Technisches Forum Sicherheit

Frage 79: Gefahren Betriebsphase

Die Langzeitsicherheit beruht auf verschiedenen Sicherheitsbarrieren. Deren Funktionsweise ist abhängig davon, wie diese während dem Bau und dem Betrieb eines Tiefenlagers angelegt (im Fall von der Verpackung und der Verfüllung) oder verletzt bzw. geschwächt (im Falle des Wirtgesteins) wurden.

  1. Inwiefern sind Gefahren während Bau, Betriebsphase und Verschluss auf die unmittelbare, aber auch auf die Langzeitsicherheit geprüft worden?
  2. Welche sind das?
  3. Werden Vorkehrungen getroffen um solche Gefahren zu vermeiden?
Thema , , Bereich |
Eingegangen am 16. Juni 2012 Fragende Instanz SES
Status beantwortet
Beantwortet am 18. September 2013 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

a)

Die Gefährdungen während Bau, Betrieb und Verschluss der geologischen Tiefenlager und deren mögliche Auswirkungen auf die Betriebssicherheit und auf die Langzeitsicherheit wurden untersucht. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Natur kommen für die Erfassung dieser Gefährdungen verschiedene Methoden zur Anwendung. Für die Betriebssicherheit werden Störfallkataloge für die Erfassung der Gefährdungen verwendet, für die Bauphase werden bei der bautechnischen Risikoanalyse häufig Gefährdungsbilder verwendet und für die Langzeitsicherheit werden die Analysefälle anhand einer Szenarienanalyse erfasst. Die Auswirkungen der relevanten Gefährdungen werden dann im Rahmen von Konsequenzenanalysen bestimmt. Die entsprechenden Untersuchungen wurden durch die Nagra im Rahmen der verschiedenen Meilensteinprojekte durchgeführt, wie z.B. im Rahmen des Entsorgungsnachweises. Die Erfahrungen daraus werden auch bei der Erarbeitung von Vorschlägen im Rahmen des Sachplans geologische Tiefenlager berücksichtigt.

Für SGT Etappe 1 lag der Schwerpunkt auf der tiefen Geologie und der Langzeitsicherheit. Dazu wurde auch der Einfluss von Bau und Betrieb auf die Langzeit explizit berücksichtigt (z.B. maximale Tiefenlage zur Gewährleistung der bautechnischen Machbarkeit ohne unzulässige Beeinträchtigung der Langzeitsicherheit, Einfluss der Auflockerungszone auf die Langzeitsicherheit, grundsätzliche Machbarkeit der Zugänge nach Untertag, etc.). Die dazu relevanten Merkmale wurden über Kriterien und Indikatoren erfasst.

Auch für die Erarbeitung der Vorschläge von Standortarealen für die Oberflächenanlage für SGT Etappe 2 wurde den möglichen Gefährdungen ein grosses Gewicht gegeben, und es wurde ein breites Spektrum an Gefährdungen berücksichtigt. Diese wurden aufgeteilt in Gefährdungen, die bei der Wahl der Standortareale zu berücksichtigen sind (unter Berücksichtigung des zugehörigen Standortgebiets/Lagerperimeter zur Beurteilung der Sicherheit und Machbarkeit des Zugangs nach Untertag) und in Gefährdungen, die bei der Anlagenauslegung zu berücksichtigen sind.

b)

Gefährdungen während der Bauphase

Für SGT Etappe 1 wurde der Einfluss des Baus des Lagers auf die Langzeitsicherheit berücksichtigt (maximale Tiefenlage zur Gewährleistung der bautechnischen Machbarkeit ohne unzulässige Beeinträchtigung der Langzeitsicherheit (Stabilität, Auflockerung, Einfluss des Ausbaus der Lagerkammern, etc.), Einfluss der Auflockerungszone auf die Langzeitsicherheit, etc.).

Für die Vorbereitung der Vorschläge der Standortareale für die Oberflächenanlage für SGT Etappe 2 wurde im Rahmen von Überlegungen zu den bautechnischen Risiken in Anlehnung an die SIA-Empfehlung 199 die möglichen Gefährdungsbilder für den Bau der Zugänge nach Untertag analysiert. Ausgehend von den übergeordneten Gefährdungen „Gebirge (Standsicherheit, …)“; „Wasser (Wassereinbruch, …)“, inkl. Beachtung von Auswirkungen auch auf die Umgebung; „Wasser, inkl. Gebirge (Quellen, …)“; „Gas“ und „Weitere Gefährdungen“ wurden bei der Festlegung der Vorschläge für Standortareale ungünstige geologische Bedingungen in der oberflächennahen Geologie (Beeinflussung Grundwasser, Setzungen, etc.) und in der tiefen Geologie (z.B. Meidung der Querung von übertieften Quartärrinnen, Meidung von Gesteinsschichten mit erheblichem Quellpotenzial ) berücksichtigt. Weiter wurden die Gefährdungsbilder „Wassereinbruch“, „dauernder Wasseranfall“, „Beeinträchtigung von Gewässer und Grundwasser“ sowie „fliessendes Gebirge (Schlammeinbruch, Mobilisierung von Hohlraumfüllungen)“ als kritisch identifiziert und in den laufenden Projekten berücksichtigt. Diese Gefährdungsbilder werden auch im Rahmen der vom ENSI verlangten bautechnischen Risikoanalyse (ENSI 33/170, 2013) vertieft betrachtet, evtl. unter Einbezug weiterer Gefährdungsbilder. In diese Risikoanalyse ist auch der Einfluss von Bau und Betrieb auf die Langzeitsicherheit zu untersuchen.

Gefährdungen während des Betriebs

Für die Sicherheit des Betriebs werden Störfallkataloge verwendet, die häufig in „Einwirkungen von aussen“, „Einwirkungen von innen“ und in „Einwirkungen Dritter“ gegliedert werden. Die „Einwirkungen Dritter“ betreffen Sabotage u.ä. und wird durch die entsprechenden behördlichen Vorgaben geregelt (UVEK-VO, BFE-Richtlinie, etc.). Für die Erarbeitung der Vorschläge für Standortareale als Teil von SGT Etappe 2 wurden die „Einwirkungen von aussen“ aufgeteilt in Gefährdungen, die bei der Wahl der Standortareale zu berücksichtigen sind und in Gefährdungen, die bei der Auslegung der Anlage und der Betriebsabläufe und bei der Festlegung der Anforderungen an die Abfälle zu berücksichtigen sind.

Die für die Festlegung der Standortareale berücksichtigten „Einwirkungen von aussen“ umfassen:

  • Potenzial für grosse Überflutungen (inkl. Auswirkungen des Versagens von Talsperren), evtl. auch verbunden mit erheblicher Erosion bzw. Feststofftransport
  • Militäranlagen mit grossem Gefahrenpotenzial
  • nicht verlegbare Hochdruck-Gasleitungen in unmittelbarer Nähe des Standortareals
  • potenziell aktive regionale Störungszonen, die im Falle sehr schwerer Erdbeben zu Verschiebungen an der Erdoberfläche („surface rupturing“)führen könnten
  • Situationen mit dem Potenzial für grossräumige geotechnische Instabilitäten (grossräumige Rutschungen, etc.)

Bei der Auslegung der Anlage und der Betriebsabläufe sind bzgl. der „Einwirkungen von aussen“ zu berücksichtigen:

  • Meteorologische Ereignisse (Blitz, Wind/Sturm/Tornados, Hagel, extremer Niederschlag, etc.)
  • Hydrologische Ereignisse (Überflutung und Ufererosion (verschiedene Ursachen), Grundwasseranstieg, etc.)
  • Ereignisse ausgelöst durch Geologie, Baugrundeigenschaften und Erdbeben (Erschütterungen, Bodensetzung, Bodenverflüssigung, Flussbettverlagerung, Erdrutsch / Hangrutsch / Murgang / Steinschlag)
  • Waldbrand
  • Flugzeug-, Helikopterabsturz
  • Explosion bzw. Brand (z. B. Pipeline-Unfall, Unfall in Industrieanlage)
  • von einem Unfall auf dem öffentlichem Verkehrsnetz betroffener explosiver/brennbarer Gefahrguttransport
  • hochfrequente elektromagnetische Interferenzen
  • Ausfall externer Ver- bzw. Entsorgungssysteme

Bei der Auslegung der Anlage und der Betriebsabläufe sind bzgl. der „Einwirkungen von innen“ unter Berücksichtigung von menschlichen Fehlhandlungen und Fehlfunktionen von Einrichtungen zu berücksichtigen:

  • Absturz eines Abfallgebindes bzw. Brennelements oder Aufprall einer Last in der Umladezelle
  • Aufprall einer Last auf einen mit Abfällen bzw. Endlagerbehältern beladenen externen bzw. internen Transportbehälters
  • Brand in einem Fahrzeug
  • Aufprall eines Endlagerbehälters bei der Einlagerung in die Lagerkammer
  • Überflutung durch Havarie eines wasserführenden Systems

Einfluss von Bau und Betrieb auf die Langzeitsicherheit

Zur Erfassung des Einflusses von Bau und Betrieb auf die Langzeitsicherheit wurden untersucht:

  • Auswirkungen von Bau, Betrieb und Verschluss auf die Lagerkammern, unter Berücksichtigung der Zugänge (inkl. Versiegelung)
  • Einfluss von Herstellung, Beladung, Verschluss und Einlagerung der Endlagerbehälter
  • Herstellung und Einbringen von Verfüll- und Versiegelungsmaterial

c)

Bau

So weit möglich und sinnvoll, werden die Gefährdungen gemieden. Bezüglich Bau werden sehr ungünstige geologische Bedingungen gemieden (grosse Tiefenlage für Lagerkammern, sehr ungünstige Gesteinsschichten(Festigkeit, Quellverhalten, etc.) bzw. Strukturen (Festigkeit, …) für den Zugang nach Untertag). Dies hat einen direkten Einfluss auf die Abgrenzung der sogenannten untertägigen Lagerperimeter und die vorzuschlagenden Standortareale. Die anderen Gefährdungen werden beim Bauvorgang bzw. bei der Auslegung des Bauwerks berücksichtigt (geotechnische Bedingungen (Spannungen, Festigkeiten, Verformungsverhalten, etc.), Wasserzutritt, Gaszutritt, etc. (vergleiche auch Aussagen zu Teilfrage b)). Zum jetzigen Zeitpunkt werden vor allem diejenigen Gefährdungen betrachtet, die einen Einfluss auf die jetzt anstehenden Entscheide haben (Festlegung der in Etappe 3 weiter zu untersuchenden Standortgebiete und zugehörige Standortareale); Details werden in einer späteren Phase behandelt.

Betrieb

Auch hier werden so weit möglich und sinnvoll die für die Sicherheit relevanten Gefährdungen gemieden, vergleiche dazu die Antwort auf Teilfrage b). Für den Betrieb der Anlage Untertag kommen auch die Faktoren wie oben unter Bau erwähnt zum Tragen. Die anderen Gefährdungen werden bei der Auslegung der Anlage (inkl. der technischen Installationen) und dem Betriebsablauf berücksichtigt. Zum jetzigen Zeitpunkt werden vor allem diejenigen Gefährdungen betrachtet, die einen Einfluss auf die jetzt anstehenden Entscheide haben (grundsätzliche Machbarkeit und Gewährleistung der Sicherheit); Details werden in einer späteren Phase behandelt. Die vorgesehenen Massnahmen zur Reduktion der Auswirkungen als Folge der Einwirkungen von aussen bzw. von innen betreffen den Widerstand der Gebäudestrukturen, der Behälter und Abfallgebinde zum Schutz des Einschlusses der radioaktiven Abfälle und der sicherheitsrelevanten Systeme bzw. Rückhaltung von radioaktiven Stoffen innerhalb Anlage (insbesondere in der Umladezelle).

Auswirkungen von Bau, Betrieb und Verschluss auf die Langzeitsicherheit

Bezüglich der Auswirkungen von Bau, Betrieb und Verschluss auf die Langzeitsicherheit werden bzgl. der Lagerkammern und ihrer direkten Zugänge für den Bau grundsätzlich die schon oben erwähnten Faktoren berücksichtigt (Spannungen, Festigkeiten, Verformungsverhalten, Bauvorgang, Möglichkeiten bzgl. Ausbau der Lagerkammern), welche direkt bei der Abgrenzung der Lagerperimeter berücksichtigt werden. Das heisst, dass auch hier die Gefährdungen zumindest in starker Ausprägung soweit notwendig und sinnvoll gemieden werden, sonst werden sie in der Auslegung berücksichtigt. Die Bedeutung der vor allem aus dem Bau der Lagerkammern resultierenden Auflockerungszone sowie der Einfluss von Ausbaumaterial (z.B. Spritzbeton) wurden vertieft untersucht. Diese Untersuchungen zeigen klar, dass bei einer geeigneten Auslegung des Lagers sowohl die Bedeutung der Auflockerungszone als auch der Einfluss von Ausbaumaterial beschränkt ist.

Bei der Herstellung, der Beladung, dem Verschluss und der Einlagerung der Endlagerbehälter wird durch eine geeignete Auslegung und durch einen geeigneten Betriebsablauf (inkl. umfangreiche Prüfungen) sichergestellt, dass die Endlagerbehälter qualitativ einwandfrei eingelagert sind. Durch vorgängige umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wird sichergestellt, dass die Wahl des Behältermaterials und die Auslegung der Behälter (inkl. Herstellungs- und Verschlussprozess (inkl. Prüfung)) geeignet ist. Die Bedeutung der Behältereigenschaften (Zeitdauer des vollständigen Einschlusses, initialer kleiner Defekt) wurde untersucht (vgl. z.B. Entsorgungsnachweis). In der Antwort zu TFS-Frage 51 wurden die Anforderungen an die Endlagerbehälter und die Materialwahl besprochen. Die Herstellung, Beladung und der Verschluss des Behälters (inkl. Schweissen) erfolgt abgestimmt auf das Behältermaterial und die eingeschlossenen Abfälle. Es sind Konzepte und Verfahren vorhanden für die zuverlässige Herstellung, Beladung und den Verschluss sowie für die Prüfung der Behälter.

Auch die Herstellung und das Einbringen von Verfüll- und Versiegelungsmaterial in die Lagerkammern bzw. in ihre direkten Zugänge wurden bereits breit untersucht und es bestehen umfangreiche Erfahrungen aus Versuchen in Labors, mit Mock-up Experimenten und in Felslabors. Auch für die Verfüllung und Versiegelung wurde die Bedeutung von Abweichungen im Rahmen von Sicherheitsanalysen untersucht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Auswirkungen von Bau, Betrieb und Verschluss des Tiefenlagers auf die Langzeitsicherheit berücksichtigt werden und wurden. Dazu gibt es breite Erfahrungen in der Schweiz und im Ausland. Die Unterlagen werden stufengerecht vertieft, die abschliessenden Festlegungen erfolgen im Rahmen des nuklearen Baugesuchs.