Technisches Forum Kernkraftwerke

Frage 14: Wasserstoffproblematik bei der Containment- Druckentlastung

Das Containment-Druckentlastungs-System (CDS) im KKM führt zur Filterung (und zum teilweisen Druckabbau durch Kondensation von Dampf) in die Wasservorlage des äusseren Torus. Der äussere Torus führt 11 Meter unter dem Boden rund um das Reaktorgebäude herum.

Figure 1 KKM Containment-Druckentlastung (schematisch)
Figure 1 KKM Containment-Druckentlastung
(schematisch)

Der äussere Torus wird beim KKM (im Gegensatz zum Containment) nicht mit Stickstoff inertisiert („Das Inertierungssystem: Damit wird das Primärcontainment während des Leistungsbetriebs mit Stickstoff (N2) inertiert und der O2-Gehalt auf maximal 4 % begrenzt.“ Sicherheitstechnische Stellungnahme zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung des KKM, 2007, Seite 6-65, Kap. 6.5.6 „Systeme zur Wasserstoffbeherrschung“). In dessen Atmosphäre kann sich folglich bei einer Wasserstoffabgabe zusammen mit dem vorhandenen Luftsauerstoff explosives Knallgas bilden. Oberhalb des Wasserspiegels ist ein Volumen in der Grössenordnung von 1000m3 abschätzbar.

Der äussere Torus ist rundum über 48 Öffnungen im Beton mit dem Reaktorgebäude verbunden. Bei einer grossen Dampfleckage im Reaktorgebäude soll der Überdruck über diese Öffnungen abgebaut werden.

 

Figure 2 KKM Sicherheitsbericht 1989, Figur 5.3.1, Reactor Building Vent to Outer Torus, 30.11.1989
Figure 2 KKM Sicherheitsbericht 1989, Figur 5.3.1,
Reactor Building Vent to Outer Torus, 30.11.1989

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unmittelbar unterhalb dieser Öffnungen stehen beim KKM sämtliche Kernnotkühl- und Wärmeabfuhrsysteme. Auf dieser sogenannten Minus-11-Meter Ebene gibt es keinerlei räumliche Trennung. Auch die primärseitigen Systeme des nachgerüsteten Notstandsystems „SUSAN“ sind allesamt dort angeordnet (KKM Sicherheitsbericht 1989, Fig. 12.1.3.a).

 

 

Fragen / Antwortencheckliste

Q. (KKM) Wie kann bei Erdbeben (inkl. Nachbeben) grundsätzlich sichergestellt werden, dass in den Betonstrukturen des äusseren Torus sowie den weiteren Abgaspfaden (Kamin) trotz Metalleinbauten (Leitern etc.) keine Zündquellen vorhanden sind?

R. (KKM) Wie kann die gefahrlose Abgabe der explosiven Gase bzw. die weitere Absenz von Zündquellen bei kollabierten Gebäudebrücken bzw. kollabiertem Aufbereitungsgebäude gewährleistet werden?

S. (KKM) Wie kann ausgeschlossen werden, dass bei kollabierten Gebäudebrücken bzw. kollabiertem Aufbereitungsgebäude der Abgabepfad (teilweise) blockiert wird und es beim Abblasen mit 6- 7 bar (Pressure release of containments during severe accidents in Switzerland, H. Rust et al. / Nuclear Engineering and Design 157 (1995) 337-352, p.352, Fig. 15) und 10 MW Dampfleistung („…Auslegung soll von einem Richtwert der Dampfproduktion von 1% der thermischen Reaktorleistung ausgehen“, HSK-R-40/d, März 1993, Abschnitt 3.2) zu einem Auswurf von Wasser des äussern Torus über die 48 Öffnungen auf die Sicherheitssysteme der Minus-11-Meter Ebene kommt?

T. (KKM) Sollte eine Wasserstoffexplosion im äusseren Torus stattfinden: kann dann die Integrität des Reaktorgebäudes gewährleistet werden?

U. (KKM) Sollte eine Wasserstoffexplosion im äusseren Torus stattfinden: kann dann ausgeschlossen werden, dass über die 48 Öffnungen zur Minus-11-Meter Ebene Wasser auf die dortigen Sicherheitssysteme ausgeworfen wird? Kann ausgeschlossen werden, dass durch mechanische Strahlwirkung und ggf. durch weggesprengte Fragmente bei den 48 Öffnungen (vgl. Figure 2) Schäden am inneren Torus (Leckagen) und an den Sicherheitssystemen entstehen?

 

Thema Bereich
Eingegangen am 7. Mai 2013 Fragende Instanz Vertreter von NGOs
Status beantwortet
Beantwortet am 19. Dezember 2014 Beantwortet von

Beantwortet von Kernkraftwerk Mühleberg

Antwort Q (KKM)

Um Wasserstoffzündungen im Abgaskanal und im Kamin zu vermeiden, sind folgende Vorsorgemassnahmen getroffen:

  • Explosionssichere Ausführung der Beleuchtung im Abgaspfad,
  • Explosionssichere Ausführung der (einzigen) im Abgaspfad vorhandenen Lüftungsklappe,
  • Vor Inbetriebnahme der gefilterten Containment-Druckentlastung erfolgt ein vorsorgliches Ausschalten der vorhandenen Kaminaktivitätsmessstelle,
  • die Leitung der gefilterten Containment-Druckentlastung ist mit Stickstoff inertisiert.

Mit den genannten Massnahmen können aktive Zündquellen im Abgaspfad ausgeschlossen werden. Passive Zündquellen lassen sich nicht vollständig ausschliessen. Bei der Durchführung einer Containment-Druckentlastung wird ein Gasgemisch aus Stickstoff, Dampf und Wasserstoff durch das Multi-Venturi-Filtersystem in den Äusseren Torus geleitet. Der Dampf kondensiert im Wasser des Äusseren Torus. Stickstoff und Wasserstoff perlen aus und verdrängen die umgebende Luft. Dabei ist eine diffusive Verbrennung des Wasserstoffs nur an der Grenze zwischen dem ausströmenden Gasgemisch und der verdrängten Luft zu erwarten. Eine vorgemischte Verbrennung in einem grösseren räumlichen Bereich des Äusseren Torus ist bei den herrschenden Strömungsbedingungen nicht zu erwarten. Auch in Fukushima erfolgte keine Wasserstoffzündung bei Durchführung der Druckentlastung. Der Wasserstoff zündete erst 1-1.5 h nach Durchführung der Druckentlastung im Reaktorgebäude. Bei der Durchführung der Containment-Druckentlastung im KKM gelangt kein Wasserstoff in das Reaktorgebäude.

Antwort R (KKM)

Auch für diese Teilfrage bleibt die Argumentation aus Teilfrage Q gültig. Ein erdbebenbedingtes Versagen der Gebäudebrücke und des Aufbereitungsgebäudes besitzen lediglich einen Einfluss auf den Freisetzungsort, aber nicht auf den Abgabepfad bis zum Freisetzungsort. Bei der gefilterten Druckentlastung geht es um eine Linderung möglicher radiologischer Folgen für die Umgebung. Die gefilterte Druckentlastung ist durch ein Versagen der Transportbrücke oder des Aufbereitungsgebäudes nicht betroffen. Dies gilt unabhängig von allfälligen Wasserstoffverbrennungen.

Antwort S (KKM)

Ein Erdbeben führt nicht zu einer vollständigen Zerstörung der Gebäudebrücke und des Aufbereitungsgebäudes (siehe Antwort zu Frage 13). Eine allfällige Querschnittsverengung kann nicht zu einem Druckaufbau im Äusseren Torus führen. Der beschriebene Wasseraustrag auf die „-11m-Ebene“ kann somit ausgeschlossen werden.

Antwort T (KKM)

Um die Folgen einer hypothetischen Wasserstoffexplosion im freien Volumen des Abgabepfads abzuschätzen, wurde unter Einbezug der strukturellen Festigkeit der Reaktorgebäude Aussenwand und des Kamins eine Modellrechnung durchgeführt. Aus der Berechnung resultiert, dass die Reaktorgebäude Aussenwand und der Kamin ausreichende Kapazitäten gegen Explosionsdrücke aufweisen.

Antwort U (KKM)

Würde eine Wasserstoffexplosion im Äusseren Torus stattfinden, dann könnte Wasser hoch in die Zuführleitungen ins Reaktorgebäude hoch gedrückt werden. Bereits vor Durchführung der Containment Druckentlastung befindet sich das KKM im Zustand eines schweren Unfalls (Severe Accident). Die Ebene der Notfallmassnahmen (AMM) wird verlassen und die Empfehlungen des Severe Accident Management Guides (SAMG) kämen zur Anwendungen. Die Massnahmen, die im SAMG empfohlen werden, sind von der „-11m-Ebene“ unabhängig.

Unabhängig von der vorangehenden Argumentation befinden sich mit Ausnahme des oberen Teils des Inneren Torus keine Sicherheitssysteme im Strahlbereich der 48 Öffnungen. Die Auslegung des inneren Torus ist so robust, dass solche Belastungen ihn nicht beschädigen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass durch einen Verbrennungsvorgang im Äusseren Torus Trümmer durch die 48 Öffnungen ins Reaktorgebäude auf die „-11m-Ebene“ gelangen, da diese Öffnungen nicht geradlinig sind, sondern als Überströmrohre 40 cm unter der Wasseroberfläche enden. Ein Entstehen von Trümmern an der Innenseite der Reaktorwand ist aufgrund der in der Wand auftretenden Kräfte nicht zu erwarten.