Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 18: Ersatz der Deckel der Reaktordruckbehälter beim Kernkraftwerk Beznau

Durch welches – genau zu beschreibendes -Schleusensystem wird eine Freisetzung von radioaktiven Stoffen durch die großen Transportöffnungen im 1. und 2. Containment und gleichzeitig offenem Reaktordruckgefäß in die Umwelt/Biosphäre verhindert?

Thema Bereich
Eingegangen am 21. April 2015 Fragende Instanz Landkreis Waldshut
Status beantwortet
Beantwortet am 5. Juni 2015 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Es muss zwischen dem Leistungsbetrieb und den Revisionsstillständen unterschieden werden. Reaktoren eines Kernkraftwerks müssen im Leistungsbetrieb in einem Containment betrieben werden. Als Containment wird eine dichte, druckfeste Gebäudekonstruktion (aus Stahl) verstanden, die im Betrieb nur über Schleusen betreten oder verlassen werden kann. Containments stellen die Schutzzielfunktion „Rückhaltung radioaktiver Stoffe“ sicher.

Das Containment besteht aus einem Primär- und Sekundärcontainment. Das Primärcontainment ist ein Containment, das den Reaktor eines Kernkraftwerks vollständig umgibt. An Dichtheit und Druckfestigkeit werden hohe Anforderungen gestellt, die im Leistungsbetrieb und bei Störfällen gewährleistet sein müssen. Die Containment-Konstruktion aus Stahl muss auch bei erhöhter Temperatur dicht und bis zu einigen bar überdruckfest sein. Fallweise werden Primärcontainments inertisiert.

Das Sekundärcontainment ist üblicherweise ein Confinement, das ein Primärcontainment vollständig umgibt. Im Fall vom Kernkraftwerk Beznau kann das Sekundärcontainment auch als Containment bezeichnet werden, weil es druckfest ist. An Dichtheit und Druckfestigkeit werden an ein Sekundärcontainment geringere Anforderungen gestellt. Die Gebäudekonstruktion aus Stahl und Beton schützt das Primärcontainment vor Ausseneinflüssen. Das Sekundärcontainment stellt ebenfalls die Schutzzielfunktion „Rückhaltung radioaktiver Stoffe“ sicher. Während ein Containment ohne aktive Massnahmen (beispielsweise Kompressoren) dicht bleibt, benötigt ein Confinement einen leichten Unterdruck gegenüber der Aussenatmosphäre. Dieser Unterdruck wird mit Kompressoren oder Ventilatoren aufrechterhalten.

Gebäude, die eine Rückhaltefunktion für Schadstoffe durch einen permanenten Unterdruck im Inneren gewährleisten, werden als Confinement bezeichnet. Betriebe, die mit offenen radioaktiven Stoffen umgehen, sind überwiegend in Confinements untergebracht. Dazu gehören Forschungsreaktoren, Labors mit Hotzellen, Produktionsstätten für medizinische Radionuklide und Lager für radioaktive Abfälle.

Das Confinement ist ein solides, überwiegend fensterloses, fugendichtes Gebäude, das permanent in leichtem Unterdruck gegenüber Aussen steht. Dadurch wird erreicht, dass gas- oder aerosolförmige Schadstoffe, insbesondere radioaktive Stoffe, im Gebäude zurückgehalten werden. Das Confinement wird über Türen und Tore begangen, die für besondere Ladevorgänge auch über längere Zeit offen sein können, wenn keine Gefahr für eine Schadstoffausbreitung besteht.

Während der Revisionsabstellung werden das Primärcontainment und das Sekundärcontainment durch das Öffnen der Schleusen de facto auf ein Confinement reduziert. Der Austausch der Deckel der Reaktordruckbehälter erfolgt im Rahmen einer Revisionsabstellung formal in einem Confinement. Die Schutzzielfunktion Rückhaltung radioaktiver Stoffe ist zu gewährleisten.

Einschätzung des ENSI

Das ENSI prüft seit 2009, also seit sechs Jahren die vier Teilvorhaben des Deckelaustausches im Kernkraftwerk Beznau und hat dazu 2010 ein Projekt (HERA) mit Projektleitung, Projektteam und zahlreichen Experten gegründet, das gegenwärtig noch läuft. Genehmigungstechnisch handelt es sich um ein vierstufiges Freigabeverfahren nach KEV, Art. 40. Der eins zu eins Austausch der alten gegen neue Reaktordruckbehälter-Deckel ist gerechtfertigt, weil er unter anderem die Marge der nuklearen Sicherheit erhöht. Nach Berücksichtigung zahlreicher Forderungen des ENSI durch den Bewilligungsinhaber und seine Lieferanten hat die Aufsichtsbehörde die Freigaben für den Ersatz bis zur Stufe 3 erteilt.

Die in den Fragen 21-1 bis 9 angesprochenen Aspekte wurden überwiegend durch Strahlenschutzsachverständige überprüft, begutachtet, freigegeben und inspiziert. Der alte Reaktordruckbehälter-Deckel weist vor allem eine Oberflächenkontamination auf der Innenseite auf. Mit der Verpackung kann diese Kontamination sicher eingeschlossen und abgeschirmt werden.

Für den Austausch im Block 1 ergaben die ENSI-Inspektionen, dass die Vorgaben des Strahlenschutzes gut eingehalten wurden und die Massnahmen zielführend waren. Eine Abgabe luftgetragener, radioaktiver Stoffe an die Umgebung über unzulässige Pfade kann ausgeschlossen werden.

Die bilanzierten Abgaben sind gering und liegen weit unter den Grenzwerten, die sich am Schutz der Bevölkerung orientieren. Weitere Messungen des ENSI ergaben die erwarteten Resultate. Das im Leistungsbetrieb als Containment eingerichtete Sicherheitsgebäude wurde während dem Austausch des alten gegen den neuen Reaktordruckbehälter-Deckel formal zu einem Confinement zurückgestuft. Das ist bei Revisionsabstellungen zulässig. Das Schutzziel »Rückhaltung radioaktiver Stoffe« muss immer erreicht werden.

Beantwortet von Kernkraftwerk Beznau

Durch welches genau zu beschreibende Schleusensystem wird eine Freisetzung von radioaktiven Stoffen durch die großen Transportöffnungen im 1. und 2. Containment und gleichzeitig offenen Reaktordruckgefäß in die Umwelt/Biosphäre verhindert?

• Schaffung eines Unterdrucks im Containment
• Spezialverfahren zum Anbringen von Montage- und Transportöffnungen (Rolltor und Einhausung)
• Einsatz von Strahlenschutzmittel
• Temporäre Luft- und Oberflächenkontaminationsüberwachung
• Temporäre Dosisleistungsüberwachung
• Kern entladen (keine Brennelemente im Reaktor)

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