Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 24: Materialverunreinigungen KKW Beznau

In Schweizer und deutschen Zeitungen wird berichtet, dass bei der letzten Ultraschalluntersuchung des Reaktordruckbehälters des Kernkraftwerkes Beznau 1 Materialverunreinigungen (925) festgestellt worden sind, wobei die Häufung der Unregelmäßigkeiten (Cluster) für die Sicherheit des Reaktors problematisch sein könnte.

Dazu die folgenden Fragen:

  1. Gab es bei vorangegangen Ultraschalluntersuchungen des Reaktordruckbehälters bereits Anhaltspunkte für die Materialverunreinigungen?
  2. In welchen Bereichen des Reaktordruckbehälters wurden die Verunreinigungen festgestellt?
  3. Welche Größe haben die einzelnen Verunreinigungen und in welcher Tiefe der Stahlwand befinden sie sich?
  4. Wie viele Cluster wurden festgestellt?
  5. Welche Erklärungen gibt es für die Materialverunreinigungen, kann es ausgeschlossen werden, dass sie von Materialalterungsprozessen herrühren?
  6. Hält das ENSI die Voraussetzungen für einen sicheren Weiterbetrieb des KKB 1 trotz der Verunreinigungen für gegeben?
  7. Bedarf es zur Beantwortung der Frage 6 noch weiterer Untersuchungen und Abklärungen?
  8. Bis wann kann mit einem Wiederanfahren des Reaktors gerechnet werden?
Thema Bereich
Eingegangen am 19. Oktober 2015 Fragende Instanz Landkreis Waldshut
Status beantwortet
Beantwortet am 16. März 2018 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Frage 6: Hält das ENSI die Voraussetzungen für einen sicheren Weiterbetrieb des KKB 1 trotz der Verunreinigungen für gegeben?

Die Axpo musste detailliert nachweisen, dass die Befunde, die im Sommer 2015 im Grundmaterial des RDB im KKB 1 entdeckt wurden, die Sicherheit nicht negativ beeinflussen. Das ENSI hat den Nachweis akzeptiert. Auch das im Jahr 2015 vom ENSI eingesetzte International-Review-Panel kommt zum selben Schluss.

Durch metallurgische Untersuchungen an Replikamaterial konnte bestätigt werden, dass die Ultraschallanzeigen durch Einschlüsse von Aluminiumoxid verursacht wurden. Kern des Nachweises bildet der Beleg, dass die Aluminiumoxid-Einschlüsse keinen negativen Einfluss auf die Materialeigenschaften des RDB und damit auf die Sicherheit haben. Dazu hat die Axpo 130 Proben unter Aufsicht von unabhängigen technischen Sachverständigen geprüft. Bei diesen Materialprüfungen zeigte sich kein Unterschied zwischen Proben mit und ohne Aluminiumoxid-Einschlüsse. Weiter musste die Axpo umfangreiche mikroskopische Untersuchungen zur lokalen chemischen Zusammensetzung des Stahles durchführen. Damit sollten mögliche Anreicherungen bestimmter Elemente ausgeschlossen werden, von denen bekannt ist, dass sie die Strahlungsversprödung beeinflussen können. Sowohl in unmittelbarer Nähe der Aluminiumoxid-Einschlüsse als auch im Material zwischen den Einschlüssen wurden keine solchen Anreicherungen gefunden. Es konnte somit gezeigt werden, dass Aluminiumoxid keinen negativen Einfluss auf die Strahlungsversprödung hat. Es bestehen somit keine Einwände gegen den Weiterbetrieb des Blocks 1 des KKB.

Frage 7: Bedarf es zur Beantwortung der Frage 6 noch weiterer Untersuchungen und Abklärungen?

Der Nachweis, dass die Befunde im RDB des Blocks 1 des KKB keinen negativen Einfluss auf dessenSicherheit haben, wurde vollumfänglich erbracht.

Die Präsentation des ENSI zur Frage 24 kann hier aufgefunden werden.

Beantwortet von Kernkraftwerk Beznau

Vorbemerkung
Auf der Webseite der Axpo ist ein umfangreiches Dossier veröffentlicht worden, das Informationen zu den Untersuchungen am Reaktordruckbehälter (RDB) des Blocks 1 des Kernkraftwerks Beznau (KKB) enthält: http://www.axpo.com/axpo/ch/de/publikationen-und-dossiers/dossier-kernenergie.html

1. Gab es bei vorangegangen Ultraschalluntersuchungen des Reaktordruckbehälters bereits Anhaltspunkte für die Materialverunreinigungen?

Am Grundmaterial von RDB wurden im Allgemeinen nach der Herstellungsprüfung keine Ultraschalluntersuchungen mehr durchgeführt. Nach der Entdeckung von Materialfehlern (Wasserstoffflocken) in den RDB der belgischen Kernkraftwerke Doel 3 und Tihange 2 im Juni 2012 empfahl der Verband der westeuropäischen Nuklearaufsichtsbehörden, die Western European Nuclear Regulators‘ Association (WENRA), jedoch, alle geschmiedeten RDB überprüfen zu lassen. Daraufhin ordnete die Schweizer Aufsichtsbehörde, das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI), die kurzfristige Überprüfung der Herstellungsdokumentation und die Durchführung von Ultraschallprüfungen des Grundmaterials der RDB der Schweizer Anlagen an, unter anderem auch der beiden Blöcke des KKB.

Bei den im Frühjahr 2015 am RDB des Blocks 1 festgestellten Ultraschallanzeigen handelt es sich nicht um «Materialverunreinigungen», sondern, wie in der Folge aufgrund umfangreicher Analysen aufgezeigt wurde, um herstellungsbedingte Aluminiumoxid-Einschlüsse.

Im Rahmen der UT-Herstellungsprüfung waren Ende der 60er-Jahre in den Ringen C und E1 des RDB einzelne kleine Ultraschallanzeigen festgestellt worden. Diese waren aber gemäss der damals geltenden Vorschriften nicht zu rapportieren. Die Schmiedestücke erfüllten damals und erfüllen nach wie vor alle Akzeptanzkriterien der Herstellungsspezifikation.

Zusatzinformationen: Umfangreiche Prüfungen am RDB (inklusive Deckel) werden in 10-Jahres-Intervallen durchgeführt. Dabei kommen verschiedene Prüfmethoden zum Einsatz (Wirbelstrom, Eindringen, Ultraschall, Druck, visuelle Untersuchungen). Die Grundprüfung erfolgte im Jahr 1971. Seither wurde sie fünf Mal wiederholt, wobei das Material im Rahmen des Wiederholungsprüfprogramms an 90 Positionen untersucht wird. Zum Prüfumfang gehören auch die Mantelschweissnähte, die Stutzeneinschweissnähte, die Anschlussnähte zu den verschiedenen Leitungen, die Plattierungen und die Nähte der tragenden Aufhängung. Auch der Deckel wird intensiven Prüfungen unterzogen.

Im Jahr 2015 wurde im Ring C des RDB des Blocks 1 im Unterschied zu anderen Schmiederingen des RDB des KKB 1 bzw. des RDB KKB 2 eine grosse Anzahl Aluminiumoxid-Einschlüsse festgestellt. Aluminium, die Quelle der detektierten Aluminiumoxide, wurde während des Giessens für die Beruhigung des Stahls und für die Bindung von allfällig vorhandenem Sauerstoff der Schmelze beigefügt. Eine Rolle bei der Bildung der genannten Einschlüsse spielen aber auch das Verhältnis von Höhe und Durchmesser der Kokillen, die Abgusstemperatur, die Qualität des Vakuums beim Giessen, der Durchmesser des Stanzwerkzeugs sowie der Umfang des verworfenen Materials am unteren Ende des Gussstücks.

2. In welchen Bereichen des Reaktordruckbehälters wurden die Verunreinigungen festgestellt?

Aufgrund umfangreicher Untersuchungen konnte das KKB aufzeigen, dass die Aluminiumoxid-Einschlüsse herstellungsbedingt sind und sich erwartungsgemäss hauptsächlich am unteren Ende der Gussstücke in der Nähe der Innenoberfläche der Ringe B, C und E befinden. In den folgenden Bildern sind die Lage der detektierten Einschlüsse bzw. die Ergebnisse der durchgeführten Messungen in den Ringen B und C dargestellt.

3. Welche Größe haben die einzelnen Verunreinigungen und in welcher Tiefe der Stahlwand befinden sie sich?

Die Einschlüsse liegen in der Nähe der Innenoberfläche, grösstenteils unter 20 mm Tiefe, vereinzelt in einer Tiefe bis zu 50 mm. Die Aluminiumeinschlüsse haben eine Grösse von wenigen μm und liegen in losen Agglomeraten von bis zu mehreren Millimetern Länge vor.

4. Wie viele Cluster wurden festgestellt?

Bei der Erstmessung konnten in Ring C zunächst 16 Bereiche, sogenannte Extended Areas (EA), prüfungstechnisch nicht aufgelöst werden. Diese «Cluster» wurden in einem zweiten Schritt mit einer verfeinerten Messung weiter aufgelöst. Die folgende Tabelle zeigt die Übersicht über die Anzahl bewertungspflichtiger Ultraschallanzeigen in den Ringen A bis D sowie in den EA in Ring C.

5. Welche Erklärungen gibt es für die Materialverunreinigungen, kann es ausgeschlossen werden, dass sie von Materialalterungsprozessen herrühren?

Bei den Ultraschallanzeigen handelt es sich nicht um «Verunreinigungen», sondern um herstellungsbedingte Aluminiumoxide, welche durch gezielte und dosierte Zugabe von Aluminium entstehen. Diese erfolgt mit dem Ziel, den in der Schmelze gelösten Sauerstoff zu binden und die Schmelze vor Oxidation und Blasenbildung zu schützen. Der so erzeugte Stahl wird als «beruhigt» bezeichnet. Die «Beruhigung» der Schmelze ist eine Hauptvoraussetzung zur Erzeugung von qualitativ hochwertigen Stählen, wie sie für den Reaktorbau verlangt werden. Die Aluminiumoxide sind absolut inert und weit über die Schmelztemperatur von Stahl mechanisch und chemisch stabil und zeigen keine chemische Wechselwirkung mit dem Stahl. Aluminiumoxide in der vorgefundenen Qualität und Quantität sind weder bruchauslösend, noch haben sie einen negativen Einfluss auf die für die Sicherheit relevanten mechanischen Werkstoffeigenschaften. Im Rahmen der Untersuchungen wurden alle möglichen Mechanismen, durch welche Materialdefekte sowie Wachstumseffekte initiiert werden können, analysiert. Folgende Grafiken geben eine Übersicht dazu:

8. Bis wann kann mit einem Wiederanfahren des Reaktors gerechnet werden?

Die Axpo ist zuversichtlich, die Anlage im März 2018 wieder reibungslos in Betrieb nehmen zu können. Seit April 2015 wurden im Block 1 rund 9‘000 periodische Wartungsarbeiten durchgeführt und mehr als 20‘000 Routineprüfungen an Systemen und Komponenten vorgenommen.

 

Die Präsentation des Kernkraftwerks Beznau kann hier aufgefunden werden.