Wie bereits in der Antwort zu den TFE-Fragen 2 und 4 erläutert, kann es nicht darum gehen, eine quantitative Prognose von geologischen Vorgängen zu erarbeiten, sondern aufgrund des aktuellen Kenntnisstands über die erdhistorische Vergangenheit ein Spektrum von möglichen Szenarien der geologischen Entwicklung einzugrenzen. Für die Projektphase einer Machbarkeitsstudie (Referenzprojekt „Entsorgungsnachweis“) wurde dies im Bericht zur Geosynthese (NTB 02-03) und vor allem im Referenzbericht (NTB 99-08) ausführlich dokumentiert. Selbstverständlich würden bei einer Weiterverfolgung des Projekts die neuen Erkenntnisse aus laufenden und künftigen Forschungen – einschliesslich der sich abzeichnenden Methoden der numerischen Modellierung – zur weiteren Eingrenzung des Szenarienspektrums verwendet.
Fluvioglazial übertiefte Talrinnen kommen im zentralen Mittelland und in den Alpenhaupttälern, nicht hingegen im Jura und im Hochrheintal unterhalb Schaffhausen vor. Sie entstanden gemäss weitgehender Übereinstimmung in der aktuellen Literatur wohl überwiegend in der grössten Eiszeit, welche nach zahlreichen Autoren (vgl. Schlüchter 1987: Talgenese im Quartär – eine Standortbestimmung, oder Schlüchter & Müller-Dick 1996: Das Eiszeitalter in der Schweiz) vor etwa 780’000 Jahren stattgefunden hatte. Seither wurde keine so tiefgreifende Eiszeit mehr registriert. Im Thurtal hat man bis anhin eine Übertiefung von knapp 280 m nachgewiesen (Aufzeitbohrungen zur Seismik 1991/92: NTB 94-14, Beilagen 5 und 6). Grössere Übertiefungen wurden im Interessensgebiet der Nagra in der Nordschweiz (Reflexionsseismik 1982 und 1991/92) bis anhin nicht gefunden; sie sind deshalb nicht zu erwarten. Das Sicherheitskonzept für den Entsorgungsnachweis, wie es im NTB 02-05 ausführlich dokumentiert ist, deckt die beobachteten Übertiefungsbeträge ab und trägt den Befunden in der Sicherheitsanalyse Rechnung.
Wichtige Überlegungen zur Schaffung (oder zur Anlage) dieser übertieften Rinnen sind:
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die glazialen Übertiefungen entstehen offensichtlich nicht im distalen Bereich des grössten Vorstosses (z.B. im Rheintal oder bei Möhlin), da in der kältesten Phase einer Eiszeit bei kalttrockenem Klima und tiefreichendem Permafrost für eine Tiefenerosion zu wenig subglaziales Schmelzwasser zu Verfügung steht (Habbe 1996: Überlegungen zum Bewegungsmechanismus vorstossender kaltzeitlicher Gletscher und zur glazialen Erosion und Übertiefung).
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die glazialen Übertiefungen der grössten Vergletscherung entstanden in allen Tälern des Mittellandes in vergleichbarer Distanz vom Maximalstadium im rückwärtigen Bereich (Beilage 2.6 in NTB 99-08). Es war dies offenbar ein Zeitpunkt, als die Gletscher im Zuge des Eisabbaues temperiert wurden, und sie im Mittelland (in einem Bereich, in dem eventuell schon vorher Seen mit leicht erodierbaren Seesedimenten existiert hatten), eine Position erreichten, in welcher sie über längere Zeit an Ort und Stelle oszillierend stagnierten. Zu jener Zeit war im eisfrei gewordenen Gletschervorfeld, d.h. im nördlichen Mittelland, im unteren Aaretal und im Hochrheintal, das nötige Vorflutniveau für die gewaltigen Schmelzwassermengen gegeben, und durch ebendiese Schmelzwässer wurden im selben Zeitraum die „Hochterrassen- Schotter“ als Rückzugsschotter der grössten Vergletscherung abgelagert.
Wesentliche Voraussetzungen, die in der Vergangenheit zu den übertieften Tälern geführt haben, sind im Zürcher Weinland bei Benken heute nicht erfüllt. Die Annahme einer im Betrachtungszeitraum der Sicherheitsanalyse die relevanten Eigenschaften der Geosphäre beeinträchtigenden Tiefenerosion ist daher nicht begründbar.
Bemerkung des Vertreters des Kantons Schaffhausen zur Antwort der Nagra auf Frage 24
Die in den Dokumenten zum Entsorgungsnachweis der Nagra gemachten Aussagen bezüglich der glazialen Tiefenerosion für das Zürcher Weinland (NTB 02-03) sind für die gegenwärtige Projektierungsphase ausreichend. Die Datengrundlagen der in der Frage angesprochenen Ergebnisse von neueren Untersuchungen sind noch nicht publiziert und konnten deshalb im Rahmen des Entsorgungsnachweises nicht in die Analyse der früheren und möglichen zukünftigen Entwicklung des Zürcher Weinlandes (Langzeitszenarien) seitens der Nagra einfliessen. Sobald die angesprochenen Untersuchungen offiziell reviewt und publiziert sind, wird sich die Nagra damit jedoch im Detail auseinander setzen müssen. Sie wird dies gemäss ihrer eigenen Aussage auch tun.