Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 23: Reaktordruckbehälterdeckel Beznau

Beznau I ist ein Druckwasserreaktor (DWR), Westinghouse Design ca. 1965-1970.

Es ist bekannt dass bei allen anderen DWR mit diesem Design schon vor vielen Jahren die Deckel ersetzt werden mussten wegen Undichtigkeiten am Deckel bei den Kontroll-Stäbe-Führungen.

  • Was hat AXPO anders gemacht, dass bei Beznau I der Deckel erst nach 46 Jahren Betrieb ersetzt werde musste?
  • Welche Probleme führten AXPO jetzt (2015) dazu den Reaktor-Deckel zu ersetzen?

Die Aussage in der Präsentation/Fragebeantwortung von Dr. Oliver Köberl: „Die Reaktordruckbehälterdeckel (RDB) sind intakt. Auf Grund von Erfahrungen bei baugleichen Deckeln im Ausland werden sie – als vorsorgliche Massnahme – dennoch ersetzt.“ ist sehr eigenartig. Wer investiert Fr. 100 Mio. für etwas, das intakt (absolut in Ordnung) ist? S. dazu auch den Bericht im Nuclear Monitor 17.1.2003, auf Basis von „Westinghouse Service Information Report 1-71, BEZNAU I Reactor Vessel Head Defect, January 1971“

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Eingegangen am 22. September 2015 Fragende Instanz Guy Schrobiltgen
Status beantwortet
Beantwortet von ,

Beantwortet von Kernkraftwerk Beznau

Was hat AXPO anders gemacht, dass bei Beznau I der Deckel erst nach 46 Jahren Betrieb ersetzt werde musste?

Axpo war durch die weltweit aufgetretenen Probleme mit gleichen Deckeln bezüglich des Themas Primärwasser-Spannungsrisskorrosion (Primary Water Stess Corrosion Cracking, PWSCC) an den aus rostfreiem Material des Typs Inconel 600 gefertigten Deckeldurchführungen sensibilisiert. In einem Grundlagedokument zum KKB-Betriebsdauermanagement war deshalb auch der Deckelersatz auf Grund solcher eventuell auftretenden Probleme mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit enthalten. Bis zum Entscheid für den Deckelaustausch haben die periodischen Kontrollen aber keine Hinweise auf Spannungsrisskorrosion an den Regelstabdurchführungen ergeben.

Axpo ging damals davon aus, dass die im KKB praktizierte wasserchemische Fahrweise des Primärkreislaufes zu einem genügend negativen elektrochemischen Potential führt, so dass sich ausreichend schützende Oxidoberflächen gegenüber PWSCC bilden konnten und welches mit ein Grund dafür sein kann, dass bisher im KKB keine Indikationen aufgetreten waren. Auch im Vergleich mit anderen amerikanischen Anlagen bestätigte sich diese Vermutung, dass die im KKB optimal gefahrene Wasserchemie für das Nichtauftreten von PWSCC verantwortlich war.

Welche Probleme führten AXPO jetzt (2015) dazu den Reaktor-Deckel zu ersetzen?

Da ein Auftreten von PWSCC-Indikationen auch an den RDB-Deckeln nicht ausgeschlossen werden konnte, entschied sich die Axpo-Geschäftsleitung im Jahre 2008 aus unternehmerischen Gründen für einen proaktiven Austausch der RDB-Deckel.

Als zusätzliche Antwort zur Frage in der Bemerkung „Wer investiert Fr. 100 Mio. für etwas, das intakt (absolut in Ordnung) ist?“:

Da die Vorbereitungsarbeiten für einen Austausch von RDB-Deckeln mindestens 4 Jahre benötigen, wären die Kosten bei einer unvorbereiteten Austauschnotwendigkeit um ein Vielfaches höher gewesen als die investierten 100 Mio. CHF.

Die Spannungsrisskorrosion an den aus rostfreiem Inconel gefertigten Regelstabdurchführungen tritt dabei auf der Innenseite des RDB-Deckels auf, welche im Kontakt mit dem borsäurehaltigen Wasser und dem Druck des Primärkreislaufs steht. Sie hat keinen Bezug zum erwähnten Ereignis vom Januar 1971. Damals war wegen einer fehlerhaft hergestellten Schweissnaht an einem Regelstab-Antriebsstangengehäuse über dem Deckel borsäurehaltiges Wasser ausgetreten und von oben auf die Oberseite des Deckels gelangt. Diese Schweissnaht wurde damals repariert und war seither vollständig dicht.

Bei den neuen RDB-Deckeln wurde neben einer Reihe von kleineren Verbesserungen gemäss dem heutigen Stand der Technik vor allem die Schwachstelle Deckeldurchführungsnaht eliminiert. Zudem wurde das gegenüber PWSCC anfällige Material Inconel 600 durch das gegenüber PWSCC resistente Inconel 690 ersetzt.

Präsentation „Gründe für den Austausch der RDB-Deckel“ z.H. des Technischen Forums Kernkraftwerke vom 4.3.2016

Beantwortet von ENSI

Zusammenstellung Befunde, Leckagen, Massnahmen an Lippendichtschweissnähten CRDM KKB

Werk Jahr CRDM-Position Prüfmethode Lage Beschreibung Mögliche Ursache, Massnahmen
KKB 1 1970 11 VT untere LDS Leckage an Lippenschweissnaht (LDS),  9 Monate

Feststellung von ca. 120kg Borsäurepulver

Schaden im Grundwerkstoff des RDB-Deckels und Korrosionsgrube mit einer max. Tiefe von 40mm aufgrund Borsäurekorrosion mit einem Ablagerungsvolumen von 1 000 000 – 2 000 000 cm3

mittlere Leckrate: ca. 115 l/d

Ursache: fehlerhafte LDS

Massnahmen:

Reparatur der betroffenen LDS

Druckprobe bei T = 280 °C und p = 154 bar, um nachzuweisen, dass keine direkte Leckage durch den Reaktordeckel, entlang dem Durchführungsstutzen  Nr. 11 vorhanden war

Lackabzüge der Oberfläche der Korrosionsstelle, um festzustellen, ob das Korngefüge des Deckelmaterials an dieser Stelle angegriffen worden war

Entfernung der gesamten RDB-Deckel-Isolation, um festzustellen, ob sonst noch irgendwelche  Korrosionsstellen vorhanden waren

Untersuchung der Korrosionsstelle mittels Farbeindringprüfung um mögliche Rissbildungen aufzufinden

Visuelle Inspektion am Reaktordruckbehälter,  um festzustellen, ob Borsäure evtl. noch an anderen Stellen als auf dem Deckel Korrosionsschäden verursacht haben könnte

Ultraschallprüfung von aussen, um festzustellen, ob evtl. tiefer liegende  Korrosionsstellen im Deckelmaterial entlang dem Durchdringungsstutzen  Nr. 11 vorhanden waren

Untersuchung einer Metallprobe von der Korrosionsstelle, um metallurgische Veränderungen feststellen zu können

Chemische Analyse der in der Korrosionsstelle gefundenen Korrosionsprodukte

Festigkeitsberechnungen, um abzuklären, ob die reduzierte Wandstärke des Reaktordeckels bei der Korrosionsstelle den ASME-Code-Anforderungen noch entspricht

Einbau von vier Inspektionsfenstern für die visuelle Inspektion in die Ventilationsumkleidung auf dem RDB-Deckel

Visuelle Überwachung der Korrosionsstelle mittels Videokamera (temporär).

KKB 1 1973 3 VT untere LDS Leckage, 5 Wochen Ursache: fehlerhafte LDS

Reparatur der betroffenen LDS

KKB 2 1999 14, 15 VT, PT untere LDS Leckage, 14 Monate

Riss an einer Abschlusskappe der Reservedurchführung

ca. 15kg Borsäurepulver

mittlere Leckrate:  ca. 30 l/d

mögliche Ursache: IGSCC

Massnahmen:

·         Ersatz (1999) aller vier Abschlusskappen der Reservedurchführungen im KKB-2

·         Festlegung zur regelmässigen Kontrolle der oberen und unteren LDS

·         Ersatz (2000) aller vier Abschlusskappen der Reservedurchführungen im KKB-1

KKB 2 2007 25 VT obere LDS Leckage 1) mit einem Ablagerungsvolumen von weniger als 1cm3 mögliche Ursache: fehlerhafte LDS

Massnahmen:

·         Temporäre Online-Überwachung  mit zwei Videokameras

·         Monatliche Begehungen

·         Reparatur 2008 der betroffenen LDS mittels qualifiziertem Reparaturverfahren

KKB 1 2009 18, 19, 31 VT obere LDS Leckage 1) mit je. einem Ablagerungsvolumen von weniger als 1cm3 mögliche Ursache: fehlerhafte LDS

Massnahmen:

·         Monatliche Begehungen

·         Reparatur 2010 der betroffenen LDS mittels qualifiziertem  Reparaturverfahren

·         Verbesserung der Leckageerkennung, Leckagen ab 50 l/d können zuverlässig erfasst werden

KKB 1 2010 18, 19, 31, 32, 33 VT obere LDS Leckage 1) mit je. einem Ablagerungsvolumen von weniger als 1cm3 mögliche Ursache: fehlerhafte LDS

Massnahmen:

·         Reparatur 2010 aller betroffenen LDS mittels qualifiziertem Reparaturverfahren

·         Festlegung einer jährlichen visuellen Inspektion der  Deckeldurchführungen und aller LDS während der Revision

2, 24, 30 mittlere LDS Leckage 1) mit je. einem Ablagerungsvolumen von weniger als 1cm3
KKB 1 2015 Austausch RDB-Deckel
KKB 2 2015 Austausch RDB-Deckel

Übersicht Befunde und Massnahmen an den Lippendichtschweissnähten CRDM KKB

1) 1cm3 entspricht ca. 500ml Primärwasser bei einer Borkonzentration von 500ppm (1.5g Borsäure) gemäss EB 10-1001