Technisches Forum Sicherheit

Frage 64: Umgang mit ungelösten Fragen beim Entsorgungsnachweis

Weshalb ist der Entsorgungsnachweis trotz ungelöster Fragen akzeptiert worden?

Obwohl der Bundesrat am 28. Juni 2006 den Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle akzeptiert hat, sind bis heute wichtige und vor allem sicherheitsrelevante technische Fragen unbeantwortet und es kamen und kommen laufend sogar neue dazu.

Der Entsorgungsnachweis wurde namentlich von der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK), der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen (KSA), der Kommission Nukleare Entsorgung (KNE) sowie der internationalen Expertengruppe der OECD / NEA geprüft.

Die Gutachten und Stellungnahmen enthalten zahlreiche Hinweise und rund 200 Empfehlungen. Die für die Sicherheit schwerwiegendsten ungelösten technischen Aspekte sind unter anderem:

  • Gasentwicklung
  • Wärmeentwicklung
  • Behältermaterial
  • Verschliessmechanismen Opalinuston
  • Einfluss des Lagerbaus (geophysischer Eingriff) auf das Verhalten des Tongesteins
  • Methodik der Überwachung
  • Rückholbarkeit
  • Auswirkungen möglicher glazialer Tiefenerosionen und anderer Naturereignisse auf ein Atommülllager
Thema Bereich
Eingegangen am 9. Februar 2012 Fragende Instanz SES
Status beantwortet
Beantwortet am 31. Mai 2012 Beantwortet von ,

Beantwortet von BFE

Ein Teil der von SES gestellten Frage ist gleichlautend mit der Interpellation 11.3278 von Geri Müller und der identischen Interpellation 11.3459 von Martin Bäumle. Die Antwort des BFE besteht aus Auszügen der Antwort des Bundesrats auf diese Vorstösse. Die Vorstösse mit den entsprechenden Antworten des Bundesrats befinden sich auf der Website des schweizerischen Parlaments.

Ende 2002 reichte die Nagra den Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle beim Bund ein. Das ENSI (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat), die KNE (Kommission Nukleare Entsorgung), die KNS (Eidgenössische Kommission für nukleare Sicherheit) sowie ein internationales Expertengremium der OECD/NEA kamen zum Gesamturteil, dass der geforderte Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle mit dem Projekt Opalinuston Zürcher Weinland erbracht ist. Sie formulierten verschiedene technische Fragestellungen, die im Hinblick auf die Realisierung eines Lagers näher zu untersuchen sind, jedoch die grundsätzliche Machbarkeit eines Tiefenlagers nicht infrage stellen. Der Bundesrat hat den Entsorgungsnachweis am 28. Juni 2006 gutgeheissen.

Mit seinem Entscheid zum Entsorgungsnachweis verfügte der Bundesrat, dass die Kernkraftwerksgesellschaften gleichzeitig mit dem Entsorgungsprogramm nach Artikel 32 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 (KEG; SR 732.1) einen Bericht zu unterbreiten haben, der alle in den Gutachten und Stellungnahmen von ENSI, KNE, KNS  und den OECD/NEA-Experten enthaltenen offenen Fragen, Hinweise und Empfehlungen systematisch erfasst und aufzeigt, wie diese im weiteren Verfahren zeit- und sachgerecht beantwortet werden. Die Nagra hat das Entsorgungsprogramm (Nagra Technischer Bericht NTB 08-01) und den Bericht zum Umgang mit den offenen Fragen aus dem Entsorgungsnachweis (Nagra Technischer Bericht NTB 08-02) den Bundesbehörden im Oktober 2008 eingereicht. Die Stellungnahmen von ENSI, BFE und KNS  zu beiden Berichten liegen vor und werden voraussichtlich im Mai 2012 publiziert. Danach werden sie – zusammen mit den Nagra-Berichten – öffentlich aufgelegt, bevor der Bundesrat darüber befindet.

Der Entsorgungsnachweis ist der Nachweis über die grundsätzliche Machbarkeit der Entsorgung radioaktiver Abfälle in einer bestimmten geologischen Schicht. Er ist weder eine atomrechtliche Bewilligung noch eine Standortwahl. Der Gesetzgeber wollte sich mit diesem Vorgehen frühzeitig vergewissern, dass eine spätere sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle grundsätzlich in der Schweiz gewährleistet ist. Der Entsorgungsnachweis ist ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg hin zur Realisierung von geologischen Tiefenlagern.

Referenzen

NTB 08-01: Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2008.

NTB 08-02: Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen in den Gutachten und Stellungnahmen zum Entsorgungsnachweis, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2008.

Beantwortet von ENSI

Ergänzung des ENSI:

Standortwahl, Bau, Betrieb, Überwachung und Verschluss eines geologischen Tiefenlagers ist ein über Jahrzehnte dauernder, schrittweiser Prozess. Im Rahmen des Auswahl- und Rahmenbewilligungsverfahrens sowie bei den danach folgenden Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren wird der Kenntnisstand stufenweise vertieft. In jedem Bewilligungsschritt findet eine sicherheitstechnische Begutachtung durch die Behörden statt.

Dieses Vorgehen erlaubt es, offene Fragen stufen- und zeitgerecht zu beantworten und neue Erkenntnisse zu nutzen. Aus diesem Grund muss der Entsorgungsnachweis nicht infrage gestellt werden.