Frage 121: Quantifizierung Sicherheitsbeitrag der oberen Rahmengesteine bei den Standorten mit Wirtgestein Opalinuston
Neben dem Wirtgestein Opalinuston leisten auch die oberen Rahmengesteine (die Gesteins-Serie zwischen dem Opalinuston und dem ersten darüber liegenden regional wirksamen Aquifer) durch Ihr Rückhaltepotenzial einen zentralen Sicherheitsbeitrag. Dieser besteht einerseits aus einer zeitlichen Verzögerung des Durchbruchs von allen Radionukliden zum ersten oberliegenden Aquifer und anderseits aus einer zusätzlichen Adsorptionskapazität für die metallischen Radionuklide. Dieser wichtige Sicherheitsbeitrag der oberen Rahmengesteine wurde bisher noch nicht quantifiziert. Er soll basierend auf den bei Einreichung des Einengungsvorschlags in Etappe 2 SGT vorliegenden Daten für die Standortgebiete JO, JS, NL, ZNO und SR quantifiziert werden. Dabei soll als Vergleichsmassstab der Sicherheitsbeitrag von 40 Metern Opalinuston als 100% Rückhaltepotenzial definiert werden (40 Meter ungestörter Opalinuston liegen über dem Endlager).
Wie gross ist die zusätzliche Verzögerungszeit eines Durchbruchs von Radionukliden durch die oberen Rahmengesteine an den Standortgebieten JO, NL, ZNO und SR
Zusätzliche Adsorptionskapazität der oberen Rahmengesteine an den Standortgebieten JO, NL, ZNO und SR.
Für die sorbierenden Radionuklide ist die Bedeutung der oberen Rahmengesteine für die Verzögerung innerhalb des Betrachtungszeitraums von untergeordneter Bedeutung, weil diese Radionuklide schon innerhalb des Opalinustons praktisch vollständig zurückgehalten werden. Für die nicht-sorbierenden Radionuklide tragen die oberen Rahmengesteine je nach ihrer transportwirksamen Mächtigkeit deutlich zur Verzögerung der Freisetzung bei und haben damit für gewisse nicht allzu langlebige Isotope wegen deren Zerfalls einen deutlichen Einfluss auf die Freisetzung. Bei den SMA ist dieser zusätzliche Sicherheitseffekt der oberen Rahmengesteine sehr gross, bei den HAA immerhin noch deutlich erkennbar. Die Freisetzungsraten und resultierenden Dosen sind aber auch bei Vernachlässigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine wegen der guten Barrierenwirkung des Opalinustons in jedem Fall sehr tief und liegen weit unterhalb des Schutzkriteriums von 0.1 mSv/a und dem Optimierungsziel von 0.01 mSv/a.
a)
In den Dosisberechnungen für SGT-Etappe 2 wurde der Einfluss der oberen Rahmengesteine auf die berechneten Dosen untersucht. In den Rechenfällen mit dem Kürzel „…-mFE“ wurden die Rahmengesteine nicht berücksichtigt, in den anderen Rechenfällen schon (je nach Rechenfall mit anderen Annahmen zu den Rahmengesteinen bzw. zu den Nahfeldeigenschaften), vergleiche dazu die Darstellungen in NTB 14-01 bzw. in NTB 14-03. Für interne Zwecke wurden noch weitere Dosisberechnungen durchgeführt, die für die Beantwortung der Frage auch verwendet werden.
Gesamthaft kann festgehalten werden, dass die berechneten Dosen mit und ohne Rahmengesteine weit unterhalb dem Schutzkriterium (ENSI G03) und dem Optimierungsziel (StSV) liegen. Die Resultate der Berechnungen für die verschiedenen Standorte sind etwa vergleichbar mit Ausnahme von SR, wo auch im Referenzfall die Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine wegen ungenügender Überdeckung als vernachlässigbar eingestuft und deshalb nicht berücksichtigt wird.[1]
Für das SMA-Lager liegen die berechneten Dosen bei Berücksichtigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine für ZNO, NL und JO innerhalb des Betrachtungszeitraums deutlich unterhalb von 10-7 mSv/a; werden die Dosisberechnungen nach Ende des Betrachtungszeitraums betrachtet, liegen die Dosen etwa bei 10-7 mSv/a oder etwas darüber und der Zeitpunkt des Dosismaximums liegt bei rund 0.5 Mio. Jahren. Wird hingegen die Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine vernachlässigt, so ergeben sich für ZNO, NL und JO berechnete Dosen im Bereich von 10-6 mSv/a oder etwas darüber und der Zeitpunkt des Dosismaximums liegt bei rund 30’000 Jahren. Die Berücksichtigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine hat also einen deutlichen Einfluss auf die Dosis und ermöglicht insbesondere den weitgehenden Zerfall von C-14 (Halbwertszeit ~ 5’700 a), welches im Falle der Vernachlässigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine die Dosis dominiert. Die Berücksichtigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine führt zu einer Verschiebung des Dosismaximums von rund 30’000 Jahren auf rund 0.5 Mio. Jahre.
Für das HAA-Lager liegen die berechneten Dosen bei Berücksichtigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine für ZNO, NL und JO innerhalb des Betrachtungszeitraums bei rund 10-5 mSv/a; werden die Dosisberechnungen nach Ende des Betrachtungszeitraums betrachtet, liegen die Dosen etwa ein Faktor 2 höher und der Zeitpunkt des Dosismaximums liegt bei einigen Mio. Jahren. Wird hingegen die Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine vernachlässigt, so ergeben sich für ZNO, NL und JO berechnete Dosen im Bereich von rund 5 x 10-5 mSv/a oder etwas darüber und der Zeitpunkt des Dosismaximums liegt bei rund 0.5 Mio. Jahren. Die Berücksichtigung der Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine hat also für das HAA-Lager nur einen kleinen Einfluss auf die Dosis, führt aber zu einer zeitlichen Verzögerung der Freisetzung.
b)
Der Begriff „Adsorptionskapazität“ wird hier verstanden als der kombinierte Einfluss von Rückhaltung (Sorption), von transportwirksamer Porosität und von Mächtigkeit (wirksame Transportlänge) der betrachteten Schicht auf die Transportzeit von gelösten Stoffen; dabei sind die Sorption und die wirksame Transportlänge ausschlaggebend. Bezüglich Sorption ist insbesondere die Mineralogie der oberen Rahmengesteine zu berücksichtigen, wo sich die tonreichen Gesteinsabfolgen durch eine deutlich bessere Sorption als die tonarmen Gesteinsabfolgen auszeichnen (vgl. dazu z.B. NTB 14-03, Tabellen A.3.5-4). Dies kommt jedoch in den Transportrechnungen nicht zum Tragen, weil die sorbierenden Radionuklide alle schon praktisch vollständig im Opalinuston zurückgehalten werden, sodass die oberen Rahmengsteine innerhalb des Betrachtungszeitraums für diese Radionuklide nicht zur Barrierenwirkung beitragen können. Die oberen Rahmengesteine sind jedoch für die verzögerte (und für gewisse nicht allzu langlebige Radionuklide (insbesondere C-14) wegen deren Zerfalls deutlich reduzierte) Freisetzung der nicht-sorbierenden Radionuklide von Bedeutung, vgl. dazu die Beantwortung der Teilfrage a.
Rückmeldung des Fragestellers
Am 23. Oktober 2015 erhielt die Nagra vom Sekretariat TFS die folgende Rückmeldung vom Fragestellenden zur oben aufgeführten Antwort der Nagra:
„Die Teilfragen a und b wurden bezüglich der Verzögerungszeit eines Durchbruchs von Radionukliden durch die oberen Rahmengesteine und bezüglich Adsorptionskapazität generell beantwortet und gehen nicht weiter auf die einzelnen Standorte ein, bzw. die Antwort listet für die drei HAA Standorte jeweils die gleichen Zahlen auf. Auf SR wird, neben einer kurzen Erwähnung im Anhang, nicht mehr weiter eingegangen. Die Begründung der Nagra dafür ist, dass „Die Resultate der Berechnungen für die verschiedenen Standorte etwa vergleichbar sind“ und „dass die berechneten Dosen mit und ohne Rahmengesteine weit unterhalb des Schutzkriterium und des Optimierungsziel liegen“.
Hierzu sollte gesagt werden, dass der Opalinuston einen Grossteil des Sicherheitsbeitrages leistet, so dass es auch zu erwarten ist, dass die berechneten Dosen mit und ohne Rahmengesteine zwischen den Standorten vergleichbar sind. Genau aus diesem Grund sind jedoch die relativen Unterschiede zwischen den Standortregionen von Interesse da den Dosisberechnungen momentan konzeptionelle Modelle (Homogenität der Gesteine, hydraulische Durchlässigkeiten) zugrunde liegen und man die (feinen) Unterschiede nur von den unterschiedlichen Rahmengesteine erwarten kann.
Uns ist bewusst, dass beim momentanen Kenntnisstand eine abschliessende Antwort nicht erwartet werden kann. Die Antwort könnte daher insofern ergänzt werden, dass nicht alle in der Frage genannten Standortgebiete einzeln behandelt werden, sondern dass zusammenfassend differenziert wird, wie sich die geologischen Unterschiede westlich und östlich des unteren Aaretals auswirken:
Wesentliche Unterschiede zwischen den Rahmengesteinen Brauner Dogger & Effinger Schichten und Passwang-Fm bezüglich der Teilfragen a) und b). Beispielsweise können diese Unterschiede anhand von Radionuklide beleuchtet werden, welche durch das Wirtsgestein nicht so gut zurückgehalten werden (Jod, Kohlenstoff (C 14) und andere).
Darlegen, wie der Hauptrogenstein in die Berechnung eingeht. Ist dies die in der Fussnote 1 beschriebene Vorgehensweise mit der instant horizontalen Verteilung bis zur nächsten vertikalen Störung? Ergeben sich dadurch Unterschiede zu Standortgebieten, welche keinen dermassen grossen, regionalen Aquifer über den Rahmengesteinen haben?“
Antwort der Nagra auf die Rückmeldung
In Tabelle 121-1 ist der Beitrag der Rahmengesteine zur Radionuklid-Rückhaltung in den von den Fragestellern genannten Standortgebieten JO, NL, ZNO und SR zusammengestellt. Dabei wird jeweils von den Rechenfällen mit dem Kürzel „…-mFE“ ausgegangen, in denen die Rahmengesteine nicht berücksichtigt werden. Die Resultate dieser Rechenfälle werden dann verglichen mit den Resultaten von Rechenfällen, wo die Rahmengesteine schon berücksichtigt werden. Durch die Berücksichtigung der Rahmengesteine verschiebt sich das Dosismaximum im Vergleich zum Rechenfall mFE i.d.R. so stark, dass es erst nach Ende des Betrachtungszeitraums auftritt (siehe z.B. Figur 121-1). Deshalb sind in Tabelle 121-1 für die Rechenfälle mit Berücksichtigung der Rahmengesteine jeweils die Werte der maximalen Dosen innerhalb (iB) und ausserhalb (aB) des Betrachtungszeitraums angegeben[2]. Die Werte in den Kolonnen „Faktor“ in Tabelle 121-1 geben an, wie stark das Dosismaximum (bzw. der Zeitpunkt des Auftretens des Dosismaximums) bei Berücksichtigung der Rahmengesteine im Vergleich zum Rechenfall mFE (ohne Berücksichtigung der Rahmengesteine) geändert hat. Dabei ist zu beachten, dass zur Bewertung der Beiträge der Rahmengesteine das absolute Dosismaximum (unabhängig vom Zeitpunkt seines Auftretens) aussagekräftiger ist; deshalb wurden in den im TFS vom 21. August 2015 gezeigten Folien auch die entsprechend gewonnenen Faktoren aufgeführt.
Eine Analyse der Resultate in Tabelle 121-1 zeigt, dass für das SMA-Lager bei Berücksichtigung der Rahmengesteine das Dosismaximum um einen Faktor im Bereich von ca. 20 (JO) bis 45 (ZNO) reduziert wird. Diese bedeutende Reduktion ist auf den weitgehenden Zerfall von C-14 (Halbwertszeit ~ 5’700 a) beim Transport durch die Rahmengesteine zurückzuführen, welches im Falle der Vernachlässigung der Rahmengesteine die Dosis dominiert (siehe Kolonne „dosisdominierendes Radionuklid“).
Für das HAA-Lager wird das Dosismaximum bei Berücksichtigung der Rahmengesteine um ca. einen Faktor zwei reduziert. Diese im Vergleich mit dem SMA-Lager deutlich geringere Reduktion ist darauf zurückzuführen, dass beim HAA-Lager in allen Fällen das langlebige I-129 (Halbwertszeit ~ 16 Ma) das Dosismaximum bestimmt (siehe Kolonne „dosisdominierendes Radionuklid“). Die zeitliche Verzögerung des Radionuklid-Durchbruchs durch die Rahmengesteine ist sowohl beim SMA- als auch beim HAA-Lager bedeutend, wie die Figuren 121-1 bis 121-7 zeigen . Für den detaillierten Standortvergleich ist deshalb eine wirklichkeitsnahe Berücksichtigung der Rahmengesteine angebracht.
Berücksichtigung Hauptrogenstein in den Dosisberechnungen
In den Standortgebieten JO und JS wird der Hauptrogenstein wie die Kalke des Malms oberhalb der oberen Rahmengesteine in SR, ZNO und NL sowie der Muschelkalk im Liegenden als regionaler Tiefenaquifer betrachtet. In den Dosisberechnungen wird innerhalb dieser regionalen Aquifere keine Radionuklid-Rückhaltung angenommen; d.h. für Radionuklide, welche in die regionalen Aquifere freigesetzt werden, wird unterstellt, dass sie ohne zusätzliche Rückhaltung direkt in die Biosphäre gelangen.
Die Unterschiede in den berechneten Dosismaxima für das SMA-Lager in ZNO, NL und JO in Tabelle 121-1sind auf die für die in den verschiedenen Rechenfällen unterschiedlich lange angenommenen Freisetzungspfade in den Rahmengesteinen zurückzuführen.
In den Rechenfällen, wo von etwa gleich langen Radionuklidtransportpfaden nach oben und nach unten ausgegangen wird, liefern sie auch vergleichbare Beiträge zum Dosismaximum [3] .
Im Gegensatz dazu wird in den Rechenfällen mRS_RF in Tabelle 121-1 für die Standortgebiete NL und ZNO angenommen, dass die Radionuklidtransportpfade nach oben deutlich länger sind als diejenigen nach unten, so dass das dosisdominierende Radionuklid C-14 während dem Transport nach oben weitgehend zerfällt. Deshalb bestimmt hier der (deutlich kürzere) Radionuklidtransportpfad nach unten die berechneten Dosismaxima, und der Unterschied zwischen NL und ZNO ist auf die unterschiedliche Mächtigkeit des Tonigen Lias direkt unterhalb des Opalinustons zurückzuführen (NL: 27 m; ZNO: 32 m).
[1] Bei der Berechnung der Dosen wird angenommen, dass die Radionuklidfreisetzung sowohl über die regionalen Tiefenaquifere des Malms und Doggers (oberhalb der jeweiligen oberen Rahmengesteine) wie auch des Muschelkalks (unterhalb der unteren Rahmengesteine) erfolgt. Innerhalb dieser regionalen Tiefenaquifere wird keine Rückhaltung angenommen. Falls es innerhalb der durch die regionalen Tiefenaquifere abgegrenzten Gesteinsabfolgen höherdurchlässige Gesteinsschichten hat, wird angenommen, dass die Radionuklide instantan horizontal über diese Gesteinsschichten bis zu einer angenommenen vertikalen Störungszone in die regionalen Tiefenaquifere transportiert und von dort sofort in die Biosphäre freigesetzt werden. Bei den berechneten Dosen dominiert in gewissen Fällen der Pfad nach unten.
[2]Eine Ausnahme bildet das Standortgebiet Südranden, wo auch im Referenzfall die Barrierenwirkung der oberen Rahmengesteine wegen ungenügender Überdeckung als vernachlässigbar eingestuft und deshalb nicht berücksichtigt wird und wo deshalb das Dosismaximum immer innerhalb des Betrachtungszeitraums auftritt; vgl. Antwort zu Teilfrage a.
[3]In allen Rechenfällen mRS_RF in Tabelle 1 wird angenommen, dass der Arietenkalk unterhalb des Tonigen Lias ebenfalls einen „Kurzschluss“ zur Biosphäre darstellt (vgl. Fig. 6.1-1, 6.1-3, 6.1-5 und 6.1-7 für das SMA-Lager bzw. Fig. 6.2-1, 6.2-3 und 6.2-5 für das HAA-Lager in NTB 14-03).