Technisches Forum Sicherheit

Frage 116: Erweiterung für Transport, HAA, SMA und Kombilager

Widerholen Sie die Berechnungen aus der TFS-Frage 114 „Geothermiebohrung ins geologische Tiefenlager“ und TFS-Frage 115 „Brand im geologischen Tiefenlager“ für den Fall, dass die Menge des betrachteten radioaktiven Materials

  1. der Menge in einem einzelnen Transport- und Lagerbehälter für HAA entspricht (nur TFS-Frage 114)
  2. der Menge in einem einzelnen Transport- und Lagerbehälter für SMA entspricht
  3. der Gesamtmenge in einem HAA-Lager entspricht (nur TFS-Frage 114)
  4. der Gesamtmenge in einem Kombilager entspricht
Thema Bereich
Eingegangen am 11. März 2014 Fragende Instanz RK ZNO
Status beantwortet
Beantwortet am 10. März 2017 Beantwortet von

Beantwortet von ENSI

Die Fragestellenden wünschen sich eine Wiederholung der Berechnungen aus den TFS-Fragen 114 „Geothermiebohrung in geologisches Tiefenlager“ und 115 „Brand in geologisches Tiefenlager“ unter Betrachtung von anderen Mengen an radioaktiven Materialien. Das ENSI und die Nagra haben diese beiden Fragen ausführlich beantwortet. Das ENSI ist der Ansicht, dass viele mit der TFS-Frage 116 neu zu betrachtenden Aspekte entweder bereits beantwortet wurden oder aufgrund von wissenschaftlich-technischen Gründen ausgeschlossen werden können, sprich unrealistisch sind. Das ENSI begründet sein Vorgehen für jede einzelne Fragestellung. Auf die mit dieser Fragestellung gewünschte Erstellung von Falloutkarten und den Vergleich mit Fukushima wird das ENSI nicht eingehen. Dieser Entscheid wir in der vorliegenden Antwort ebenfalls begründet.

a) Menge in einem einzelnen Transport- und Lagerbehälter (Endlagerbehälter) für HAA (entspricht nur TFS-Frage 114)

  • Teilfrage 114a) Radioaktivität in Becquerel
    • An dieser Stelle verweist das ENSI auf die TFS-Frage 114a), wo auf Basis der Angaben im NTB 14-04 die durchschnittliche Aktivität von zwei HAA-Lagerbehältern näherungsweise abgeschätzt wird.
  • Teilfrage 114b) Aufgenommene Dosis in Milli-Sievert
    • https://www.ensi.ch/de/technisches-forum/brand-in-der-ofa/In ihrer Antwort zur TFS-Frage 114 stellt die Nagra die Ergebnisse der im Rahmen des Entsorgungsnachweises betrachteten „What if“-Fälle für das Anbohren eines geologischen Tiefenlagers vor. Zudem hat sie diese Berechnungen mit neuen ergänzt, um ein früheres Anbohren nach dem Verschluss von Brennelement (BE)- und HAA-Lagerbehältern sowie LMA-Lagerstollen zu berücksichtigen. Insgesamt hat die Nagra 17 Rechenfälle betrachtet. Den Rechenfällen wird unterstellt, dass das Bohrloch einen BE/HAA-Lagerstollen zwischen zwei Endlagerbehältern durchdringt („Near Hit“) oder dass ein BE- oder LMA-Endlagerbehälter direkt angebohrt wird („Direct Hit“). Das ENSI wird keine weiteren Berechnungen durchführen und präsentieren.
  • Teilfrage 114c) Aufenthalt einer Person während eines Monats permanent im entsprechenden Abstand zur OFA
    • Im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf Personen wird wie bereits in TFS-Frage 114 auf die Antwort zur TFS-Frage 111 verwiesen.

b) Menge in einem einzelnen Transport- und Lagerbehälter (Endlagerbehälter) für SMA

  • Teilfrage 114a-c) Radioaktivität in Becquerel
    • Für das Anbohren von LMA-Endlagerbehälter verweisen wir auf die Nagra-Antwort zur TFS-Frage 114.
  • Teilfrage 115a-c) Radiologische Ausbreitungsrechnungen / Vergleich mit Fukushima / Auswirkungen aufgrund Strahlenexplosition
    • Das ENSI hat bereits in der Antwort auf die TFS-Fragen 111 und 112 erläutert, weshalb es nicht auf die Berechnung der Falloutkarten und auf vergleichende Betrachtungen zwischen Freisetzung radioaktiver Stoffe durch einen beschriebenen Brand und den Unfall in Fukushima eingeht.
    • Hinsichtlich des Szenarios „Brand im geologischen Tiefenlager“ verweist das ENSI an dieser Stelle auf die Nagra-Antwort zur TFS-Frage 115, welche dieses Szenario ebenfalls für SMA-Lager diskutiert.

c) und d) Gesamtmenge in einem HAA-Lager (nur TFS-Frage 114) bzw. Kombilager

  • Das ENSI schätzt die Freisetzung der Gesamtmenge eines HAA-Lagers durch einfaches Anbohren (wie in der TFS-Frage 114 postuliert) als unrealistisch ein und geht deshalb nicht weiter auf die Fragestellung ein. Das Szenario „Anbohren eines geologischen Tiefenlagers“ erscheint in diesem Rahmen mit der Antwort auf die TFS-Frage 114 aus Sicht des ENSI hinreichend beantwortet.
  • Das ENSI schätzt die Freisetzung der Gesamtmenge durch einen Brand in einem geologischen Tiefenlager (TFS-Frage 115) aus Gründen des Betriebsablaufs und der Lagerauslegung ebenfalls als unrealistisch ein.

Falloutkarten

Die Berechnung von radiologischen Ausbreitungsrechnungen (nukleare Falloutkarten) bildet ein wichtiges Instrument für die Planung und Vorbereitung von Schutzmassnahmen für die Bevölkerung. Diese werden basierend auf realistischen und qualifizierten Szenarien für den Ernstfall als Vorsorge bei Unfällen in Kernanlagen erstellt. Die Resultate von Ausbreitungsrechnungen hängen von vielen Faktoren wie z. B. Quellterm, Wetterlage, Wetterverlauf oder Topografie ab. Im Rahmen seiner Tätigkeit führt das ENSI entsprechende Berechnungen unter Berücksichtigung aller Faktoren zur Vorbereitung des Notfallschutzes durch und stellt diese den verantwortlichen Behörden zur Verfügung. Deren Publikation obliegt den zuständigen Behörden. Das ENSI erachtet es als nicht zielführend, bzw. nicht möglich, belastbare radiologische Ausbreitungsrechnungen ohne standortspezifische und anlagenspezifische Angaben durchzuführen. Entsprechend wäre die Aussagekraft solcher Berechnungen gering und aus Sicht des ENSI nicht zielführend. Eine Veröffentlichung könnte sogar, falls sich im Nachhinein niemand mehr an die unrealistischen Randbedingungen erinnert, zur unnötigen Verunsicherung der Bevölkerung führen. Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für ein geologisches Tiefenlager wir das ENSI jedoch auslegungs- und auslegungsüberschreitende Störfalle analysieren.

Vergleich mit Fukushima

Die Berechnung von radiologischen Ausbreitungsrechnungen (nukleare Falloutkarten) hängt von vielen Faktoren wie z. B. Quellterm, Wetterlage, Wetterverlauf oder Topografie ab. Im Rahmen seiner Tätigkeit führt das ENSI entsprechend komplexe Berechnungen unter Berücksichtigung aller Faktoren zur Vorbereitung des Notfallschutzes durch und stellt diese den verantwortlichen Behörden zur Verfügung. Das ENSI verzichtet aus nachfolgenden Gründen auf die Berechnung eines Vergleichs zwischen den hypothetischen Freisetzungen von Radioaktivität aus einer Oberflächenanlage, einem geologischen Tiefenlager oder einem Transportbehälter mit der im Kernkraftwerk Fukushima freigesetzten Menge in Form von Falloutkarten:

  • Die unterschiedlichen Mengen an Inventar und verschiedenen flüchtigen Radionukliden.
  • In Transport- und Lagerbehältern wird viel weniger Zerfallsenergie freigesetzt, die in Form von Wärme an die Luft abgegeben wird. Entsprechend reduziert sich auch das Gefährdungspotential.
  • Transport- und Lagerbehälter werden bereits heute im ZWILAG passiv mit Luft gekühlt, d. h. es ist keine aktive Wasserkühlung notwendig.
  • Die Möglichkeit einer Kettenreaktion kann in einer OFA durch technische und administrative Massnahmen ausgeschlossen werden.
  • Es werden nur feste radioaktive Abfälle zur OFA angeliefert.
  • Das Notfallschutzkonzept muss im Rahmen der Baubewilligung vorliegen (zum Thema Notfallschutzvorsorge siehe auch TFS-Antwort zu TFS-Frage 90).
  • Schlussendlich ist die Publikation einer Freisetzungskarte für Japan auf Basis einer hypothetischen Freisetzung von radioaktiven Stoffen aus dem Schweizer Programm nicht angebracht.

Der Notfallschutz ist in der Schweiz in der „Verordnung über den Notfallschutz in der Umgebung der Kernanlagen“ (SR732.33) seit langem geregelt. Im Rahmen von „IDA NOMEX“ wurde nach den Erkenntnissen aus einer Naturkatastrophe in Japan Anpassungen vorgenommen, wobei die vom ENSI entwickelten Referenzszenarien als Grundlage dienten. Für die vorsorgliche Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung und für die Verkehrsführung im Ereignisfall haben die Kantone auf der Basis von Richtlinien des Bundesamts für Bevölkerungsschutz Konzepte in Händen. Das ENSI wird im Ereignisfall ausgehend vom Quellterm am Ort der Freisetzung, den meteorologischen Vorhersagen und der Landestopologie ein Dosisprofil erstellen und aktuell halten. Im Fall eines Ereignisses in der Oberflächenanlage zu einem Tiefenlager ist wegen der Beschaffenheit der Abfälle, den vergleichsweise geringen Temperaturen und dem Rückhaltevermögen der Gebäude mit geringen oder sehr geringen Quelltermen zu rechnen, so dass nur einfache Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung notwendig sein werden.

Das ENSI erachtet es nicht als zielführend, mittels japanischer Evakuationsrichtlinien auf ein nicht passendes, hypothetisches Szenario in der Schweiz einen Evakuierungsperimeter darzustellen.

Kommentierung durch Fragesteller und weiterführende Fragen

Die Beantwortung der Fragen durch das ENSI basierend auf wissenschaftlich-technischen Fakten beinhaltete Prüfung und Kommentierung der Szenarien sowie hypothetische Rechenbeispiele und detailliertere Berechnungen. Im Rahmen der Kommentierung der Antworten zu den TFS-Fragen 111 bis 120 hat der Fragesteller festgehalten, dass mit den vorliegenden Antworten seine übergeordneten Fragen nach dem theoretischen Gefährdungspotential nicht oder nur teilweise beantwortet wurden. Entsprechend hat er im Rahmen der Rückmeldung fünf ergänzende  Fragen (TFS-Frage 138 bis 142), losgelöst von Szenarien, eingereicht.