Erdbebengefahr: Gemäss AkEnd-Kriterien dürfen zu erwartende seismische Aktivitäten im Endlagerbereich nicht grösser sein als Erdbebenzone 1 nach DIN 4149 (Geowissenschaftliche Kriterien, Kapitel 5.1, Tabelle 3). Untersuchungen von Leydecker et al., veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung vom 29.03.2005, zeigen aber, dass der in Betracht genommene Endlagerbereich in einer seismisch unruhigen Zone liegt (s. anliegende Grafik, wobei die angegebenen Stossintensitäten aber nicht der Richterskala entsprechen). Andere Studien (z.B. Martin Koller/RESONANCE vom 22.03.05), die dem Technischen Forum auf seiner 7. Sitzung vorgelegt worden sind, sehen weder eine Gefährdung für das unterirdische Endlager, als auch für die oberirdischen Betriebsanlagen und die Tunnel während der Einlagerungsphase. Wie erklärt sich die HSK diese Widersprüche?
Fragen zur Erdbebengefährdung wurden im Technischen Forum bereits an verschiedenen Sitzungen ausführlich diskutiert (siehe Beantwortung der Fragen 36d, 44, 61, 62, 63). Die Darlegungen von Martin Koller/RESONANCE vom 22.03.05 enthalten nach Ansicht der HSK keine Widersprüche zu den neuesten Erdbebengefährdungskarten (Leydecker 2005, LGRB-Erdbebenkarte für Baden-Württemberg 2005 oder seismische Gefährdungskarte GFZ 2005). Zur Erfassung der Erdbebengefährdung sind in Deutschland die Erdbebenzonen 0, 1, 2 und 3 ausgewiesen. Das Gebiet von Jestetten- Benken liegt nach der Erdbebenkarte des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) 2005 (siehe Figur unten) in der Erdbebenzone 1 (nach DIN 4149) und nach den schweizerischen Erdbebenkarte (SED 2004) in einem seismisch ruhigen Gebiet. Die Seismizität nimmt hingegen in Richtung Basel (Rheintalgraben) und Schwäbische Alb deutlich zu.
Bezüglich Erdbebengefährdung ist zwischen der Bau- und Betriebsphase (inkl. Überwachungsphase) einerseits und der Nachverschlussphase des Tiefenlagers andererseits zu unterscheiden. Bei einem konkreten Bauprojekt sind für die Bau- und Betriebsphase gemäss den behördlichen Vorgaben (Festlegung des Bemessungserdbebens der Häufigkeit 10-4/Jahr) die Bauwerke entsprechend ihrer sicherheitstechnischen Bedeutung zu klassieren und gegen die Einwirkung von Erdbeben (Erschütterungen) auszulegen. Für die Nachverschlussphase – wo alle Stollen und Tunnels verfüllt sind und diese deshalb auch durch Erschütterungen bei extremen Erdbeben keine Schäden erleiden können – sind nicht die Erschütterungen von Erdbeben von Bedeutung, sondern es müssen im Rahmen einer Szenarien- und Konsequenzenanalyse die Möglichkeit der Reaktivierung von Störungen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Sicherheit untersucht und quantifiziert werden.
Die HSK möchte zudem festhalten, dass die vom AkEnd vorgeschlagene Grenzziehung, d.h. den Ausschluss von Gebieten ab Zone 2 der DIN 4149 (deren Anwendungsbereich ausdrücklich auf Hochbauten beschränkt ist), nicht den internationalen Gepflogenheiten entspricht. Massgeblich ist, dass die bautechnische Auslegung der Oberflächenbauten und der Portalzonen von Schächten und Zugangsstollen für die Betriebsphase entsprechend der Erdbebengefährdung erfolgt. Die langfristige Integrität eines Tiefenlagers könnte hingegen durch tektonische Bewegung entlang von Störungen beeinträchtigt werden. Der Endlagerbereich muss einen angemessenen Sicherheitsabstand zu potenziell aktiven Störungen aufweisen, auch zu solchen, die bis heute noch keine seismische Aktivität gezeigt haben, aber aufgrund ihrer Lage und Länge sowie ihres Alters und der regionalen Spannungsverhältnisse ein Potenzial zur Reaktivierung haben. Der von der Nagra identifizierte potenzielle Endlagerbereich im Zürcher Weinland erfüllt diese Anforderungen.