Technisches Forum Sicherheit

Frage 74: Vergleichbarkeit von Untersuchungen

Die Nagra hat das Gebiet Zürich Nord-Ost (Zürcher Weinland) für die Erarbeitung des Entsorgungsnachweises mittels einer spezifischen Bohrung und 3D-Seismik untersucht. Für die beiden anderen potenziellen Standorte für hochaktive Abfälle (HAA) Nördlich Lägern und Jura-Ost (Bözberg) sind solche Untersuchungen nicht rechtzeitig geplant.

Es ist unabdingbar, dass auch diese Standorte bereits in Etappe 2 des Sachplanverfahrens für geologische Tiefenlager (und nicht erst in Etappe 3, wie heute vorgesehen) geologisch untersucht werden. Sonst besteht die Gefahr, dass einer oder mehrere der Standorte aus dem Verfahren ausgeschlossen werden, ohne dass man über die nötigen geologischen Kenntnisse für diesen Entscheid verfügt. Das kann zu groben Entscheidungsfehlern führen und würde den geregelten Ablauf des Sachplanverfahrens gefährden.

Gerhard Schmidt vom Ökoinstitut Darmstatt stellt fest: «Es braucht möglichst gute Untersuchungen nach aktuellem Stand der Technik, mit 3D-Geoseismik, um Störzonen erkennen zu können.» Und genau diese Störzonen sind für die Sicherheit eines Tiefenlagers massgebend, sagt Schmidt.

  1. Weshalb sind die potenziellen Standorte geologisch nicht gleich gut untersucht?
  2. Weshalb sieht der Sachplan vor, Gebiete auszuscheiden, bevor alle Standorte gleich gut untersucht wurden und somit Vergleichbarkeit herrscht?
  3. Was spricht dagegen, schon heute alle potentiellen Standortregionen geologisch zu untersuchen, um auf einer vergleichbaren Basis und unter möglichst vollständigem Ausschluss von unerwünschten Eventualitäten die Einengung der potentiellen Standorte zu unternehmen?
Thema Bereich
Eingegangen am 9. Februar 2012 Fragende Instanz SES
Status beantwortet
Beantwortet am 19. Juni 2013 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Das Wissen über die Standorte muss auf die in einer Etappe vorgesehenen Schritte abgestimmt werden. Abhängig von der Komplexität der Geologie braucht es mehr oder weniger Untersuchungen. Der Sachplan hält klar fest, dass kein Standort aufgrund fehlender Kenntnisse ausgeschieden werden darf. Untersuchungen sind nur dort sinnvoll und können gefordert werden, wenn damit tatsächlich ein Informationsgewinn bezüglich Sicherheit erzielt wird.

a) und b)

Das ENSI verweist auf die Antwort zur TFS-Frage 59 a), die bereits Teile der Fragen beantwortet.

Der Schwerpunkt von Etappe 1 SGT lag in der Identifizierung geeigneter geologischer Standortgebiete, die ausschliesslich auf Kriterien für die Sicherheit und technische Machbarkeit basierte. In Übereinstimmung mit den Vorgaben im Sachplan geologische Tiefenlager wurden die geologischen Standortgebiete von der Nagra auf der Grundlage des bestehenden umfangreichen erdwissenschaftlichen Kenntnisstands vorgeschlagen.

Im Hinblick auf Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager musste die Nagra die Notwendigkeit ergänzender Untersuchungen für die provisorischen Sicherheitsanalysen frühzeitig mit dem ENSI abklären. Die Kenntnisse über die Standorte müssen die Durchführung einer provisorischen Sicherheitsanalyse und den sicherheitstechnischen Vergleich erlauben; gegebenenfalls sind sie durch Untersuchungen zu ergänzen.

Die verwendeten geologischen Daten müssen die aktuelle Situation am Standort für die provisorische Sicherheitsanalyse adäquat wiedergeben und die vorhandenen relevanten Ungewissheiten berücksichtigen. Adäquat bedeutet, dass der von den Entsorgungspflichtigen dokumentierte Kenntnisstand ausreicht, um zu zeigen, dass die Aussagen zur Langzeitsicherheit des Tiefenlagers und dem sicherheitstechnischen Vergleich belastbar sind. Eine belastbare Aussage ist auch unter Berücksichtigung der bestehenden Variabilität und Ungewissheiten in Daten und Prozessen gültig (ENSI 33/075).

Um die Frage zusätzlicher Untersuchungen transparent zu klären, hat die Nagra nach Abschluss der behördlichen sicherheitstechnischen Überprüfungen in Etappe 1 SGT den Bericht NTB 10-01 erstellt, in dem sie für jedes Standortgebiet darlegt und diskutiert, ob der aktuelle Wissensstand für die Durchführung der erforderlichen provisorischen Sicherheitsanalysen und des sicherheitstechnischen Vergleichs in Etappe 2 SGT ausreichend ist.

Nach der Prüfung dieses Berichts kam das ENSI zum Schluss, dass zusammen mit den von der Nagra vorgeschlagenen ergänzenden Untersuchungen und den vom ENSI geforderten Ergänzungen (41 Forderungen) der notwendige Kenntnisstand erreicht werden kann, um in Etappe 2 SGT belastbare Aussagen zur sicherheitstechnischen Einstufung und zur bautechnischen Machbarkeit machen zu können (ENSI 33/115).

Um stufengerecht in Etappe 3 SGT den geforderten Kenntnisstand zu erreichen, werden für die in Etappe 2 SGT vorgeschlagenen Standorte ergänzende, bewilligungspflichtige Untersuchungen notwendig sein. Das ENSI fordert deshalb, dass die Nagra bereits zusammen mit den Standortvorschlägen in Etappe 2 SGT entsprechende Gesuche einreicht.

Die Nagra wird vor Einreichung der für Etappe 2 SGT erforderlichen Unterlagen den Kenntnisstand im Rahmen von Fachsitzungen mit dem ENSI und mit weiteren Gremien (KNS, EGT, AG SiKa/KES) diskutieren. Falls das ENSI nach den jeweiligen Fachsitzungen zum Schluss kommt, dass der Kenntnisstand ausreichend ist, vervollständigt die Nagra die sicherheitstechnische Dokumentation für Etappe 2 SGT.

Vor Einreichung der Nagra-Unterlagen beim BFE führt das ENSI eine Grobprüfung der Dokumentation durch. Das ENSI prüft, ob die formellen Vorgaben des Konzeptteils des Sachplans und die Vorgaben des ENSI erfüllt sind. Falls dies zutrifft, informiert das ENSI das BFE, dass die Nagra ihren Auftrag zur Abklärung des Kenntnisstands gemäss Sachplan erfüllt hat. Falls dies nicht zutrifft und die Dokumentation noch Lücken aufweist, muss die Nagra die Lücken vorgängig schliessen. Dieser für Etappe 2 SGT notwendige Kenntnisstand entspricht aus Sicht des ENSI der in Frage (c) geforderten „vergleichbaren Basis“.

c)

Es gilt grundsätzlich festzuhalten, dass Untersuchungen nur dort sinnvoll sind (und seitens der Bundesbehörden verlangt werden können), wo eine tatsächliche Verbesserung in der Datenlage erreicht werden kann. So sind z.B. weitere Untersuchungen von kalkigen Wirtgesteinen oder bereits ausgeschiedenen Gebieten in der Schweiz nicht sinnvoll, da deren für die Tiefenlagerung ungenügenden Eigenschaften nicht durch weitere Untersuchungen verbessert werden können. Hier liegen intrinsische Nachteile vor, die auch mit weiteren Untersuchungen nicht ausgeräumt würden. Das gleiche kann auch für die Variabilität von wichtigen Daten zutreffen. So wird in den Effinger Schichten die hydraulische Durchlässigkeit immer eine gegenüber dem Opalinuston erhöhte Variabilität aufweisen, weil diese aus einer Wechselfolge von Mergeln und Kalkmergeln bestehen, die leicht unterschiedlich durchlässig sind. Zusätzliche Untersuchungen würden diese Variabilität nur immer wieder von neuem bestätigen.

Der Konzeptteil des Sachplans (BFE 2008) schreibt vor, dass als Zwischenergebnis in Etappe 2 SGT kein Standortgebiet vorgeschlagen werden darf, das aufgrund der provisorischen Sicherheitsanalyse und der weiteren sicherheitstechnischen Aspekte eindeutig als weniger geeignet bewertet ist als die anderen. Gleichzeitig dürfen Standortgebiete nicht aufgrund von Dosisdifferenzen ausgeschlossen werden, die nur durch Ungewissheiten der zugrunde gelegten Daten verursacht werden. Die verbleibenden Standortgebiete werden anschliessend anhand der qualitativen Sicherheitskriterien bewertet. Ein Standortgebiet kann ausscheiden, falls bei dieser Bewertung eindeutige Nachteile gegenüber den anderen Standortgebieten festgestellt werden (BFE 2008, S. 70). Das ENSI prüft für jeden Standort, ob die vorhandenen Kenntnisse und allfälligen Ungewissheiten die Durchführung einer provisorischen Sicherheitsanalyse erlauben. Das Ergebnis seiner Überprüfung hält das ENSI in einem Gutachten fest (BFE 2008, S. 45). Demnach müssen die Standortgebiete in Etappe 2 SGT nicht zwingend gleich gut untersucht werden, aber für die Aussagen, die zu den Entscheiden führen, muss der Kenntnisstand ausreichend und belastbar sein.

Referenzen

BFE 2008: Sachplan geologische Tiefenlager, Konzeptteil, 2. April 2008.

ENSI 33/075 Anforderungen an die provisorischen Sicherheitsanalysen und den sicherheitstechnischen Vergleich, Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 2, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Brugg, 2010

ENSI 33/115 Stellungnahme zu NTB 10-01 «Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in Etappe 2 SGT», Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Stellungnahme, Brugg, 2011.

NTB 10-01: Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in SGT Etappe 2 – Klärung der Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2010.

Beantwortet von Nagra

Ergänzung der Nagra

Die Nagra ergänzt dazu, dass seit Einreichung der Unterlagen zu SGT Etappe 1 umfangreiche weitere Arbeiten durchgeführt wurden und zurzeit auch noch weitere Arbeiten im Gange sind. Dazu gehören insbesondere die im letzten Winter durchgeführte 2D-Seismik und die Beteiligung an Bohrungen Dritter. Die Arbeiten berücksichtigen auch die vom ENSI formulierten 41 Forderungen für SGT Etappe 2. Wenn aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungen belastbar nachgewiesen werden kann, dass gewisse geologische Standortgebiete eindeutige sicherheitstechnische Nachteile gegenüber den anderen aufweisen, werden sie nicht für Etappe 3 vorgeschlagen. Alle anderen geologischen Standortgebiete werden für Etappe 3 vorgeschlagen und vertieft untersucht (auch mit Bohrungen, 3D-Seismik, etc.).

Fazit:

Kein Standortgebiet wird aufgrund weniger umfangreicher Untersuchungen oder geringerer Kenntnisse ausgeschlossen.