Die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers beruht darauf, dass die technischen und natürlichen Barrieren im Zusammenspiel die Freisetzung von Radionukliden auf ein ungefährliches Mass für Mensch und Umwelt reduzieren. Lagerinduzierte Effekte, wie die Korrosion von eingelagerten Materialien, die zu einem Druckaufbau in Tiefenlagerstollen führt, werden beim Nachweis der Langzeitsicherheit eines Lagers beurteilt.
Wie gross ist der maximal zulässige Gasdruck in Stollen eines geologischen Tiefenlagers?
Der Druckaufbau darf zu keinen Schädigungen des Barrierensystems führen, die die Rückhaltefähigkeit für Radionuklide so stark reduziert, dass die Schutzkriterien der Richtlinie ENSI-G03 überschritten werden. Das ENSI prüft den zeitlichen Verlauf des Druckaufbaus mit unabhängigen Berechnungen und insbesondere, ob die Schutzfunktion der Geosphäre gewährleistet bleibt.
Bis zu welchem Wert sich ein Druckaufbau nicht auf die Langzeitsicherheit auswirkt, hängt beispielsweise von der Tiefenlage, den mechanischen Eigenschaften der Gesteinsformation, der geologischen Vorgeschichte ab und ist nicht einfach zu bestimmen. Im Sinne der Robustheit eines Tiefenlagers ist deshalb bereits bei der Auslegung der Lagerstollen darauf zu achten, dass die gasinduzierten Einflüsse auf das Wirtgestein klein bleiben und die Rückhaltefähigkeit des Barrierensystems gewährleistet ist.
Um die Auswirkungen von Lagergasen auf die Langzeitsicherheit zu begrenzen, können folgende Vorgehensweisen in Betracht gezogen werden:
- Grundsätzliche Vermeidung oder Minimierung von gasproduzierenden Abfällen (beispielsweise durch vorgängige Verbrennung im Plasmaofen der ZWILAG)
- Verwendung von geeigneten Materialien für Einbauten und Lagercontainern
- Optimierung der Lagerauslegung (unter Berücksichtigung der technischen Machbarkeit)
- Verwendung eines geeigneten Verfüllmaterials (Erhöhung des Speichervolumens für Gas) und Nachweis der genügenden Gasleitfähigkeit
- Optimierung der Versiegelungen auf Gasdurchlässigkeit beispielsweise durch die Verwendung von Sand/Bentonitmischungen.
Wie wird der Gasdruck „reguliert“?
Der zeitliche Verlauf des Gasdrucks hängt von folgenden Aspekten ab: Einerseits von den Korrosionsraten der eingelagerten Materialien, vom zur Verfügung stehenden Porenwasser, respektive Porenraum der Abfallmatrix und Verfüllungen und andererseits von den Gasdurchlässigkeiten der Auflockerungszone um die Einlagerungsstollen, der Versiegelungsstrecken und des Wirtgesteins.
Das ENSI prüft im Rahmen seiner Begutachtung, ob durch eine geeignete Auslegung des gesamten geologischen Tiefenlager, die Eigenschaften der eingelagerten Abfälle, der Verfüllmaterialien und dem Wirtgestein dafür gesorgt ist, dass der Gasdruckaufbau die Langzeitsicherheit des Tiefenlagers nicht gefährdet.
Das ENSI stellt keine expliziten Anforderungen an das Wirtgestein hinsichtlich Gasproduktion oder Gastransport. Es bewertet vielmehr die operationelle und Langzeitsicherheit des Gesamtsystems Tiefenlager und Geosphäre. In diesem Sinne wird anhand des gewählten Wirtgesteins und dessen geomechanischen Eigenschaften, der Tiefenlage des Lagers geprüft, ob die durch die Gasproduktion hervorgerufenen Phänomene die Langzeitsicherheit nicht gefährden und ob die Auslegung und Dimensionierung des Tiefenlagers und der Versiegelungsbauwerke die Langzeitsicherheit gewährleisten können.
Für das ENSI stehen folgende Anforderungen hinsichtlich der Gasproduktion und Transport im Vordergrund:
- die Erhaltung der hydraulischen Eigenschaften des Wirtgesteins, als auch der Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke.
- die Beschränkung der radiologischen Folgen (Auspressen von Porenwasser, Limitierung der Bildung neuer Wasserwegsamkeiten)
- die Erhaltung des Schutzes der Abfallgebinde durch die Geosphäre und Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke
Können sich in einem Tiefenlager radioaktive Gase bilden?
In einem geologischen Tiefenlager können Gase durch die Metallkorrosion und durch die mikrobielle Zersetzung von organischen Materialien entstehen. In einem Tiefenlager wird hauptsächlich nicht-radioaktiver Wasserstoff (H2) durch die Metallkorrosion unter reduzierenden Bedingungen gebildet. Durch den mikrobiellen Abbau organischer Abfälle kann Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) entstehen, wobei Kohlendioxid in einem SMA-Lager durch die Reaktion mit Zementmineralien gebunden wird und deshalb kaum zum Druckaufbau beiträgt.
Enthalten die Abfälle 14C (instabiler Kohlenstoff), können auch radioaktive Gase gebildet werden. Der Anteil des in einem SMA-Lager gebildeten Methans beträgt nur einige Prozent der gesamthaften möglichen Gasproduktion (siehe auch Antwort 17). Zudem ist der Anteil von 14C gegenüber der im Tiefenlager vorhanden Menge stabilen Kohlenstoff klein, dementsprechend gering ist der Anteil an radioaktiven Gasen.
Durch Zerfälle des eingelagerten Urans kann Radon entstehen (vereinfachte Zerfallskette: 238U → 234U → 230Th → 226Ra → 222Rn). Es ist ein radioaktives chemisches Element mit dem Elementsymbol Rn und zählt zu den Edelgasen. Alle Isotope des Radons sind radioaktiv. Das stabilste Isotop ist 222Rn mit einer Halbwertzeit von 3,8 Tagen; es entsteht als Zerfallsprodukt aus Radium (226Ra). Die erzeugte Menge Radium in einem Tiefenlager ist klein. Die Freisetzung von Radium-Nukliden vom Lager ins Wirtgestein entspricht einem berechneten Dosisbeitrag von rund 10-3 mSv/Jahr. (Berechnung für HAA-Lager in Opalinuston, Entsorgungsnachweis, NTB 02-05, Seite 200).
Zum Vergleich: Die mittlere Jahresdosis für die Bevölkerung in der Schweiz beträgt rund 4 mSv. 40% davon stammt aus Radon in Wohnräumen (=1.6 mSv/Jahr). Durch die Rückhalteeigenschaften des Wirtgesteins Opalinuston zerfällt das erzeugte Radonkomplettin der Gesteinsformation.