Technisches Forum Sicherheit

Frage 81: Mikroorganismen in geologischen Tiefenlager

a)

Was wurde in Mont Terri beobachtet, das in Frage 50 summarisch angedeutet ist? Zitat S. 126: „…Verfüllung ist die Aktivität heimischer und eingeschleppter Mikroben bedeutend, vor allem bei geeignetem Nahrungsangebot (vielfältige Erfahrungen im Mont Terri Projekt) „.

Erweiterte Frage:

Diese Frage ist weitgehend geklärt, wenn auch unklar bleibt, was die „vielfältigen Erfahrungen“ im Detail sind. Ist beispielsweise bekannt, welche Mikroorganismen in diesen Lebensbedingungen aufblühen? Bitte präzisieren Sie die Erkenntnisse genauer – oder erklären Sie, warum diese Kenntnisse nicht vorliegen.

b)

Warum vermittelt die nicht nukleare Literatur zu irdischen und ausserirdischen Mikroorganismen den Eindruck, dass die Vielfalt des Lebens unermesslich sei und darum vieles noch der Entdeckung hart? Hingegen entsteht in der Antwort zur Frage 50 der Eindruck, die Welt der Mikroorganismen sei im Opalinuston eingrenzbar und unter Kontrolle. Ist das wirklich so oder schützt uns Nichtwissen(-Wollen) vor dem realen Blick?

Erweiterte Frage:

Diese Frage nimmt den breiten Fokus auf, den ich hiermit nochmals betone. Es ist mir nicht einsichtig, warum jeweils nur von HS gesprochen wird, wenn doch eine Flut an Bakterienarten existiert.  Es gibt solche, die unter extremer Hitze leben können und andere, die selbst in Salzkristallen in Wüsten überleben. Weshalb können diese Bakterien mit Sicherheit als unbedenklich „eingestuft“ werden? Was sind die systematischen Überlegungen, welche aus der Vielfalt der existierenden Bakterien nur einen „kleinen“ Ausschnitt „zur Analyse“ auswählen? Hinzu kommt, dass die Auflockerungszone in der Tunnelwand zwar gering sein soll, doch könnten Mikroben genau diese Zone als Heimat für gefrässige Attacken auf den Opalinus nutzen. Dabei könnten diese während der Betriebszeit die Schutzeigenschaften der Geologie abbauen und – für die Verschlussphase – unsichtbare Nester bilden. Welche Mikroben – auch von Menschen eingeschleppt – haben das Potenzial dazu?

c)

Was wird in Etappe 2 und 3 in Bezug auf Mikroorganismen abgeklärt und untersucht?

Erweiterte Frage:

Hier fehlt mir der Bezug auf Etappe 2 und 3. Nach ihren – impliziten – Angaben sind die Forschungen in Mont Terri unabhängig von Etappen und die Forschungen haben keine Relevanz im Sachplanverfahren. Bitte präzisieren Sie die geplanten Forschungen und ob diese mit dem Sachplanverfahren überhaupt abgestimmt werden. Nennen sie auch offene Fragen, die in Ergänzung zu den laufenden Abklärungen noch zu erforschen sind. Wie werden Sie die Mikrobenforschung im Tiefenlager weiterführen?

In Ihrer Antwort setzen Sie auf den Bentonit und seine Fähigkeit, Wasser zu binden. Ich frage mich dabei zwei Sachen: Erstens ist diese Bindefähigkeit auch bei Temperaturen zwischen 40 und 250 Grad Celsius gegeben1 und zweitens sind die Poren im Bentonit – auch in einem roboterbefüllten Betriebsstollen – so klein wie im Opalinuston? Wie sieht der Plan B aus, wenn die Forschungsergebnisse ihre mikrobiotischen Erwartungen in den Bentonit nicht erfüllen?

 

1 Diese Frage kann nicht unter dem Thema „Mikrobiologie“ abgehandelt werden

Thema Bereich
Eingegangen am 13. September 2012 Fragende Instanz Fragen aus der Bevölkerung
Status beantwortet
Beantwortet am 2. April 2014 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

Um besser auf die erweiterten Fragen 81 a) bis c) eingehen zu können, erläutern wir zuerst, wie potenzielle Einflüsse von mikrobieller Aktivität auf die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers grundsätzlich beurteilt, resp. berücksichtigt werden:

Gestützt auf die Resultate unserer laufenden Untersuchungen im Felslabor Mont Terri und in Übereinstimmung mit Publikationen (z.B. ein Artikel im National Geographics  „Life in an Icy Inferno“) gehen wir davon aus, dass eine grosse Vielfalt von Mikroben (Bakterien und Archaeen = Archebakterien) in einem Tiefenlager bzw. in der direkt umgebenden Geologie vorhanden sein werden. Diese Vielfalt wird zurzeit im Felslabor Mont Terri untersucht (vergleiche unsere frühere Antwort auf die Frage 81 c) (siehe unten) bezüglich der DNS-Analysen an Opalinuston- und an Formationswasserproben). Wir nehmen an, dass weder Strahlung noch erhöhte Temperatur noch hoher pH-Wert ein Mikroben-Wachstum vollständig verhindern kann.

Wegen der grossen Vielfalt von Mikroben nehmen wir an, dass immer für die spezifischen in-situ Bedingungen geeignete Arten vorhanden sind und so alle möglichen metabolischen Prozesse auch ablaufen, wenn die Grundvoraussetzungen erfüllt sind (im Wesentlichen Wasser und genügendes Raumangebot d.h. genügend grosse Poren, siehe Antwort zu Frage 81 b). Um die Einflüsse auf die Sicherheit eines Tiefenlagers beurteilen zu können, genügt es nicht, die Vielfalt der Mikroben zu kennen, es muss vor allem das Repertoire an metabolischen Fähigkeiten (gegeben durch die Enzyme) bekannt sein. Dieses Repertoire beruht auf Prinzipien der Biologie und muss den Gesetzen der Chemie folgen. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass Mikroben alle chemischen Reaktionen katalysieren können, die thermodynamisch möglich sind (exergonisch = negative Reaktionsenthalpie = spontane Reaktion) und somit den Mikroben als Energiequellen dienen können. Wenn Mikroben nicht aktiv sind (kein Wachstum, kein Metabolismus), können sie keinen Einfluss auf die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers haben.

a)

Die in Frage 50 angesprochenen Beobachtungen im Felslabor Mont Terri betreffen Experimente in Bohrungen, wo festgestellt wurde, dass mikrobielle Aktivitäten stattfinden. Im Formationswasser, das aus mehreren Bohrungen des Mont Terri Felslabors stammte, wurde ausnahmslos DNS gefunden, ebenso in einigen Felsproben. Weiter war es teilweise auch möglich, Mikroben, die aus Felsproben – und Formationswasser des Opalinustons stammten, im Labor in geeigneten Nährmedien zu kultivieren.

Um diese Beobachtungen einordnen zu können, ist es nützlich, zusätzlichen in diesem Zusammenhang relevanten Text der Antwort zu Frage 50 aufzuführen, der lautet: „Bei erhöhtem Raumangebot (Auflockerung) und bei Vorhandensein von Wasser z.B. bei Experimenten in Bohrungen oder in der Auflockerungszone (AUZ) der verfüllten Untertagebauwerke in der frühen Phase nach der Verfüllung ist die Aktivität heimischer und eingeschleppter Mikroben bedeutend, vor allem bei geeignetem Nahrungsangebot (vielfältige Erfahrungen im Mont Terri Projekt).“

Dieser Text weist darauf hin, dass im Opalinuston die Aktivität heimischer und eingeschleppter Mikroben bedeutend ist, wenn dazu geeignete Bedingungen vorherrschen. Zu diesen Bedingungen gehört ein genügendes Raumangebot, welches im ungestörten Opalinuston nicht zur Verfügung steht, wozu früher in der Antwort zu Frage 50 festgehalten wird: „Das Microbial Activity Experiment im Mont Terri zeigt, dass die mikrobiologische Aktivität im ungestörten Opalinuston sehr gering ist (Stroes-Gascoyne et al. 2007). Die Autoren führen dies darauf zurück, dass kein zusammenhängender Porenraum im Porengrössenbereich > 0.1 μm besteht und dass die Wasseraktivität reduziert ist.“

Wie erwähnt, spielt auch das Nahrungsangebot eine wichtige Rolle: Beim PC-Experiment (PC: Porewater Composition) wurde durch verwendeten pH-Elektroden versehentlich Glycerin eingebracht, was innert Monaten zu starker mikrobieller Aktivität führte. Beim BN-Experiment (Bitumen-Nitrate-Clay interaction) wurde das zugeführte Nitrat-Acetat Gemisch innert Tagen mikrobiell abgebaut.

Dass die beobachtete mikrobielle Aktivität wahrscheinlich nicht nur durch Mikroben verursacht wurden, die mit den Bohrungen bzw. mit dem Aufbau der Experimente eingeschleppt wurden, zeigen Untersuchungen an ungestörten Opalinuston-Bohrkernen aus dem Felslabor Mont Terri, wo es möglich war, DNS von Mikroben zu extrahieren. Dies zeigt, dass es im Opalinuston sehr wahrscheinlich selber Mikroben hat, die kaum aktiv („schlafend“) sind und die bei geeigneten Bedingungen wieder aktiv werden können (vgl. dazu auch Antwort zu Teilfrage b)).

Antwort zu erweiterter Teilfrage 81 a), Beispiele für unsere vielfältigen Erfahrungen:

  • Für kontinuierliche pH Messung wurde bei einigen Experimenten Elektroden eingesetzt, welche Glycerin enthielten. Dieses diffundierte ins Intervall-Wasser der in-situ Experimente und löste mikrobiologische Aktivität aus. Das am besten dokumentierte Experiment ist PC (Porewater Chemistry): Jean-Claude Petit J.-C. (Editor, 2011): The in situ experiment on biogeochemical processes in the Opalinus Clay at the Mont Terri Underground Research Laboratory, Switzerland. Applied Geochemistry 26 (2011) Special issue. In diesem Experiment wurden Eisen(III) reduzierende, Sulfat reduzierende und Methan produzierende Mikroorganismen gefunden.
  • Im laufenden BN (Bitumen – Nitrat Interaction) Experiment wird der Nitratabbau mit organischen Stoffen untersucht. Erwartungsgemäss werden Nitrat reduzierende Mikroben gefunden.
  • In den laufenden Experimenten HT (Hydrogen Transfer; Publikation: „In situ diffusion test of hydrogen gas in the Opalinus Clay“ by A. Vinsot, C.A.J. Appelo, M. Lundy, S. Wechner, Y. Lettry, C. Lerouge, A.-M. Fernandez, M. Labat, C. Tournassat, P. De Cannière, B. Schwyn, J. McKelvie, S. Dewonck, P. Bossart, and J. Delay, in press) und MA (Microbial Activity, Bioreactor ; Diss. A. Bagnoud, in prep.) wird der Abbau von H2 unter Bildung von HS beobachtet; Eisen(III) reduzierende und Sulfat reduzierende  Mikroben sind aktiv.
  • Gemäss Angaben in unseren früheren Antwort auf die Frage 81 c) wurden in allen der Untersuchung zugänglichen Formationswässern in Bohrlöchern DNS (also Mikroorganismen) gefunden und charakterisiert (Diss. A. Bagnoud, in prep.).

b)

Es ist korrekt, dass unter geeigneten Bedingungen die mikrobielle Aktivität sehr vielfältig ist. Für mikrobielle Aktivität müssen aber folgende Bedingungen erfüllt sein: (i) es braucht Energie, d.h. Mikroben können nur Reaktionen katalysieren, die exergonisch ablaufen; (ii) die für den Zellaufbau essentiellen Elemente (z.B. Phosphor) müssen vorhanden sein; (iii) es muss Wasser verfügbar sein; (iv) es braucht genügend Raum, denn Mikroben können nicht viel kleiner als ca. 0.1 μm sein. Diese Bedingungen sind häufig erfüllt und entsprechend häufig kann mikrobielle Aktivität beobachtet werden. In ungestörtem Opalinuston ist jedoch Bedingung (iv) nicht erfüllt: die Grösse des den Mikroben zur Verfügung stehenden Raums ist ungenügend (Grösse fast sämtlicher Poren im ungestörten Opalinuston ist kleiner als 0.1 μm). Deshalb sind die im ungestörten Oplinuston wahrscheinlich vorhandenen Mikroben kaum aktiv und vielleicht isoliert in den wenigen Poren, die grösser als 0.1 μm sind.

Dabei ist zu beachten, dass es im Opalinuston in einer frühen Phase während und direkt nach der Sedimentation durchaus mikrobielle Aktivität gab: bei seiner Sedimentation waren die Poren des Opalinuston noch nicht so klein, diese wurden erst durch die Last von später sedimentierten Gesteinsschichten, die den Opalinuston überlagern, zusammengedrückt (Kompaktion) sodass die mikrobielle Aktivität zum Erliegen kam. Dabei könnten Mikroben überlebt haben und eingeschlossen und isoliert worden sein. Jedenfalls sind diese kaum aktiv und können nur dann wieder aktiv werden, wenn die Umweltbedingungen sich ändern (z.B. Vergrösserung des Porenraums durch Auflockerung als Folge von Bohrungen oder Stollenbau).

Dieser beschriebene Mechanismus der Kompaktion des Porenraums, welcher dazu führt, dass die mikrobielle Aktivität in einer frühen Phase der Diagenese aufhört, wurde im Detail im Callovo-Oxfordien, dem Wirtgestein für das HAA-Lager in Frankreich untersucht. Diese Resultate sind direkt relevant für den Opalinuston, weil Callovo-Oxfordien und Opalinuston sehr ähnlich sind. Die Untersuchungen von Lerouge et al., 2011 (auch in Antwort zu Frage 50 erwähnt) zeigen, dass die mikrobiell katalysierten Reaktionen während der Kompaktion „eingefroren“ wurden. Ähnliche Untersuchungen sind auch für den Opalinuston im Gange.

Ein weiterer Hinweis, dass die Mikroben im ungestörten Opalinuston nicht aktiv sind, ist die Beobachtung, dass keine Reduktion von SO42- zu S2- stattfindet indem z.B. organisches Material oxidiert wird. Letzteres ist im Opalinuston noch vorhandenen, also unvollständig abgebaut.

Antwort zu erweiterter Teilfrage 81 b)

Allgemein wird beobachtet und auch durch die Untersuchungen im Felslabor Mont Terri bestätigt, dass immer diejenigen Populationen dominieren, die am meisten Energie aus den chemischen Bedingungen gewinnen können. Der Wechsel der Mikroben-Population wird also bezüglich Oxidationsmittel der sogenannten Redox-Kaskade folgen.

O2 > NO3 > Mn(IV) > Fe(III) > SO42- > {CH2O} (Fermentation von Organika) > CO2

Ist ein Oxidationsmittel erschöpft, wird ein Populationswechsel hin zu Mikrobenarten, welche das nächst bessere umsetzten können, stattfinden.

Wenn z.B. neben oxidierbaren Substanzen wie organischen Verbindungen oder Wasserstoff Sulfat in grösseren Mengen im Porenwasser vorhanden ist, und alle stärkeren Oxidationsmittel aufgebraucht sind, wird von den Mikroben dieses Sulfat als Oxidationsmittel verwendet und es wird HS produziert. Es werden also diejenigen Mikroben dominieren, welche diese Sulfat-Reduktion beherrschen. Diese Situation ist der Normalfall, wenn im Opalinuston-Porenwasser mikrobiologische Aktivität beobachtet wird.

Vielfalt der Mikroben:

Dass die Vielfalt von Mikroorganismen auch im Untergrund gross ist und sich diese an sehr extreme Bedingungen anpassen können, ist wegen der Beobachtungen über die letzten Jahrzehnte allgemein anerkannt.

Zusätzlich zur Analyse der Vielfältigkeit von Mikroben, untersuchen und beurteilen wir vor allem deren Fähigkeiten (genetische Anlagen) und die Bedingungen, die es für Mikroben-Wachstum braucht:

  • Fähigkeit in der (extremen) Umgebung des Tiefenlagers zu überleben:
    • Strahlung: Zu klein um alle Mikroben zu eliminieren
    • Wärme: Keine Behinderung des Mikroben-Wachstums
    • pH-Wert: Der pH 12.5 in der Zementumgebung eines SMA Lagers scheint nach bisherigen Beobachtungen Mikroben-Wachstum zu unterbinden. Trotzdem nehmen wir an, dass in einem SMA Lager Mikroben gedeihen können, sei es in Bezirken mit tieferem pH-Wert, sei es, dass Mikroben Nischen bilden, wo sie sich selber eine Zone mit tieferem pH schaffen.
    • Raum (und Wasser):
      • Die Poren des Opalinustons sind für Mikroben-Wachstum zu klein à keine metabolischen Aktivitäten feststellbar
      • Die Auflockerungszone in der Tunnelwand hat anfänglich sehr wahrscheinlich genügend grosse Poren für Mikroben-Wachstum. Die Eigenschaften von Opalinuston führen mit der Zeit zu einer Selbstabdichtung (Schliessen grösserer Porenräume), sodass auch ein eventuelles Mikroben-Wachstum wieder unterbunden wird
      • Bentonit: Ein Wachstum ist bei Tockendichten > 1400 kg/m3 stark reduziert und > 1600 kg/m3 unterbunden. Diese Begrenzung des Mikroben-Wachstums beruht auf den zu kleinen Poren (Raum) und eventuell auch auf dem nicht mehr frei zugänglichen Wasser (reduzierte Wasseraktivität)
      • SMA Lager mit Zementmörtel als Verfüllmaterial: Poren genügend gross für Wachstum
    • Energie (Nahrung): Im Tiefenlager meist vorhanden; Beispiele: Oxidierbare Substanzen: Organika in SMA, H2 durch Eisenkorrosion; Reduzierbare Substanzen: Sulfat, HCO3, Organika in SMA (Disproportionierung)

Mikroben-Wachstum in der Auflockerungszone der Tunnels:

Wie oben aufgelistet, können Mikroben anfänglich (bis dass der vergrösserte Porenraum als Folge der Selbstabdichtung wieder verloren gegangen ist) in der Auflockerungszone wachsen, wenn dort genügend Energie zur Verfügung steht. Diese könnte aus der Oxidation der kleinen Mengen von organischen Substanzen im Oplinuston und des Wasserstoffs, herrührend von der Stahl/Eisenkorrosion, gewonnen werden. Umwandlungen von Gesteinen durch Mikroben sind bekannt; sie dienen im Wesentlichen der Beschaffung von Spurenelementen. Da die Mikroben wegen ihrer Grösse nicht ins ungestörte Gestein vordringen können, sind solche Umwandlungen nur in der Auflockerungszone selber möglich. Eine gefrässige Attacke auf das Gestein ist nicht möglich, weil der Opalinuston nur in Spuren Substanzen enthält, die Energie liefern könnten. Attraktiv dagegen ist der H2-Abbau herrührend aus der Eisenkorrosion im Nahfeld. Dieser würde in der Auflockerungszone zu einem Verlust des H2-Gases führen. Dieser positiv wirkende Prozess wird bei der Beurteilung der Langzeitsicherheit nicht berücksichtigt, da die Auflockerungszone mit der Zeit wieder abgedichtet (siehe oben) und damit die mikrobielle Aktivität gestoppt wird.

c)

Gegenwärtig läuft im Felslabor Mont Terri das MA-Experiment (MA: Microbial Activity) mit folgenden Teil-Experimenten: Im „Bioreaktor“ wird untersucht, ob injiziertes H2 abgebaut wird (Sulfatreduktion und Methanogenese). Aus Felsproben und Formationswasser stammende Mikroben werden in verschiedenen Nährmedien kultiviert, mit dem Ziel, die metabolischen Fähigkeiten und die Vielfalt der vorhandenen mikrobiologischen Artengemeinschaft zu analysieren. Weiter werden die DNS-Analysen an Material aus Opalinustonproben weiter geführt, um festzustellen, welche Mikroben mit welchen metabolischen Eigenschaften im Opalinuston heimisch sind (Metagenomische Analyse). Auch die in sämtlichen Formationswasserproben des Mont Terri Felslabors gefundene DNS wird analysiert, um die vorhandenen Mikroben, heimisch und/oder eingeschleppt, den verschiedenen Arten zuzuordnen (Taxonomie) und so auch auf deren metabolische Fähigkeiten zurückzuschliessen.

Auch für die im Nahfeld eines SMA-Lagers vorhandenen organischen Stoffe (Kunststoffe (Ionentauscherharze, Bindemittel, etc.), Bitumen (Bindemittel), Zellulose („Kleenex“ von Laborarbeiten), Komplexbildner (Zement-Additive, etc.) sind mikrobielle Prozesse von Bedeutung. Dazu wurden Experimente zur Degradation verschiedener Stoffe durchgeführt (Bitumen, Ionentauscherharze, Zellulose). Weiter wurde die mikrobielle Aktivität unter den im SMA-Nahfeld vorhandenen, für mikrobielles Wachstum eher ungünstigen hoch-pH Bedingungen untersucht. Gegenwärtig findet ein erneuter Review zur Bedeutung der Mikroben für die Gasbildung durch die Degradation von Organika im Abfall und den Abbau von Gasen (Wasserstoff und eventuell Methan) statt.

Untersuchungen an Bentonit zeigten, dass ab einer Trockendichte von 1400kg/m2 eine mikrobiologische Aktivität unterdrückt wird, sehr wahrscheinlich wegen des zu engen Porenraums. Im Rahmen des kürzlich gestarteten Eisenkorrosionsexperiments in Bentonit (IC-A) wird dieses Ergebnis mit begleitenden mikrobiologischen Analysen überprüft.

Antwort zu erweiterter Teilfrage 81 c)

Die in der obigen Antwort zu Frage 81 c) aufgeführten Untersuchungen (nicht nur Felslabor Mont Terri!) dienen der Erarbeitung von Grundlagen zum Verständnis mikrobiologischer Prozesse und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers und sind auch für das Sachplanverfahren relevant. Auch wenn beim Sachplanverfahren der Schwerpunkt auf der Standortwahl und damit auf den geologischen Bedingungen liegt, ist die in dieser Antwort erwähnte Review der Bedeutung der Mikroben bei der Gasbildung durch die Degradation von Organika im Abfall für die zu führenden Sicherheitsanalysen von direkter Bedeutung und hat ergeben, dass die bisher verwendeten Gasbildungsraten zu hoch sind und deshalb auf der konservativen Seite liegen. Es gibt Hinweise, dass ein Grossteil der im Abfall vorhandenen Organika nicht abbaubar ist. Der in Experimenten im Felslabor Mont Terri beobachtete Abbau von H2 wird in der Zukunft ein neues Licht auf die Entwicklung von Gas in einem SMA Lager werfen, weil in dessen technischen Barrieren ein solcher Abbau auch stattfinden dürfte.

In der Sicherheitsanalyse werden gegenwärtig eventuelle mikrobiologische Einflüsse konservativ berücksichtigt. Beispielsweise wird die mikrobiologisch induzierte Gasbildung berücksichtigt, der Abbau von Gas (H2) dagegen vernachlässigt.

Die im Felslabor Mont Terri entwickelten Methoden zur Charakterisierung der Mikroben-Vielfalt und, wesentlich wichtiger, der metabolischen Fähigkeiten werden bei den dem Bau eines Tiefenlagers vorangehenden Untersuchungen des Wirtgesteins eingesetzt werden, um die Einflüsse der Mikrobiologie besser eingrenzen zu können.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Frage der Gasbildung im Sachplanverfahren (Standortwahl) keine übergeordnete Bedeutung hat, da für den Umgang mit Gas mehrere technische Möglichkeiten bestehen.

laufende Abklärungen:

Das Einbringen von Bentonit wird weiter optimiert und getestet (FE Experiment Felslabor MT), um die notwendige Trockendichte zu erreichen. Ein wichtiges Kriterium ist die Unterdrückung  mikrobiologischer Aktivität an der Behälteroberfläche (Anforderung siehe unter Antwort zu 81 b). Mikrobiologische Aktivität kann die Lebensdauer des Behälters verkürzen. Beim eventuellen Einsatz von mit Kupfer beschichteten Behältern könnte diese Kupferbeschichtung durch Sulfat-reduzierende Mikroben (Sulfid-Bildung) beschädigt/korrodiert werden, obwohl Sulfat nur in beschränkter Menge zur Verfügung steht (Diffusions-kontrollierte Nachlieferung).

Die Frage nach dem Plan B, wenn die mikrobiologischen Erwartungen in den Bentonit nicht erfüllt werden, kann wie folgt beantwortet werden:

Kupfer ist stark toxisch für Mikroben, was deren Wachstum verhindert. Das Wachstum resistenter Mikroben kann allerdings nicht völlig ausgeschlossen werden (Artenvielfalt, extreme Bedingungen). Eine Kupfer-Beschichtung wird in Betracht gezogen, um bei Bedarf die Gasbildung durch Stahlkorrosion zu unterbinden. Würden Mikroben an der Behälteroberfläche wachsen, würden sie als erstes den durch die Korrosion gebildeten Wasserstoff verzehren. Man kann also zwei Grenzszenarien unterscheiden:

  • Der Bentonit unterbindet Mikroben-Wachstum und somit eine mikrobiologisch induzierte Korrosion der Behälter
  • Sulfat-reduzierende Mikroben wachsen an der Behälteroberfläche. Der Wasserstoff wird verzehrt und es baut sich kein Gasdruck auf

Beide Fälle sind also günstig bezüglich Langzeitsicherheit. Bei der Verwendung von Stahlbehältern ist einzig die durch Mikroben beschleunigte Korrosion und die damit verbundene Verkürzung der Lebensdauer negativ zu bewerten. Eine etwas verkürzte Lebensdauer würde aber die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers nicht in Frage stellen, wie entsprechende Dosisberechnungen zeigen.