Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 40: Vorkommnisse im KKL vom 24.4. und 12.5.2019

Sachverhalt

Am 24. April 2019 und am 12. Mai 2019 kam es im KKL jeweils zu einer Schnellabschaltung. Grund war in beiden Fällen eine Störung am Vordruckregler.

Fragen

  1. War es der gleiche Vordruckregler?
  2. Worin unterscheiden sich die beiden Störungen?
  3. Wie wird sichergestellt, dass diese Störung nicht wieder auftritt?
  4. Vorläufig wurden diese Störungen auf der Ereignisskala INES der Stufe 0 zugeordnet. Gilt das noch immer?
Thema Bereich
Eingegangen am 19. Mai 2019 Fragende Instanz Vertreter Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. / D
Status beantwortet
Beantwortet am 13. Dezember 2019 Beantwortet von ,

Beantwortet von Kernkraftwerk Leibstadt

Kurze Einleitung zu den in den Antworten verwendeten Fachbegriffen und den beiden Abschaltungen:

Vordruckregler: Der Vordruckregler reguliert im Leistungsbetrieb die vier Turbineneinlassregelventile an den Frischdampfleitungen vor der Hochdruckturbine. Der Vordruck wird konstant auf 68 bar gehalten.

Automatische Abschaltung: Wenn in einem Kernkraftwerk bestimmte vorgeschriebene Parameter von der Norm abweichen, ist das Kraftwerk vorsorglich so ausgelegt, dass es sich selbst automatisch herunterfährt.

Verlauf der automatischen Abschaltungen am 24. April 2019 und am 12. Mai 2019: Infolge von abweichenden Werten bei einer der drei Druckmessungen am Vordruckregler gegenüber den restlichen Signalen war die Bedingung für eine automatische Abschaltung erfüllt.

Die Anlage schaltete vorsorglich automatisch ab – genau entsprechend der Auslegung der Anlage.

Der Vordruck auf die Hochdruckturbine lag jederzeit bei den korrekten 68 bar.

Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für Mensch und Umwelt.

1. War es der gleiche Vordruckregler?

Bei der technischen Störung am 24.04. sowie am 12.05.2019 handelte es sich um denselben Messumformer innerhalb der Druckmesswertaufbereitung am Vordruckregler. Ein Messumformer wandelt eine physikalische Messgrösse (Druck) in ein elektrisches Signal um. Drei separate Signalmessungen gewährleisten die Redundanz der Messwerte. Messumformer werden 24-monatlich kalibriert. In der Kalibrierdaten-History konnte keine auffällige Signaldrift erkannt werden. Vom betroffenen Typ Messumformer stehen im KKL 376 Geräte im Einsatz, davon 85 in sicherheitstechnisch klassierten Bereichen.

Bei der Untersuchung des ausgebauten Geräts stellte das KKL fest, dass eine ungenügende Signalübertragung über die Kontaktstifte zu den verschiedenen Leiterplatten (wie Kalibrierplatine und Verstärkerplatine) Messsignalschwankungen auslösen konnten. Folglich lag der Fehler in der Signalübertragung zwischen dem Messumformer und der Signalumformerkarte.

2. Worin unterscheiden sich die beiden Störungen?

Im Vorfeld der ersten automatischen Abschaltung vom 24.04.2019 wurden Signalschwankungen im Messumformer beobachtet. Die Betriebserfahrung zeigte, dass in der Regel ein Wechsel der Platine die beobachteten Signalstörungen zuverlässig behebt. Die erste automatische Abschaltung vom 24.04.2019 erfolgte indessen, bevor der geplante Platinenwechsel vorgenommen werden konnte.

Als direkte Folge der schwankenden Messresultate wurde eine automatische Abschaltung ausgelöst, was einer auslegungsgemässen und sicherheitsorientierten Reaktion entspricht. Nach dem Ersatz der Verstärkerplatine im Messumformer sowie weiteren Elektronikkomponenten der Druckmesswertaufbereitung und nach eingehenden Funktionsprüfungen wurde die Anlage am 25.04.2019 wieder in Betrieb genommen.

Bis am 12.05.2019, 01:40 Uhr, zeigten Druckmessung und -regelung keine Anzeichen eines Fehlverhaltens. Erneut schwankende Messresultate führten dazu, dass sich die Anlage um 02:15 Uhr automatisch abschaltete. Auch hier war das Vorgehen auslegungsgemäss und sicherheitsorientiert.

In der Folge wurden der komplette Messumformer sowie Teile der Signalübertragung und Verarbeitung ausgetauscht. In den nachfolgenden Untersuchungen am ausgebauten Druckmessumformer konnten Übertragungsprobleme zwischen den leittechnischen Bauteilen (Kalibrierplatine und Verstärkerplatine) lokalisiert werden.

Somit liegt der Unterschied bei der Behebung der zweiten Störung im Ersatz des ganzen Messumformers, womit sowohl die Signalmessung als auch -übertragung komplett erneuert wurden.

3. Wie wird sichergestellt, dass diese Störung nicht wieder auftritt?

Das KKL hat verschiedene Massnahmen getroffen, um Signalschwankungen frühzeitig konsequent zu erkennen und damit den zuverlässigen Betrieb sicherzustellen.

  1. Während der Jahreshauptrevision 2019 veränderte das KKL die Auswertung / Bewertung der Signalqualität. Neu erfolgt für jede Signalmessung eine einzelne Beurteilung im Vergleich zum Mittelwert aller drei Messwerte. Ein defektes Gerät wird fortan signaltechnisch isoliert.
  2. Bei allfälligen, künftigen Signalschwankungen ersetzt das KKL neu stets den kompletten Messumformer.
  3. Das KKL prüft den vorsorglichen Ersatz der Geräte.
  4. Das KKL analysiert, ob weitere Messsignale einen ähnlich grossen Einfluss auf den Gesamtbetrieb haben können.

Beantwortet von ENSI

4. Vorläufig wurden diese Störungen auf der Ereignisskala INES der Stufe 0 zugeordnet. Gilt das noch immer?

Ja, die Einstufung INES 0 gilt noch immer.