1. Wird in Schweizer Kernkraftwerken das Notkühlwasser vorgewärmt?
2. Wenn ja, in welchen?
Ja, im Kernkraftwerk Beznau (KKB) wird das Notkühlwasser im Borwasser-Vorratstank (BOTA) auf 30°C gehalten. Dies ist seit 1994 in den Technischen Spezifikationen festgehalten.
Das Notkühlwasser ist bei Druckwasserreaktoren (DWR) boriert und wird bei einem Kühlmittelverluststörfall in der Regel über den Primärkreislauf in den Reaktordruckbehälter eingespeist. Die Einspeisefunktion in den Reaktordruckbehälter wird durch Hoch- und/oder Niederdruckpumpen sowie durch die Druckspeicher der Sicherheitssysteme gewährleistet. Das Notkühlwasser wird im KKB im Borwasser-Vorratstank (BOTA) und im KKG in den Flutbehältern des Ringraumes vorgehalten. Bei den Siedewasserreaktoren (SWR) befindet sich das einzuspeisende Kühlmittel in den Kaltkondensatbehältern und in den Druckabbaubecken (im KKM-Torrus).
3. Wenn nein, gibt es Überlegungen, diese Praxis zu ändern?
Im KKB ist geplant, auch die Temperatur in den Druckspeichern auf 30°C zu halten. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Anträge der Betreiber an das ENSI, die bisherigen Festlegungen zu ändern.
4. Was steht in den Betriebsgenehmigungen über die Temperatur des Notkühlwassers?
Nichts, die Betriebsbewilligungen der Kernkraftwerke enthalten keine Angaben/Vorgaben für die Temperaturen des Notkühlwassers, aber die hinter der Bewilligung stehenden Dokumente, wie die Störfallnachweise (z. B. PTS-Analysen), die Teil des Sicherheitsberichts sind. Der Sicherheitsbericht ist Teil der Betriebsfreigabe sowie gemäss KEV durch die Aufsichtsbehörde (ENSI) freigabepflichtig.
Prinzipiell erachtet das ENSI die Vorwärmung des Notkühlwassers als eine geeignete Möglichkeit, die Auswirkungen einer starken ungleichmässigen Abkühlung der Wand des Reaktordruckbehälters (RDB) durch kalt eingespeistes Notkühlwasser zu reduzieren (Pressurized Thermal Shock).
Gemäss NRC-News Nr. 08-147 vom August 2008 sind die Siedewasserreaktoren nicht anfällig für den Pressurized-Thermal-Shock (PTS). Zum gleichen Ergebnis kommt das ENSI, weil die Nachweise genügend grosse Margen zeigen. Die Materialversprödung in einem SWR fällt konstruktiv bedingt (breiterer Wasserspalt zwischen Kern und RDB-Wand) gegenüber einem DWR deutlich geringer aus. Die Störfalltransienten haben beim SWR einen «milderen» Verlauf, weshalb dort kein PTS auftritt.
Die Überwachung erfolgt trotzdem wie bei den Druckwasserreaktoren.
5. Muss eine Änderung der Temperatur des Notkühlwassers beim ENSI beantragt und durch das ENSI genehmigt werden?
Ja, für das KKB ist die Temperatur des Notkühlwassers im BOTA in den Technischen Spezifikationen des KKB festgelegt.
Inhaltliche Änderungen der Technischen Spezifikation sind gemäss Artikel 40 KEV freigabepflichtig.
Änderungen der Temperatur des Notkühlwassers hätten auch eine Überprüfung der Störfallanalysen zur Folge, denen das ENSI zustimmen muss.