Das Wirtgestein muss primär aufgrund guter Rückhalteeigenschaften, Langzeitbeständigkeit, usw. ausgewählt werden. Die einzulagernden Abfälle müssen dann den Eigenschaften des gewählten Wirtgesteins (Dichtigkeit, Geochemie, usw.) Rechnung tragen. Bei einem Tiefenlager muss das Gasproblem in erster Linie dadurch gelöst werden, dass möglichst keine Gas bildenden Stoffe ins Lager eingebracht werden beziehungsweise in diesem belassen werden; dies gilt insbesondere auch für die Stützmittel. Es gilt also der Grundsatz der Vermeidung von Gasentwicklung (siehe entsprechende Priorisierung auch bei den konventionellen Abfällen). Bei den SMA geht es um die Mineralisierung der Abfälle und bei den HAA um den Ersatz der Lagerbehälter aus Stahl durch solche aus anderen Materialien wie zum Beispiel Keramik. Der Einbau von EGTS (Engineered Gas Transport System) ist kritisch zu beurteilen, weil solche potenzielle Schwachstellen bilden. Im Deponiebau haben sich komplexe technische Lösungen immer wieder als Schwachstellen im Sicherheitssystem erwiesen.
Beantwortet von ENSI
a) Umgang mit Lagergasen
Der Fragesteller spricht die durch Korrosionsprozesse im Tiefenlager entstehenden, nicht radioaktiven Gase wie beispielsweise H2 an, das die Barriereneigenschaften des Wirtgesteins möglicherweise beeinträchtigen kann (z.B. durch die Schaffung neuer Wegsamkeiten).
Der Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager schreibt in Kriterium 2.3 Lagerbedingte Einflüsse vor, dass die Auswirkungen des Lagers auf das Wirtgestein zu beurteilen sind. Hier stehen insbesondere die Gasentwicklung der Abfälle, der Gastransport im Wirtgestein, thermisch-hydraulisch-mechanisch gekoppelte Prozesse, chemische Wechselwirkungen, Ausbildung der Auflockerungszone im Nahbereich der Untertagebauten, Reversibilität der Veränderungen, Selbstabdichtungsvermögen im Vordergrund.
Um die Auswirkungen von Lagergasen auf die Langzeitsicherheit zu begrenzen, können folgende Vorgehensweisen in Betracht gezogen werden:
Grundsätzliche Vermeidung oder Minimierung von gasproduzierenden Abfällen (beispielsweise durch vorgängige Verbrennung im Plasmaofen der ZWILAG)
Verwendung von geeigneten Materialien für Einbauten und Lagercontainern
Optimierung der Lagerauslegung (unter Berücksichtigung der technischen Machbarkeit)
Verwendung eines geeigneten Verfüllmaterials (Erhöhung des Speichervolumens für Gas) und Nachweis der genügenden Gasleitfähigkeit
Optimierung der Versiegelungen auf Gasdurchlässigkeit beispielsweise durch die Verwendung von Sand/Bentonitmischungen.
Eine Abschätzung der in Tiefenlagern produzierten Gasvolumen und ihrer Quellen ist in Tabelle 17-1 zusammengefasst. Der zeitliche Verlauf der berechneten Gasproduktion für ein SMA-Lager ist in der unteren Figur 17-1 abgebildet. Das produzierte CO2 wird grösstenteils in der Zementverfüllung gebunden (und vermindert dadurch den freien Porenraum).
b) Anforderungen an das Wirtgestein
Die systematische Analyse der lagerbedingten Einflüsse ist Teil der Sicherheitsnachweise für Tiefenlager. Zentral bei den sicherheitstechnischen Betrachtungen ist die Relevanz für die Langzeitsicherheit des Lagers. Günstig sind Wirtgesteine, bei welchen lagerinduzierte Prozesse zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Barrierenwirkung führen. Günstig sind Gesteine, die ein Selbstabdichtungsvermögen von Rissen und Klüften aufweisen.
Das ENSI stellt keine expliziten Anforderungen an das Wirtgestein hinsichtlich der Auswirkungen der Gasproduktion oder des Gastransports. Es bewertet vielmehr die operationelle wie die Langzeitsicherheit des gesamten Mehrfachbarrierensystems (Tiefenlager, inkl. technische Barrieren und Geosphäre). In diesem Sinne wird anhand des gewählten Wirtgesteins und dessen geomechanischen Eigenschaften, der Tiefenlage des Lagers geprüft, ob die durch die Gasproduktion hervorgerufenen Phänomene die Langzeitsicherheit nicht gefährden und ob die Auslegung und Dimensionierung des Tiefenlagers und der Versiegelungsbauwerke die Langzeitsicherheit gewährleisten können.
Für das ENSI stehen deshalb folgende Anforderungen an das Mehrfachbarrierensystem hinsichtlich der Auswirkungen der Gasproduktion und Gastransport im Vordergrund:
die Erhaltung der hydraulischen Barriereneigenschaften des Wirtgesteins, als auch der Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke
die Beschränkung der radiologischen Folgen (Auspressen von Porenwasser, Limitierung der Bildung neuer Wasserwegsamkeiten)
die Erhaltung des Schutzes der Abfallgebinde durch die Geosphäre und die Verschluss- oder Versiegelungsbauwerke
Eine vertiefte quantitative Analyse zum Thema „Lagergase“ wird in Etappe 2 im Rahmen der provisorischen Sicherheitsanalysen standortspezifisch erfolgen.