Abstand Haupt- und Pilotlager für radioaktive Abfälle: so nah wie möglich, so weit wie nötig
Das Hauptlager darf gemessene Werte im Pilotlager nicht beeinflussen und die Messwerte müssen auf das Hauptlager übertragbar sein. Dies antwortet das ENSI auf eine Frage im Rahmen des 44. Technischen Forums Sicherheit für radioaktive Abfälle.
Ein geologisches Tiefenlager besteht aus einem Hauptlager zur Aufnahme der radioaktiven Abfälle und aus einem Pilotlager. Im Pilotlager überwachen Experten das Verhalten der Abfälle und des Wirtgesteins bis zum Ablauf der Beobachtungsphase. Die Verantwortlichen müssen die Distanz zwischen Pilotlager und Hauptlager genau evaluieren.
Pilotlager muss ausreichend weit von Hauptlager entfernt sein
«Um die gesetzliche Forderung nach der räumlichen und hydraulischen Trennung zu erfüllen, muss das Pilotlager in genügender Entfernung zum Hauptlager positioniert werden. Ziel ist, dass die im Pilotlager gemessenen Werte nicht vom Hauptlager beeinflusst sind», erklärt Felix Altorfer, Leiter der Abteilung Entsorgung beim ENSI. Das Pilotlager soll aber auch nicht zu weit entfernt liegen, damit die Messwerte auf das Hauptlager übertragbar sind. Dies wäre beispielsweise nicht gegeben, wenn die Eigenschaften des Gesteins im Pilotlager und im Hauptlager nicht vergleichbar wären.
Räumliche und hydraulische Trennung
Die räumliche Trennung ist nach Ansicht des ENSI nicht ausschliesslich eine Frage der Entfernung des Pilotlagers vom Hauptlager. «Räumlich getrennt» bedeutet, dass:
• die Verfüllung und der Teilverschluss von Pilot- und Hauptlager unabhängig voneinander erfolgen können, z. B zu verschiedenen Zeitpunkten,
• der Zutritt zu den getrennten Bereichen ganz oder teilweise unterschiedlich gesichert werden kann,
• Störfälle im Pilotlager (z. B. Brand) die Betriebs- und Langzeitsicherheit des geologischen Tiefenlagers nicht beeinträchtigen und umgekehrt,
• Keine Substanzen aus dem Hauptlager in das Pilotlager gelangen können und umgekehrt (z. B. durch Diffusion).
«Hydraulisch getrennt» bedeutet, dass die durch Tätigkeiten im Hauptlager und Pilotlager während des Baus, Betriebs und während der Beobachtungsphase bis zum Verschluss hervorgerufenen hydraulischen Prozesse sich nicht überlagern. Hydraulische Signale sind z.B.
• Änderungen des Porenwasserdrucks,
• daraus resultierende Verformungen (thermisch-hydraulisch-mechanische Kopplung),
• Wasseraustritte, z. B. durch die Schaffung neuer Wasserwegsamkeiten.
Tätigkeiten im Pilotlager dürfen Hauptlager nicht beeinträchtigen
«Wichtig ist zudem, dass Tätigkeiten im Pilotlager das Hauptlager sicherheitstechnisch nicht beeinträchtigen und umgekehrt», fügt Felix Altorfer hinzu. Tätigkeiten sind beispielsweise Ankerbohrungen, um die Stollenwände zu sichern, oder das Einsetzen von Messinstrumenten. Dies hält das ENSI als Antwort auf die Frage 151 im Rahmen der 44. Sitzung des Technischen Forums Sicherheit für radioaktive Abfälle in der Schweiz fest.
Der effektive Abstand zwischen Pilotlager und Hauptlager wird von der Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) im Baubewilligungsgesuch festgelegt. Sie berücksichtigt dabei die standortspezifischen Gegebenheiten und auslegungsspezifischen Bedingungen.
Am 10. September 2020 tagte das 44. Technische Forum Sicherheit Coronavirus-bedingt zum ersten Mal per Videokonferenz. Es wurde dabei unter anderem die Frage 151 «Räumliche und hydraulische Trennung des Pilotlagers vom Hauptlager» mündlich beantwortet.