Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 10: Leck in der Umwälzschleife

Bei einem General Electric BWR wird das Wasser forciert mittels Umwälzpumpen durch die Brennstäbe gedrängt. Die dafür verwendeten Umwälzschleifen sind ausserhalb des Druckbehälters angeordnet. Bei einem Leck in der Umwälzschleife zwischen Austritts- (siehe 1 auf der Grafik) und Eintrittsöffnung (2) fliesst das Reaktorwasser durch das Leck aus. Der Kern bleibt aber zu 2/3 unter Wasser, weil der Kernmantel (4), die Kernmantel-Supportplatte (3) und darunter die Reaktordruckbehälter-Kalotte ein Gefäss bilden, welches den Wasserpegel bis zum Scheitelpunkt (5) der Jet-Pumps halten kann.

Figure 1 Ausschnitt Kernmantel-Bereich; Quelle: General Description of a Boiling Water Reactor, Atomic Power Equipment Department, San Jose, California (undatiert)
Figure 1 Ausschnitt Kernmantel-Bereich; Quelle: General Description
of a Boiling Water Reactor, Atomic Power Equipment Department,
San Jose, California (undatiert)

Bemerkenswert ist dabei, dass das Messröhrchen für den Füllstand des Reaktordruckbehälters von einem Punkt ausserhalb des Kernmantels (4) und oberhalb der Kernmantel-Supportplatte (3) ausgeht (downco-mer annulus region) (General Electric Systems Technology Manual, Chapter 3.1, Reactor Vessel Instrumentation System, p. 3.1-3). Bei einem Leck in der Umwälzschleife misst es also nicht mehr den Wasserstand am Kern, sondern das Leckniveau.

Fragen / Antwortencheckliste

E. (KKM/KKL) Ist es richtig, dass bei einem Leck in der Umwälzschleife der Füllstand am Kern nicht mehr richtig gemessen werden kann?

F. (KKM/KKL) Falls ja: Wie wird dieser Zustand diagnostiziert bzw. von einem echten Absinken des Füllstandes unterschieden? Wie wird die Wassernachspeisung geregelt?

G. (KKM/KKL) Gemäss Sicherheitstechnischen Stellungnahmen zu den PSÜ bleibt der Kern im obersten Drittel abgedeckt und wird nur durch den Dampf gekühlt. Dabei findet auch die Wasser- Metall-Reaktion an den Hüllrohren statt, welche zusätzliche Wärme und Wasserstoff generiert. Längerfristig wird offenbar eine Flutung des Containments angestrebt (DSFS) (ENSI, Sicherheitstechnische Stellungnahme zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung des Kernkraftwerks Leibstadt 2006; ENSI, Sicherheitstechnische Stellungnahme zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung des KKM, 2007). Was passiert, wenn letzteres längere Zeit oder definitiv (wie dreifach in Fukushima) nicht möglich ist?

Thema Bereich
Eingegangen am 7. Mai 2013 Fragende Instanz Vertreter von NGOs
Status beantwortet
Beantwortet am 26. März 2015 Beantwortet von

Beantwortet von Kernkraftwerk Leibstadt

Antwort E (KKL/KKM)

Der RDB-Füllstand wird auch im Normalbetrieb (ohne Leck) nicht direkt am Kern gemessen. Gemessen wird der Füllstand des Ringraums, welcher repräsentativ für den RDB-Füllstand ist. Fliesst Kühlwasser des Kerns bei einem Leck in der Umwälzschleife (Auslegungsstörfall, Sicherheitsebene 3) aus, so gehen die entsprechenden Füllstandanzeigen an den unteren Instrumentenanschlagspunkt. Dadurch werden die entsprechenden automatischen Schutzaktionen ausgelöst, um die Kühlung der Brennelemente sicherzustellen und den Reaktor so weit wie möglich aufzufüllen. Während dieses Vorgangs ist die Füllstandsmessung nicht mehr von Bedeutung.

Antwort F (KKL/KKM)

Es gibt keinen Unterschied zwischen einem „echten“ Absinken des Füllstandes direkt im Kernbereich des RDB und im Ringraum (Downcomer). Ausserdem wird mit einer speziellen Messleitung auch das Niveau im unteren Kernbereich gemessen. Diese Messung ist eine Hilfe für den Reaktoroperateur aber löst keine Schutzaktionen aus. Das „echte“ Absinken des RDB-Füllstandes während eines Auslegungsstörfalles wird mittels der Füllstands-Messeinrichtung entsprechend den Ausführungen in Antwort 10E diagnostiziert. Die auslegungsgemässe, automatische Wassernachspeisung wird nicht geregelt, sondern ist kontinuierlich, und wird durch den Reaktoroperateur nach Beendigung des Störfalles abgeschaltet. Die Füllstands-Messeinrichtung zeigt das Wiederbefüllen des RDB an.

Antworten G (KKL/KKM)

  • 10G-Antwortteil innerhalb Auslegung:

Für jedes KKW wird die Beherrschbarkeit von allen LOCA-Typen durch Auslegungs-Störfallanalysen (gemäss Kernenergiegesetz) nachgewiesen: Dabei haben die analytischen LOCA-Nachweise zum Ziel, die Anforderungen gemäss NRC (US Nuclear Regulatory Commission) 10 CFR 50.46 Akzeptanzkriterien, zu erfüllen:

  • Temperatur an den BE <1204°C
  • lokale Oxidation der BE < 17% der Wandstärke
  • H2-Erzeugung im Kern < 1% der Totalmenge des Kerns aus Zr/H2O Reaktion
  • Sichere Langzeitkühlung mit Mindestzahl an ECCS
  • Geometrische Änderungen im Kern nur lokal und beschränkt, sodass die Kühlbarkeit des Kerns garantiert bleibt

Die Einhaltung der genannten Akzeptanzkriterien bedeutet für KKM und KKL:

Beim grossen RL-LOCA wird der Kern zwar kurzzeitig abgedeckt, doch die Auslegung des Primärsystems und seiner ECCS ist so, dass eine rasche Wiederherstellung der Kühlung des Reaktorkerns erreicht wird und selbst bei Ausfall eines oder mehrerer Notkühlsysteme keine nennenswerte Hüllrohrbeschädigung erfolgt. Insbesondere bedeutet dies auch, dass nur minime Mengen an Wasserstoff aus der Metall-Wasserreaktion entstehen, die weit unterhalb der Explosionsgrenze liegen.

Die Nachzerfallswärme wird mit den Torus- / DAK-Wärmeabfuhrystemen an die Aare / Rhein abgegeben. Dies ist ein stabiler Zustand und kann auf unbestimmte Zeit aufrecht erhalten werden.

  • 10G-Antwortteil ausserhalb Auslegung:

Zur Beherrschung eines LOCA (Auslegungsstörfall, SE3) ist das DSFS (Sprühen/Fluten des Containments) für die Kernkühlung nicht erforderlich und wird auch nicht angestrebt.

Das DSFS: “Drywell Spray & Flooding System” wird zum Schutz gegen Durchschmelzen des Drywells nach RDB-Versagen und nachfolgende H2-Gefährdung gebraucht (auslegungsüberschreitender Störfall, SE4).

Die Verwendung des DSFS ist also eine eindeutige Severe Accident Management Massnahme, die bei auslegungsüberschreitenden Störfällen zur Verhinderung eines Drywell-Schadens angewendet wird und damit die Primär-Containment Barriere schützt, um eine Freisetzung in die Umgebung zu vermeiden.

Résumé: Der RL-LOCA (SE3) hat keinen Zusammenhang mit dem Fukushima Störfall (SE4). Im ersten Fall wird der Störfall mit Hilfe der Füllstandsmessung ausgelösten ECCS beherrscht; im zweiten Fall helfen nur gut vorbereitete und geübte Severe Accident Management Massnahmen , die aber weder nur auf „Containment-Fluten“ beruhen, noch durch die Füllstandsmessung unterstützt werden müssen.