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Frage 44: Geologie der Neuhausen-Störung

Tektonisches Inventar (Bruchstrukturen) und seismische Prozesse (I): Eine wichtige Annahme des geologischen Modells ist, dass die Neuhauser Störung als Südbegrenzung des Hegau-Bodensee-Grabens eine relativ scharfe Grenze zwischen einem tektonisch unruhigen Gebiet mit erhöhter Seismizität im Nordosten und einem „tektonisch sehr einfachen Gebiet“ (NTB 02-03, S.88) im Südwesten bildet. In Letzterem befindet sich das Endlager.

Wie ist es zu erklären, dass in einem 20-30 km nordwestlich davon gelegenen Querschnitt durch den Südschwarzwald keine solch klare Trennung zu erkennen ist? Wie sind die neuen Erkenntnisse zur Neuhauser Störung, welche bei geotechnischen Abklärungen gewonnen wurden, hinsichtlich der bestehenden Beurteilung des geodynamischen Konzeptes zu werten? (die betreffenden Angaben wurden der Nagra von uns zur Verfügung gestellt).

Thema , , Bereich
Eingegangen am 23. Dezember 2005 Fragende Instanz Vertreter des Kantons Schaffhausen
Status beantwortet
Beantwortet am 23. Dezember 2005 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

Kurzfassung

Die Neuhauser Störung wurde bereits im NTB 94-14 als Westbegrenzung des im Jungtertiär entstandenen Hegau – Bodenseegrabens definiert. Dieser bildet eine Fortsetzung des Freiburg – Bonndorf – Grabens, welcher als Ausdruck der ebenfalls jungtertiären Heraushebung des Schwarzwalds entstanden ist. Dabei wurde ein alter Strukturplan des Grundgebirges reaktiviert, dessen Hauptelemente überwiegend herzynisch, d.h. ± NW-SE ausgerichtet sind. Daraus wird klar, dass der Hegau – Bodensee-Graben, der im übrigen nicht weiter nach SE verfolgt werden kann, ein Ausläufer der Schwarzwald- Hebungszone ist. Dabei wurden in dem 20 bis 30 km weiter nordwestlich gelegenen Gebiet, welches im Gegensatz zum Zürcher Weinland bereits Teil der zentralen Hebungszone ist, naturgemäss mehr alte Störungszonen reaktiviert. Zudem ist für die hier sichtbaren und kartierten Strukturen des Basement längst nicht immer auch eine neotektonische Bedeutung / Aktivität nachgewiesen.

Ausführliche Antwort

Die Neuhauser Störung ist keine Trennlinie zwischen zwei tektonisch völlig unterschiedlichen Gebieten: Beide gehören zum Tafeljura bzw. dem angrenzenden Molassebecken und zeigen einen einfachen tektonischen Bau. Die seismische Gefährdungskarte des Schweizerischen Erdbebendienstes (2003) bestätigt, dass beide Gebiete zu den Räumen mit der geringsten Erdbebengefährdung in der Schweiz gehören (s. auch TFE-Frage/ Antwort 36d).

Die Neuhauser Störung wurde zunächst mittels der regionalen 2D-Seismik (NTB 94-14), dann detaillierter (3D-seismisch) im Zürcher Weinland untersucht (NTB 00-03, S. 91). Bezüglich ihres Charakters und ihrer neotektonischen Aktivität wurden in den Kap. 4.2, 4.3, 4.5 und 5.1.2 des NTB 99-08 dezidierte Aussagen gemacht. So zeigt die Interpretation der 3D-Seismik deutlich, dass die Neuhauser Störung, ähnlich wie die Randen-Störung, aus mehreren Teilästen mit unterschiedlichem Streichen besteht. Der generelle NW-SE-Verlauf der Störungszone ist zudem südlich des Rheins bei Flurlingen (Nordgrenze des 3D-seismischen Messgebiets, Profil E in Beil. 4.5, NTB 99-08) und in der östlichen Fortsetzung der Wildensbucher Flexur gestört, wobei jeweils der südlichere Abschnitt um ca. 1 km nach Osten versetzt ist.

Mit Detailstudien (Birkhäuser et al. 2001, NTB 00- 03) wird gezeigt, dass der Abschiebungsbetrag zwar auf eine Hauptstörung konzentriert ist, diese aber sowohl horizontal wie auch vertikal mehrfach versetzt sein muss und zudem von mehreren Nebenstörungen begleitet wird, die ebenfalls einen Teil der Bewegung aufgenommen haben. An der ca. NW-SE verlaufenden Hauptverwerfung, wie sie in den Profilen E bis K in Beil. 4.5 und 4.6 (NTB 99-08) vereinfacht dargestellt ist, beträgt der Versatz der mesozoischen Schichten zwischen ca. 20 und maximal etwa 60 m. An der Felsoberfläche, d.h. unter der quartären Schuttbedeckung dürfte er teilweise immer noch wenige Dekameter betragen. Diese Befunde wie auch die Tatsache, dass an der Neuhauser Störung keine Mächtigkeits- oder Faziesunterschiede der mesozoischen Formationen festgestellt wurden, belegen, dass die Abschiebungen postmesozoischen, allenfalls postmolassischen Alters sind. Gemäss Befunden der neuen geotechnischen Untersuchungen im Gebiet von Neuhausen (tektonische Malmbrekzien) könnte die Störung auch schon prätertiär angelegt worden sein.

Die neuen Erkenntnisse, welche bei geotechnischen Abklärungen (5 Sondierbohrungen) nordwestlich des Untersuchungsgebiets gewonnen wurden, beziehen sich auf die geometrische Lage dieser Störungszone im Gebiet Neuhausen-Galgenbuck- Enge. Diese Resultate decken sich mit den Ergebnissen der seismischen Interpretation im anschliessenden südöstlichen Gebiet (s. auch Beilage 4.4 in NTB 99-08), in welchem die räumliche Lage der Neuhauser Störung mittels 3D-Seismik (NTB 00-03) ermittelt werden konnte.

Die neuen Erkenntnisse aus den geotechnischen Untersuchungen bestätigen das im NTB 99-08 erarbeitete geodynamische Konzept (vergleiche auch die Darstellung der Neuhauser mit Begleitstörungen im Bereich des Bodenseegrabens in NTB 94-14, Fig. 3-13).

Referenzen:

Birkhäuser, Ph., Roth, Ph., Naef, H. & Meier, B. (2001): 3D-Seismik: Räumliche Erkundung des Wirtgesteins Opalinuston im Zürcher Weinland. Nagra Tech. Ber. NTB 00-03. Nagra, Wettingen.

Müller, W.H., Naef, H. & Graf, H.R. (2002): Geologische Entwicklung der Nordschweiz, Neotektonik und Langzeitszenarien Zürcher Weinland. Nagra Tech. Ber. NTB 99-08.

Naef, H., Birkhäuser, P. & Roth, P. (1995): Interpretation der Reflexionsseismik im Gebiet nördlich Lägeren – Zürcher Weinland. Nagra Tech. Ber. NTB 94-14. Nagra, Wettingen.

Nagra (2002): Projekt Opalinuston – Synthese der erdwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse. Nagra Tech. Ber. NTB 02-03. Nagra, Wettingen.