Bei den hochaktiven Abfällen (HAA – verbrauchte Brennelemente und verglaste Spaltproduktlösungen aus der Wiederaufarbeitung) stammt nahezu die gesamte Menge der produzierten Korrosionsgase von den Lagerbehältern aus (Kohlenstoff-) Stahl. Als Massnahme zur Reduktion der produzierten Gasmenge im HAA-Lager steht die Verwendung alternativer Behältermaterialien wie Kupferummantelung oder keramische Werkstoffe im Vordergrund.
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Im Rahmen des Behördenprojekts „Abfallbewirtschaftung im Vergleich“ (ENSI 33/188 Forschungsprogramm „Radioaktive Abfälle“ der Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung – Abfallbewirtschaftung im Vergleich) hat sich die Projektgruppe u. a. mit dem Thema alternativer Behältermaterialien für die geologische Tiefenlagerung hochaktiver Abfälle (HAA) auseinandergesetzt. Bezüglich der Anwendung keramischer Werkstoffe fand dazu ein Fachgespräch mit Experten der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt EMPA statt (T. Graule, J. Kübler, Labor für Hochleistungskeramik). Im Gespräch äusserten sich die Experten vorderhand vorsichtig bezüglich der Möglichkeit von keramischen Lagerbehältern für hochaktive Abfälle.
Die Entwicklung von keramischen Komponenten geht heute eher in Richtung „Funktionalität“ und weniger in Richtung „Struktur“. Dabei weisen keramische Werkstoffe im Vergleich zu Kohlenstoffstahl in Hinblick auf HAA-Lagerbehälter gewisse vorteilhafte Eigenschaften auf: Inertes Material, ähnliche Eigenschaften wie die Umgebung, wenige störende Wechselwirkungen mit der Umgebung, hohe Korrosionsbeständig, d. h. keine Produktion von Korrosionsgas im geologischen Tiefenlager, keine Widerverwertbarkeit des Materials bzw. geringer Materialwert. Gegen die Verwendung von Keramik als Lagerbehälter für BE/HAA sprechen insbesondere die hohen Herstellungskosten, die anspruchsvolle Fertigungs- und Fügetechnik (Verschluss), die fehlende plastische Deformierbarkeit und die geringe Schadenstoleranz auf lokale Spannungen bei der Herstellung. Die Experten sehen deshalb eher die Möglichkeit einer Kombination verschiedener Behältermaterialien – wobei Keramik eines dieser Materialien sein könnte.
Die Nagra ihrerseits hat bereits in den achziger Jahren beim Kernforschungszentrum Karlsruhe eine Studie zum unterkritischen Risswachstum in Keramik in Auftrag gegeben (Nagra Technische Berichte NTB 85-51, NTB 87-09 und NTB 89-13), denn damals war keramisches (Matrix-) Material für die Verfestigung hochaktiver Spaltproduktlösungen an internationalen Konferenzen immer ein bedeutendes Thema. Ferner hat das Lawrence Livermore National Laboratory in den neunziger Jahren umfassende Arbeiten zur Herstellung von keramischen Behältermaterialien für radioaktive Abfälle in den USA durchgeführt (Wilfinger 1994).
Der Projektbericht „Abfallbewirtschaftung im Vergleich“ schliesst mit der Empfehlung an die Entsorgungspflichtigen, die Arbeiten im Hinblick auf eine vertiefte Auswertung und sicherheitstechnische Beurteilung bezüglich der Verwendung von alternativen Materialien (dazu gehört auch Keramik bzw. keramische Verbundstoffe) bei der Herstellung von HAA-Lagerbehälter weiter zu führen und dabei die Bedingungen des schweizerischen Entsorgungskonzepts angemessen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der entsprechend zu planenden Untersuchungen sind im Entsorgungsprogramm 2016 durch die Entsorgungspflichtigen zu dokumentieren.
Referenzen
ENSI 33/188 Forschungsprogramm „Radioaktive Abfälle“ der Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung – Abfallbewirtschaftung im Vergleich
NTB 85-51: Determination of crack growth parameters of alumina in 4-point bending tests. T. Fett, K. Keller and D. Munz. Wettingen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle.
NTB 87-09: Subcritical crack growth in high-grade alumina for container applications. T. Fett, W. Hartlieb, K. Keller and D. Munz. Wettingen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle.
NTB 89-13: Subcritical crack growth in hot-isostatically postcompacted high-grade alumina. T. Fett, W. Hartlieb, K. Keller, D. Munz and W. Rieger. Wettingen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle.
Wilfinger, K. (1994). Ceramic Package Fabrication for YMP Nuclear Waste Disposal, Lawrence Livermore National Laboratory.