Die Lüftungsanlage eines Tiefenlagers hat verschiedene Ziele und Anforderungen zu erfüllen. Die wichtigsten Ziele im Normalbetrieb sind dabei die Sicherstellung von adäquaten Luft- und Temperaturbedingungen im Untergrund (Sauerstoffkonzentration, Entstaubung, Klimatisierung (Temperatur und Luftfeuchtigkeit)), die Vermeidung explosionsgefährdeter bzw. toxischer Gaskonzentrationen, die Unterdruckhaltung des Überwachungsbereichs sowie die Trennung der Lüftungsbereiche in einen konventionellen Bereich und den Überwachungs- respektive Einlagerungsbereich.
Bei Abweichungen vom Normalbetrieb – sogenannten Störfällen – muss das Lüftungssystem sicherstellen, dass die Flucht- und Interventionswege rauchfrei gehalten werden, und dass weder Rauch noch Aktivität in nicht betroffene Bereiche verschleppt werden (Isolation von Bränden durch Brandabschnitte).
Das im Bericht NAB 22-31 beschriebene Lüftungskonzept des Tiefenlagers zeigt eine beispielhafte, generische Umsetzung der Lüftung und deckt für das Rahmenbewilligungsgesuch den Normalbetrieb ab. Abweichungen vom Normalbetrieb sind in dieser Planungsphase konzeptuell zu berücksichtigen.
Im Normalbetrieb wird die Frischluft durch den Lüftungsschacht (2) angesaugt (Figur 175-1). Am Schachtfuss wird die Luftführung getrennt. Ein Teil der Frischluft belüftet den Überwachungsbereich (was dem Einlagerungsbereich entspricht), ein zweiter Teil den konventionellen Bereich des Tiefenlagers. Die Luft aus dem Überwachungsbereich wird über den Einlagerungsschacht, der dem Hauptzugang entspricht, (3) abgesaugt, diejenige des konventionellen Bereichs über den Bau- und Betriebsschacht (1).
Der Ausfall der Lüftungszentrale im Einlagerungsschacht ist ein Störfall (Abweichung vom Normalbetrieb). In diesem Fall kann die Abluft aus dem überwachten Bereich jederzeit über den Bau- und Betriebsschacht abgesaugt werden.
b)
Der Ausfall einer Lüftungszentrale und ein gleichzeitiger Störfall mit luftgetragener Radioaktivität sind zwei unabhängige und darum äusserst unwahrscheinliche Ereignisse. Das vorgestellte Lüftungskonzept verhindert in diesem Fall einen Austritt von Radioaktivität durch eine Abschottung des Einlagerungsbereichs (Abtrennung des betroffenen Einlagerungsbereichs analog einem Brandabschnitt). Die anwesenden, geschulten Personen flüchten mit Selbstrettern in den Zentralen Bereich, wo weiterhin die Frischluftversorgung zur Verfügung steht. Die Abschottung kann durch die Schleusensysteme und Brandschutztüren, welche bereits für die Trennung der Luftführung benötigt und installiert sind, realisiert werden.
Im konventionellen Bereich des Tiefenlagers finden gemäss aktueller Planung über die gesamte Dauer des Einlagerungsbetriebs Bautätigkeiten statt (Bau des HAA-Lagers sowie kontinuierliches Auffahren von HAA-Lagerstollen). Die Abluft aus diesem Bereich wird darum aufgrund der Baustellen verstaubt sein. Müsste ein Austritt von Radioaktivität verhindert werden, indem die Luft aus dem ganzen Tiefenlager über einen Bedarfsfilter im Bau- und Betriebsschacht geführt wird, bestünde die Gefahr, dass die Filteranlage infolge der verstaubten Luft aus dem konventionellen Bereich in kurzer Zeit verstopft wäre. Ein Ausfall des Filters und damit der Lüftungsanlage hätte zur Folge, dass gar keine Frischluftversorgung für das Tiefenlager mehr zur Verfügung stehen würde.
Referenzen
NAB 22-31: Lüftungs- und Kühlungskonzept geologisches Tiefenlager. Nagra Arbeitsbericht NAB 22-31, September 2022