b)
Das Kernenergiegesetz verlangt die dauerhafte Markierung der geologischen Tiefenlager [KEG, Art. 40, Abs. 7]. Der für die Dauer der Markierung betrachtete Zeitraum wird in den meisten wissenschaftlichen Studien auf 10 000 Jahre – was 300 Generationen entspricht – angesetzt [siehe u.a. G. Benford et al. 1991] und unterschiedlich begründet (weitere Literaturhinweise siehe die Referenzbibliographie des NEA/RK&M-Projektes und M. Buser (2010)). Die Kernenergieverordnung besagt, dass der Eigentümer des geologischen Tiefenlagers eine dauerhafte Markierung mit dessen Verschluss zu gewährleisten hat [KEV, Art. 69, Abs. 3c]. Der Verschluss eines geologischen Tiefenlagers wird erst in vielen Jahrzehnten aktuell. Laut der ENSI-Richtlinie hat der Eigentümer im Rahmen des Baugesuches für das geologische Tiefenlager ein Konzept für dessen dauerhafte Markierung vorzulegen [ENSI-G03, 2009]. Die Einreichung des Baugesuches für das HAA-Lager erfolgt gemäss dem Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen frühestens ab 2030, für das SMA-Lager frühestens ab 2025; der Zeitpunkt der Implementierung der Markierung (gemäss KEG bei Verschluss des Lagers) erst nach 2115 (HAA-Lager) bzw. nach 2100 (SMA-Lager), vgl. NTB 08-01, Fig. 5-1a bzw. b.
Die Thematik einer dauerhaften Markierung der geologischen Tiefenlager wird international in der sogenannten Nuklearsemiotik wissenschaftlich untersucht. Die Nagra engagiert sich diesbezüglich beim Radioactive Waste Management Committee (RWMC) der Nuclear Energy Agency (NEA) der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD): Sie bringt sich pro-aktiv beim internationalen Projekt Preservation of Records, Knowledge and Memory (RK&M) across generations ein und beteiligt sich. Eine erste Erkenntnis des laufenden Projektes ist, dass die dauerhafte Markierung des geologischen Tiefenlagers per se nur ein Instrument unter vielen ist, um den in der Kernenergieverordnung gesetzlich verankerten Informations- und Wissenstransfer an kommende Generationen nach dem Verschluss des geologischen Tiefenlagers zu gewährleisten [KEV Art. 27, 41 und 71]. Der dauerhafte Wissenserhalt über ein geologisches Tiefenlager kann verhindern, dass Menschen unbeabsichtigt in ein verschlossenes geologisches Tiefenlager eindringen (siehe Technisches Forum Entsorgungsnachweis (2005): Antwort der HSK und der Nagra auf die TFE-Frage 26). Zusätzlich zum Informations- und Wissenstransfer (inkl. Markierung) analysiert die Nagra die Bedeutung des unbeabsichtigten Anbohrens der geologischen Tiefenlager. Um die Konsequenzen eines solchen Anbohrens zu beschränken, verwendet die Nagra das Konzept der Kompartmentalisierung der Lagerkammern. Die Berechnungen mit der hypothetischen Annahme eines Anbohrens zeigen, dass die Konsequenzen damit wirkungsvoll beschränkt werden können (vgl. Entsorgungsnachweis, NTB 02-05).
Referenz:
Benford Gregory, Kirkwood Craig, Otway Harry, Pasqualetti Martin (1991): Ten Thousands Years of Solitude? On Inadvertent Intrusion into the Waste Isolation Pilot Project Repository, Los Alamos LA-12048-MS / DE 91 010299
Buser, Marcos (2010): Forschungsprogramm Radioaktive Abfälle, Literaturstudie zum Stand der Markierung von geologischen Tiefenlagern, erstellt im Auftrag des Bundesamts für Energie BFE.
ENSI-G03 (2009): Spezifische Auslegungsgrundsätze für geologische Tiefenlager und Anforderungen an den Sicherheitsnachweis, Richtlinie für die schweizerischen Kernanlagen
Nagra (2002): Project Opalinus Clay – Safety Report «Demonstration of Disposal feasibility for spent fuel, vitrified high-level waste and long-lived intermediate level waste (Entsorgungsnachweis)». Nagra Technical Report NTB 02-05. Nagra, Wettingen, Switzerland.
Nagra (2008): «Entsorgungsprogramm 2008 der Entsorgungspflichtigen». Nagra Technischer Bericht NTB 08-01. Nagra, Wettingen, Schweiz.
Technisches Forum Entsorgungsnachweis (2005): Thematisch gegliederte Antworten zu den im Technischen Forum diskutierten Fragen.
Preservation of Records, Knowledge and Memory (RK&M) Across Generations: A project of the OECD/NEA Radioactive Waste Management Committee (RWMC). Die aktuelle Referenzbibliographie ist im Internet unter http://www.oecd-nea.org/rwm/rkm/ zu finden.