52. Sitzung des Tiefenlager-Forums: Phase der schnellen Erosion in der Nordschweiz weitgehend abgeschlossen

Erosionsprozesse sind für die Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers für radioaktive Abfälle entscheidend. Die Landschaftsformen der Nordschweiz deuten darauf hin, dass die Phase der schnellen Absenkung der Erosionsbasis nach der Flussumlenkung des Rheins weitgehend abgeschlossen ist. Dies erklärte Professor Fritz Schlunegger der Universität Bern anlässlich der 52. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit.

Am 15. September 2022 fand am ENSI-Sitz in Brugg die 52. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit (TFS) zur Beantwortung von Fragen rund um das geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle statt. Parallel zur Verabschiedung der Antworten zum Quellverhalten von Bentonit (TFS-Frage 159) und zur Verifizierung und Falsifizierung von Modellen (TFS-Frage 161) lag der Fokus dieser Sitzung auf dem Thema Erosion und Landschaftsentwicklung in der Nordschweiz (TFS-Frage 160). Zusammen mit den Aspekten Nutzungskonflikte, technische Barrieren, Grundwasser, Tektonik und Gastransport gehört der Aspekt der Erosion zum Themenblock der Langzeitsicherheit eines Tiefenlagers für radioaktive Abfälle.

Darum ist das Verstehen erosiver Prozesse bei der Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle wichtig

Die Erosion erfolgt hauptsächlich über das Gewässernetz, in Eiszeiten auch über die Gletscher. Sie steht in engem Zusammenhang mit den vertikalen Bewegungen des Untergrundes. Sich hebende Gebiete werden langfristig erodiert, während sich senkende Gebiete tendenziell aufgefüllt werden.

Auch wenn die Prozesse der Erosion in unserer Wahrnehmung meist sehr langsam ablaufen, können langfristig durch diese die das geologische Tiefenlager überdeckenden Schichten sukzessive abgetragen werden. Bei anhaltender Erosion würde so die schützende Gesteinshülle dünner, bis das Lager eines Tages freigelegt würde. Ein geologisches Tiefenlager muss langfristig vor Erosion geschützt sein und deshalb in Lagertiefen von mehreren hundert Metern unter der Erdoberfläche platziert werden.

Fritz Schlunegger, Professor am Institut für Geologie der Universität Bern und Mitglied der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung des ENSI, erklärte zur Erosion in der Nordschweiz: «Der Grund für die Umlenkung des Alpenrheins nach Westen, weg von der Donau in Richtung Nordsee, ist nicht im Detail bekannt. Diese Umlenkung hatte aber eine deutliche Verkürzung der Flusslänge zur Folge, und damit eine bedeutende Absenkung der Erosionsbasis im schweizerischen Mittelland und eine Ablenkung weiterer Flüsse. Das heutige Rheintal in der Schweiz wird langfristig breiter werden, der Rhein fliesst dabei aber über grössere Strecken innerhalb älterer Schotter, was darauf hindeutet, dass die Phase der schnellen Absenkung der Erosionsbasis als Folge der damaligen Umlenkung des Rheins weitgehend abgeschlossen ist.»

Auch die Gletscher als zweiter wichtiger Erosionsfaktor neben den Flüssen wurden von Professor Schlunegger angesprochen: «Die Erosionsleistung eines Gletschers nimmt mit der Eisdicke exponentiell zu. Deshalb führte der Wechsel des Klimas vor ungefähr 800 000 Jahren, als die alpinen Gletscher sehr dick wurden, zu einer deutlichen Zunahme der glazialen Erosion in den alpinen Tälern, insbesondere während der Eiszeiten und des Vorstosses der grossen Talgletscher. Mit diesen Vorstössen war eine Phase der Aufschotterung im Vorland verbunden, insbesondere auch in der Nordschweiz. Es erstaunt daher nicht, dass die Flüsse im Vorland bis heute mit ihrer Erosion die viel früher gebildeten und teilweise wieder mit Schottern aufgefüllten Täler noch nicht wieder ausgeräumt haben, sondern streckenweise noch ältere Schotter durchfliessen.»

Die 53. TFS-Sitzung findet Mitte November 2022 am Sitz des ENSI in Brugg statt.