Technisches Forum Sicherheit

Frage 159: Quellverhalten von Bentonit

Das Quellverhalten des Bentonits ist abhängig von der chemischen Zusammensetzung der Lösung, von der der Bentonit durchfeuchtet wird. Deshalb ist es wichtig, die chemische Zusammensetzung des Porenwassers so genau wie möglich zu bestimmen.

  1. Wie zuverlässig kann man den Zeitraum für den Prozess der Gesamtdurchfeuchtung, sowie des Quellens des Bentonits vorhersagen, der notwendig ist für eine optimale Abdichtung der Lagerbehälter sowie für die langfristige Stabilität der Lagerstollen durch den entstehenden Gegendruck? (Laut Vortrag von P. Bossart im Felslabor Mont Terri besteht so lange eine Gefahr, dass Radionuklide bei einem Leck wandern, bis die Auflockerungszone zugequollen ist.)
  2. In welcher Grössenordnung können zeitliche Differenzen beim Durchfeuchtungs- und Quellprozess aufgrund unterschiedlicher chemischer Zusammensetzungen des Porenwassers auftreten? Wie hoch ist der Unsicherheitsfaktor der Aussagen in Prozent? Wie genau lässt sich die chemische Zusammensetzung des Porenwassers bestimmen? Welcher Unsicherheitsfaktor bleibt?
Thema , Bereich
Eingegangen am 7. Februar 2022 Fragende Instanz FG Si ZNO
Status beantwortet
Beantwortet am 19. August 2022 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

Die Hauptaufgabe der Bentonitverfüllung im geologischen Tiefenlager für abgebrannte Brennelemente (BE) und hochaktive Abfälle (HAA) ist ein möglichst nachhaltiger Schutz der Tiefenlagerbehälter. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei das hohe Quellpotenzial und die tiefe hydraulische Leitfähigkeit des Bentonits. Über diese Eigenschaften verfügt das mit Porenwasser gesättigte Mineral Montmorillonit im Bentonit. Im Nahfeld eines geologischen Tiefenlagers entwickeln sich die thermo-hydraulischen Randbedingungen aufgrund der Wärmeentwicklung mit der Zeit. Für die Langzeitsicherheit ist es daher wichtig zu verstehen, ob die sicherheitsrelevanten Eigenschaften vom Bentonit über die Zeit bestehen bleiben (siehe auch Fig. 159-1).

Im aktuellen Konzept werden die Einlagerungstollen für die BE/HAA-Behälter mit vorgefertigten Tübbingelementen aus Beton ausgekleidet und mit einer tiefviskosen, zementbasierten Paste hinterfüllt. Die definitive Festlegung des Ausbaukonzepts untertags erfolgt erst mit der Einreichung des Baubewilligungsgesuchs. Während der Bauphase wird aus betrieblichen Gründen das Klima untertags auf einer Temperatur von ca. 28 °C und einer relativen Luftfeuchte von ca. 60 % gesenkt. Während dieser Lüftungsphase stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der Porenwasserdiffusion und der Evaporation ein, wobei die Evaporation so hoch ist, dass eine Teilentsättigung im unmittelbar angrenzenden Gebirge erwartet wird. Unmittelbar nach der Einlagerung der BE/HAA-Behälter auf einem Sockel aus gepressten Bentonitblöcken, wird der entsprechende Abschnitt des Einlagerungsstollens mit hochverdichtetem Bentonitgranulat verfüllt. Die relative Feuchte steigt nach dem Verfüllen schnell an, weil sich ein neues Gleichgewicht zwischen der Porenwasserdiffusion und der Evaporation einstellt. Die Sättigung des Nahfelds erfolgt radial: zuerst werden die teilentsättigten Bereiche im Gebirge wieder aufgesättigt, was zur Versiegelung der Auflockerungszone führt (in den ersten rund 10 – 20 Jahren nach Verfüllung). Danach wird der Bentonit in einem Zeitraum von ca. 100 – 200 Jahren aufgesättigt und entwickelt dabei einen Quelldruck von 4 bis 5 MPa. Sobald die relative Feuchte hoch genug ist, korrodiert der Behälter mit einer Rate von ca. 2 µm/a. Die Nagra rechnet mit einem Versagen der Behälter frühestens nach 10’000 Jahren. Sobald das Nahfeld gesättigt ist, herrschen isostatische Verhältnisse vor bzw. der hydrostatische Druck im Bentonit nähert sich dem „äusseren“ hydrostatischen Druck im Opalinuston an.

Figur 159-1: Überblick über die erwartete Entwicklung der wichtigsten Prozesse in einem Lager für hochaktive Abfälle auf Basis einer Zusammenstellung von Modellierungsberichten und experimentellen Daten (Nagra 2016).
Figur 159-1: Überblick über die erwartete Entwicklung der wichtigsten Prozesse in einem Lager für hochaktive Abfälle auf Basis einer Zusammenstellung von Modellierungsberichten und experimentellen Daten (Nagra 2016).

a)

Die Aufsättigungsgeschwindigkeit des Nahfelds wird von der hydraulischen Durchlässigkeit des Opalinustons bestimmt. Diese lässt sich ausreichend zuverlässig messen, die verbleibenden Ungewissheiten sind kleiner als eine Grössenordnung. Der oben genannte Zeitpunkt der Aufsättigung, für die Auflockerungszone rund 10 – 20 Jahre und für den Bentonit rund 100 – 200 Jahre nach der Verfüllung, lässt sich entsprechend zuverlässig vorhersagen (Nagra 2016).
Solange „trockene“ Verhältnisse im Nahfeld vorherrschen, kann der Behälter nicht oder nur sehr wenig korrodieren und entsprechend kann der Behälter auch nicht versagen. Deshalb, und aufgrund einer sicherheitsgerichteten Auslegung der Behälter, kann die Nagra mit dem sehr späten Versagen der Behälter frühestens nach 10’000 Jahren rechnen. Wird hypothetisch angenommen, dass der Behälter trotzdem versagt, dann würden die meisten Radionuklide nicht austreten können, weil kein Wasser für deren Transport aus dem Behälter vorhanden ist. Zu dem Zeitpunkt, ab dem mit einem Versagen der Behälter zu rechnen ist, wird erwartet, dass das Bentonitgranulat vollgesättigt und die Auflockerungszone hydraulisch ununterscheidbar vom ungestörten Opalinuston ist.

Mit dem gewählten Ausbaukonzept (Tübbinge) werden keine signifikanten Änderungen der Profile der Einlagerungstollen für die BE/HAA-Behälter erwartet. Zu dem Zeitpunkt, zu dem mit einem Nachlassen der Stützwirkung durch die Tübbinge gerechnet werden muss, ist der Bentonit bereits weitgehend gesättigt. Im Hinblick auf seine Stützwirkung ist der genaue Zeitpunkt der Sättigung des Bentonits jedoch wenig relevant, da das hochverdichtete Bentonitgranulat durch die Konvergenz des Gebirges selbst in un- oder teilgesättigtem Zustand nur noch wenig mehr komprimiert werden kann.

Mit Bezug auf die wahrzunehmenden Sicherheitsfunktionen ist das Quellverhalten des Bentonits also gut verstanden und das Lager so ausgelegt, dass das Auftreten der Prozesse zeitlich gestaffelt erfolgt. Auch wenn sich die Aufsättigung verzögern würde, hätte dies auf die Sicherheit des Lagers keinen negativen Einfluss. Denn je länger das Nahfeld trocken bleibt, desto später setzen die chemischen Prozesse ein, welche die Behälterlebensdauer beeinflussen.

 b)

Das Quellverhalten des Bentonits wird insofern durch die Porenwasserzusammensetzung beeinflusst, als dass sie den Quelldruck bestimmt, nicht aber die Quellrate. Die Quellrate des Bentonits wird vor allem von anderen Faktoren bestimmt, wie beispielweise durch das Oberfläche- zu Volumenverhältnis der einzelnen Pellets (Nagra 2019).

Figur 159-2 illustriert, dass sich der Quelldruck aber nur bei grossen Unterschieden in der Salinität des Porenwassers verändert.

Figur 159-2: Einfluss der Salinität der Porenwassers auf das Quellverhalten von Bentonit. Kompiliert mit Daten aus SKB TR-06-30.
Figur 159-2: Einfluss der Salinität des Porenwassers auf das Quellverhalten von Bentonit. Kompiliert mit Daten aus SKB (2006).

In den Tiefbohrungen der Etappe 3 SGT wurden in allen Standorten Salinitätswerte zwischen 0.1 und 0.4375 Mol/L gemessen (siehe z. B.  Nagra 2021, Nagra 2022). Ein Vergleich mit Figur 159-2 zeigt, dass die Salinität des Porenwassers sehr viel höher sein müsste als aktuell an den Standorten gemessen wurde, um einen messbaren Einfluss auf das Quellverhalten des Bentonits zu haben.

Die Zusammensetzung des Porenwassers im Opalinuston kann mit verschiedenen Methoden geprüft werden, die über die letzten 25 Jahre verfeinert wurden und heute genaue Aussagen erlauben (siehe z. B. Wersin et al. 2022). Die Porenwasserchemie kann deshalb in genügend hoher Genauigkeit vorausgesagt werden, d.h. die verbleibenden Ungewissheiten bezüglich der Variabilität der Porenwasserchemie für die Prüfung der Barrierenwirksamkeit des Bentonits sind klein. Die gesammelten Informationen aus der Tiefbohrkampagne lassen den Schluss zu, dass die standortbedingten Unterschiede in der Porenwasserzusammensetzung zu klein sind, um einen Unterschied im Verhalten und in den sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Bentonits zu bewirken.

Referenzen

Nagra (2016): High-level waste repository-induced effects. Nagra Technischer Bericht NTB 14-13.

Nagra (2019): Bentonite backfill performance in a high-level waste repository: a geochemical perspective. Nagra Technischer Bericht NTB 19-03.

Nagra (2021): TBO Bülach-1-1: Data report Dossier VIII Rock Properties, Porewater Characterisation and Natural Tracer Profiles. Nagra Arbeitsbericht NAB 20-08 VIII.

Nagra (2022): TBO Bözberg-1-1: Data Report Dossier VIII Rock Properties, Porewater Characterisation and Natural Tracer Profiles. Nagra Arbeitsbericht NAB 21-021 VIII.

SKB (2006): Mineralogy and sealing properties of various bentonite sand smectite-rich clay materials. SKB Technical Report TR-06-30.

Wersin, P., Mazurek, M., Gimmi, Th., (2022): Porewater chemistry of Opalinus Clay revisited: Findings from 25 years of data collection at the Mont Terri Rock Laboratory. Applied Geochemistry Vol. 138, March 2022, Art. 105234.