazies aus dem Felslabor Mont Terri (Nussbaum and Bossart, 2004).
Figur 30-3: Zusammenstellung der Durchlässigkeitswerte der sandigen und tonigen Fazies aus dem Felslabor Mont Terri (Nussbaum and Bossart, 2004).

Uniaxiale Druckfestigkeit

  • Die uniaxiale Druckfestigkeit beträgt bei der tonigen Fazies parallel zur Schichtung 11 MPa und senkrecht dazu 15 MPa, immer vorausgesetzt, dass keine Entsättigung stattfindet (bei einer Entsättigung des Opalinustons steigen die Druckfestigkeiten markant an). Die sandige Fazies weist rund 2-3-mal höhere uniaxiale Druckfestigkeiten auf. Die Druckfestigkeiten variieren zwischen 25-40 MPa (Bossart und Thury, 2008).
  • Eine systematische Ermittlung felsmechanischer Kennwerte an Opalinuston Bohrkernen wurde vom deutschen Partner BGR. durchgeführt (Gräsle & Plischke, 2010), u.a. auch an einigen schichtungsparallelen- und senkrechten Bohrkernen aus der sandigen Fazies, wobei der Sättigungsgrad, die Temperatur aber auch die Verformugsgeschwindigkeit variiert wurden. Diese Tests wurden in triaxialen Druckzellen gefahren, um die Festigkeiten auch bei variierendem Umgebungsdrucken zu ermitteln (triaxiale Tests repräsentieren das Gestein um einen Stollen besser als uniaxiale Tests). Die Resultate sind eindeutig: die Werte von Scherfestigkeiten und Steifigkeiten (Elastizitätsmodul) steigen bei Entsättigung der Proben markant an. Demgegenüber vermindern sie sich bei einer Erhöhung der Temperatur. Vergleicht man die Bohrkerne aus der sandigen Fazies mit jenen der tonigen Fazies ist folgendes ersichtlich: Scherfestigkeiten und Steifigkeiten sind in der sandigen Fazies um Faktoren höher als in der tonigen.

Fazit

Es liegen nur wenig direkte Vergleichsdaten zwischen den beiden Faziestypen vor. Die bisherigen Ergebnisse zeigen tiefere Porositäten für die sandige Fazies sowie Durchlässigkeiten der beiden Faziestypen in vergleichbarer Grössenordnung. Die uniaxiale Druckfestigkeit ist bei der sandigen Fazies rund 2-3-mal höher. Um eine Vergleichbarkeit zwischen der tonigen und sandigen Fazies zu erhalten müssen noch entsprechende Labor- und in-situ Tests in der sandigen Fazies nachgeholt werden.

b)

Das Selbstabdichtungsvermögen beim Opalinuston hängt direkt vom Quellvermögen der entsprechenden Tonfazies ab und somit vom Gehalt an quellfähigen Tonmineralien. Im Opalinuston sind dies die so genannten „Smectit-Illit mixed layers“, welche sowohl in der tonigen als auch in der sandigen Fazies vorkommen.

Mineralogie

Die „Smectit-Illit mixed layers“ – Gehalte, welche an Proben der tonigen Fazies in zwei Nischen am Mont Terri gemessen wurden, liegen zwischen 5 und 20 Gew.%. In sandigen Bereichen wurden Werte zwischen 5 und 15 Gew.% gemessen (siehe Figur 30-4). Im Nagra NTB 02-03 (Tabelle 5.3-1) wird der durchschnittliche Illit/Smektit-Gehalt für Proben der sandigen Fazies mit 11 Gew.% (Pearson et al. (2003), Tabelle A9.2) angegeben und geben für die sandige Fazies einen Bereich zwischen 5 und 20 Gew.% an.

Quellverhalten

Messungen des Quelldruckes und der Quellhebung an Proben aus dem Mont Terri Felslabor an der sandigen und der tonigen Fazies zeigen nahezu identisches Quellverhalten (Vögtli & Bossart, 1999). Gemessene Quelldrücke liegen zwischen 0.1 und 0.5 MPa für Proben der tonigen Fazies und 0.1 bis 0.6 MPa für die sandige Fazies. Auch hier muss die Anisotropie berücksichtigt werden: Senkrecht zur Schichtung ist der Quelldruck 2-5-mal höher als parallel dazu. Die Quellhebungen variieren für die tonige Fazies zwischen 5 und 9% senkrecht zur Schichtung und zwischen 0.4 und 1% parallel zur Schichtung. Bei der sandigen Fazies variieren die Hebungen zwischen 4 und 8% senkrecht und 0.3 bis 3% parallel zur Schichtung.

Fazit

Wir beurteilen die Selbstabdichtungseigenschaften in der sandigen Fazies vergleichbar mit denjenigen der tonigen Fazies, da die „Smectit-Illit mixed layers“ Mineralgehalte sowie das Quellverhalten in beiden Faziestypen nur unwesentlich voneinander abweicht.

Figur 30-4: Zusammenstellung der Mineralogie von sandigen und tonigen Proben aus dem Felslabor Mont Terri. Blau hinterlegte Werte zeigen sandige Proben, beige hinterlegte Werte tonige. (Mazurek et al., 2009).
Figur 30-4: Zusammenstellung der Mineralogie von sandigen und tonigen Proben aus dem Felslabor Mont Terri. Blau hinterlegte Werte zeigen sandige Proben, beige hinterlegte Werte tonige. (Mazurek et al., 2009).

Referenzen

Bossart, P. & Thury, M. (2008): Mont Terri Rock Laboratory. Project, Programme 1996 to 2007 and Results. Rep. Swiss Geol. Surv. 3, swisstopo, 3084 Wabern, Switzerland.

Gräsle, W. & Plischke, J. (2010): Laboratory Testing (LT) Experiment: Mechanical Behaviour of Opalinus Clay, final report from Phases 6-14. Mont Terri Project. Technical Report TR 2009-07.

Mazurek, M., Koroleva, M. & Müller, H. (2009): WS-H Experiment: Boreholes BWS-H1 and BWS-H2: Results of the mineralogical and petrophysical laboratory programme. Mont Terri Project. Technical Note TN 2009-14.

NTB 02-03 (2002): Projekt Opalinuston: «Synthese der geowissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse – Entsorgungsnachweis für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle». Nagra, Nagra Technischer Bericht. Wettingen. Schweiz.

Nussbaum, C. & Bossart, P. (2004): Compilation of K-values from packer tests in the Mont Terri rock laboratory. Mont Terri Project. Technical Note TN 2005-10.

Pearson, F.J., Arcos, D., Bath, A., Boisson, J-Y., Fernandez, A., Gaebler, H.-E., Gaucher, E., Gautschi, A., Griffault, L., Hernan, P. & Waber, H.N. (2003): Geochemistry of Water in the Opalinus Clay Formation at the Mont Terri Rock Laboratory – Synthesis Report. Swiss National Hydrological and Geological Survey, Ittigen-Bern, Switzerland, Geological Report No. 5.

Vögtli, B. & Bossart, P. (1999): Mont Terri Rock Laboratory: Results of the Ghydrgeological, Geochemical and Geotechnical Experiments performed in 1996 and 1997. In Thury, M. & Bossart, P. (editors), Geol. Ger. Landeshydrol. U. –geol. 23 (1999).