57. Sitzung des Tiefenlager-Forums: An diesen Themen forscht das ENSI

Das ENSI betreibt zum Thema Entsorgung eigene Forschungsprojekte. Mit den Resultaten kann es seine Aufsicht unabhängig und nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik ausüben. Das ENSI engagiert sich gegenwärtig in 16 Forschungsprojekten zur Tiefenlagerung.

Derzeit ist das ENSI an 16 Forschungsprojekten zur Entsorgung radioaktiver Abfälle beteiligt. Neun der Projekte finden im Felslabor Mont Terri statt: Bei der 57. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit (TFS) im März 2024 gab das ENSI einen Überblick über seine aktuellen Forschungsprojekte im Bereich Entsorgung.

Forschung für die Aufsicht: Von den Beurteilungen im Sachplan zur Umsetzung der Tiefenlagerung

Der direkte Nutzen für die Aufsichtspraxis ist für die Wahl der Forschungsprojekte ausschlaggebend. Daher richtete das ENSI die wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich Entsorgung bisher insbesondere auf seine Beurteilungen im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager aus.

Felslabor Mont Terri im Jura: Schauplatz für über die Hälfte der aktuellen Forschungsprojekte zur Entsorgung radioaktiver Abfälle. (Bild: swisstopo)

Das ENSI gab unter anderem der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich eine Reihe von Forschungsarbeiten in Auftrag: In den letzten 20 Jahren wurden Schlüsselfragen zur bautechnischen Eignung des Opalinustons geklärt, wie Ingenieurgeologe Simon Löw am 57. Technischen Forum Sicherheit ausführte. Professor Löw steht auch der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung EGT vor. Die Expertengruppe berät das ENSI im Sachplan zu erdwissenschaftlichen und bautechnischen Fragen.

Im Hinblick auf eine allfällige Erteilung einer Rahmenbewilligung für das Tiefenlager und dem Ende der Standortsuche wird sich der Forschungsfokus des ENSI zukünftig auf die Realisierung des Tiefenlagers verschieben.

Entsorgungsfragen: Das sind die aktuellen Forschungsprojekte des ENSI

  • PF-/PF-A-Experiment im Felslabor Mont Terri
    Was bedeuten Störungszonen für den Bau von Stollen und Kavernen im Opalinuston? Die Experimente sind relevant für die Planung und den Bau eines geologischen Tiefenlagers für radioaktive Abfälle in tonhaltigen Gesteinen und die damit verbundene Langzeitsicherheit.
  • Stoffmodell für den Opalinuston
    Was passiert im Gestein, wenn darin Hohlräume aufgefahren werden? Ein Stoffmodell umfasst die fels­mechanischen und bautechnischen Parameter des Gesteins und ist wichtig für die Beurtei­lung des ENSI sowohl in Etappe 3 des Sachplans geologische Tiefenlager als auch in den weiteren Projektierungsphasen (Bau, Betrieb) eines geologischen Tiefenlagers.
  • PD-Experiment im Felslabor Mont Terri
    Was passiert strukturell, chemisch und mineralogisch in Störungen? Die darin ablaufenden Prozesse geben Hinweise darauf, welchen Störungen allenfalls beim Auffahren eines untertägigen Stollens ausgewichen werden soll, beziehungsweise wie sich die Störungen langfristig entwickeln.
  • Machine-Learning-Experiment im Felslabor Mont Terri
    Welche maschinellen Lernroutinen eignen sich, um digitale geologische Oberflächenaufnahmen wie 3D-Modelle und Orthofotos effizient auszuwerten? Mit einer automatisierten Erkennung von Brüchen und Gesteinsverformung in Tongestein können grosse Datenmengen aus dem Tiefenlager handhabbar gemacht werden.
  • SED-Erdbebenforschung zu Tiefenlager und Oberflächenanlagen
    Wie reagiert der Boden im Untergrund in Falle eines Erdbebens? Wird die freigesetzte Energie lokal abgedämpft oder aufgeschaukelt? Kann der Bau eines geologischen Tiefenlagers oder die langfristige Entwicklung im Lager Erdbeben auslösen? Die Ergebnisse sind relevant für die Gefährdungsbeurteilung bei Bau, Betrieb und Nachverschlussphase eines geologischen Tiefenlagers.
  • Stochastisch-mechanische Analyse geologischer Strukturen
    Wie könnte sich das in den Standortgebieten vorhandene Muster von Störungen im aktuellen Spannungsfeld der Nordschweiz langfristig weiterentwickeln? Eine in Paris für das ENSI erstellte Doktorarbeit hat gezeigt, dass die Ungewissheiten derartiger Modellierungen zurzeit noch zu ungenau sind, um echte Langzeitprognosen zur strukturellen Entwicklung zu erstellen.
  • Deckenschotter-Stratigraphie am Irchel in 4D
    Wie lassen sich anhand von vergangenen Erosionsprozessen langfristige Prognosen für das Einschneiden der Flüsse und Gletscher erstellen? Das Prozessverständnis zur Landschaftsentwicklung spielt für die Beurteilung der Langzeitsicher­heit geologischer Tiefenlager eine wichtige Rolle.
  • Datierungen von Sedimenten in glazial übertieften Tälern des Alpenvorlands
    Wann sind die Übertiefungen im nördlichen Alpenvorland, die teilweise bis unter Meeresniveau reichen, entstanden?Die Ergebnisse des Forschungsprojekts verbessern das Ver­ständnis über die Tiefenerosion von Gletschern und die Landschaftsdynamik, die einen Einfluss auf ein Tiefenlager haben könnte.
  • Modellierung eines Heizexperiments im Felslabor Mont Terri (FE-Experiment im Rahmen von DECOVALEX)
    Wie können die gekoppelten thermischen, hydraulischen und mechanischen Prozesse in geologischen Systemen modelliert werden? Welche Rechencodes und Modellkonzepte eignen sich besonders, um die Prozesse abbilden zu können? Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts DECOVALEX wurde das FE-Heizexperiment nachgerechnet. Die dazu verwendeten Modelle spielen im Rahmen des Sicherheitsnachweises eine Rolle und werden zur Beurteilung der Barrierenintegrität eingesetzt.
  • Hydromechanische Charakterisierung von In-situ-Störungen im Opalinuston (FS-B-Experiment und FS-E-Experiment im Felslabor Mont Terri)
    Wie verändert sich die hydraulische Durchlässigkeit von einer Störung über die Zeit, wenn sie durch einen erhöhten Porenwasserdruck aktiviert wird? Das Experiment soll klären, unter welchen Bedingungen eine Aktivierung möglich ist. Damit liefert es Grundlagen für die Beurteilung der Barrierenintegrität bei einem temperatur- oder gasbedingten Druckanstieg in einem Tiefenlager.
  • Wirksamkeit von Versiegelungsbauwerken (SW-A-Experiment im Felslabor Mont Terri)
    Welche hydromechanischen Prozesse laufen in Versiegelungsbauwerken ab und wie kann man diese Prozesse mit Computermodellen abbilden? Versiegelungsbauwerke sind wichtige Elemente für die Langzeitsicherheit. Durch Experimente auf Labor- bis In-situ-Skala wird das Verhalten der Siegelmaterialien über die Zeit untersucht und mit Computermodellen nachgebildet.
  • Gasbildung und -transport in Tongestein (GT-Experiment im Felslabor Mont Terri)
    Wie verhält sich Tongestein unter Gasdruck? Gasbildung führt zu einem Druckanstieg im Tiefenlager und der näheren Umgebung, was die Sicherheitsbarrieren beinträchtigen kann. Welche Gastransportmechanismen spielen im Opalinuston unter welchen Bedingungen eine wichtige Rolle?
  • Diffusion entlang eines thermischen Gradienten (DR-C-Experiment im Felslabor Mont Terri)
    Wie werden sich Radionuklide durch Bentonit und Opalinuston bei erhöhten Temperaturen ausbreiten? Die Erkenntnisse helfen, das Prozessverständnis zu vertiefen und die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers zu beurteilen.
  • BenVaSim 2
    Wie laufen die gekoppelten me­chanischen und hydraulischen Prozesse in Tongesteinen ab? Mit Simulationsberechnungen können standortbezogene Tiefenlagersystem-Analysen durchgeführt und die in Tiefenlagern ablaufenden Prozesse besser beurteilt werden.
  • Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf Deformationen (CD-A-Experiment im Felslabor Mont Terri)
    Welche Auswirkungen haben die gekoppelten me­chanischen und hydraulischen Prozesse im Opalinuston auf das Umfeld des Ausbruchs von Kavernen? Anhand von zwei parallelen Nischen mit unterschied­lichem Belüftungsregime wird untersucht, welchen Einfluss eine hohe oder niedrige Luftfeuchtig­keit auf die Deformation und die Stabilität des Opalinustons hat.

Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten liefert der jährliche Erfahrungs- und Forschungsbericht des ENSI.

Die Forschung rund um die Realisierung der geologischen Tiefenlagerung samt Verpackungsanlage ist einer der Schwerpunkte, die das ENSI gemäss seiner Forschungsstrategie umsetzt.

Die nächste TFS-Sitzung findet im Juni 2024 statt.

Das ist das Technische Forum Sicherheit

Im Technischen Forum Sicherheit werden technische und wissenschaftliche Fragen aus der Bevölkerung, von Gemeinden, Standortregionen, Organisationen, Kantonen und Gemeinwesen betroffener Nachbarstaaten zur Sicherheit eines Tiefenlagers und Geologie der Standortgebiete diskutiert und beantwortet.

Das Forum besteht aus Fachpersonen des verfahrensleitenden Bundesamts für Energie (BFE), der überprüfenden bzw. unterstützenden Behörden (ENSI, swisstopo), von Kommissionen (Kommission für nukleare Sicherheit KNS, Beirat Entsorgung, Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung EGT), der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Nagra, der Kantone, der Nachbarländer, sowie aus Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und den Standortregionen.