Bundesverwaltungs-Gericht widerspricht dem ENSI und dem Öffentlichkeits-Beauftragten

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI darf vom Kernkraftwerk Leibstadt nicht verlangen, dass es Emissionsdaten von Notfallmessgeräten nachträglich für die Veröffentlichung bereitstellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Das ENSI verfügt demnach nicht über die nötigen gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen, um die Emissionsdaten, die beim ENSI nicht archiviert werden, nochmals einzufordern. Das Bundesverwaltungsgericht hält zudem fest, dass an der Bekanntgabe der Daten kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. „Wir werden die Urteilsbegründung nun im Detail prüfen und wenn nötig unsere Praxis bei der Umsetzung des Öffentlichkeitsgesetzes daran anpassen“, erklärt Felix Altorfer, Leiter des Direktionsstabes beim ENSI.

Gesuch von Greenpeace vom November 2014

Mitte November 2014 hat die kernenergiekritische Organisation Greenpeace beim ENSI unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz um Zugang zu den Abluftdaten am Kamin des Kernkraftwerks Leibstadt für die Periode vom 1. Januar 2013 bis 1. November 2014 ersucht. Es handelt sich dabei um so genannte EMI-Daten, die für das ENSI während eines schweren Unfalls in einem Kernkraftwerk von Bedeutung sind. Das ENSI teilte damals Greenpeace mit, dass es nicht mehr über diese Daten verfüge und das Kernkraftwerk Leibstadt nicht bereit sei, diese nochmals zu liefern.

EMI-Daten

Die Messgeräte zur Erfassung von EMI-Daten sind darauf ausgelegt, während eines schweren Unfalls in einem Kernkraftwerk realistische Werte zu liefern. Deren inhaltliche Aussagekraft ist unter Normalbedingungen nicht gewährleistet. Die radioaktiven Abgaben im Normalbetrieb sind so gering, dass sie sich unterhalb der Minimalanzeigen der EMI-Messgeräte bewegen. Sie belegen im Normalbetrieb das Vorhandensein einer durchgehenden Abgabenüberüberwachung und Datenlieferung an das ENSI im Sinne einer Funktionskontrolle.

Ausserhalb des Notfallschutzes ist das ENSI für die laufende Aufsichtstätigkeit nicht darauf angewiesen, später nochmals auf die EMI-Daten zugreifen zu können. Deshalb werden die EMI-Daten ähnlich wie Daten aus der Videoüberwachung öffentlicher Räume vom ENSI weder ausgewertet noch archiviert.

Die Kraftwerkbetreiberinnen überwachen daneben kontinuierlich die Abluftemissionen (Edelgas-, lod- und Aerosol-Abgaben) mittels Probenahmen aus der Kaminfortluft und bilanzieren diese periodisch. Diese Daten werden vom ENSI monatlich auf der Website publiziert.

Zudem überwacht das ENSI automatisch und in Echtzeit die Radioaktivität in der Umgebung der Schweizer Kernkraftwerke unabhängig von den Betreiberinnen mit dem eigenen Messsystem MADUK und stellt diese Daten auf der eigenen Website der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Nach der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens empfahl der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte EDÖB im Oktober 2015, dass das ENSI die Daten beim KKL beschaffe und veröffentliche. Die Kernkraftwerk Leibstadt AG verlangte daraufhin eine anfechtbare Verfügung vom ENSI und gelangte mit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, das ihr nun vollumfänglich Recht gab.

Breites öffentliches Interesse verneint

Das Bundesverwaltungsgericht hielt in seinem Urteil fest, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der EMI-Daten, insbesondere an ihrer Publikation im Internet, als geringer einzustufen ist als das Interesse an ihrer Geheimhaltung. Es handle sich um Daten, die – wenn überhaupt – nur von beschränkter Aussagekraft seien, zumindest während des Normalbetriebs des KKL. Aus dem Umstand, dass bezüglich der EMI-Daten bereits mehrere Zugangsgesuche beim ENSI eingingen und diese Thematik in den Medien eine gewisse Resonanz fand, könne im Einzelfall nicht auf ein breites öffentliches Interesse an deren Publikation geschlossen werden.