Technisches Forum Entsorgungsnachweis

Frage 28: Verbleibende Ungewissheiten

Es existiert ein Kapitel „Identifizierte Ungewissheiten“ im Entsorgungsnachweis (10.8.2 in NTB 02-03), dieses ist sehr allgemein gehalten und ermöglicht keine sachgerechte Beurteilung. In zahlreichen Kapiteln der Berichte zum Entsorgungsnachweis wird zwar auf Unsicherheiten hingewiesen, es fehlt jedoch eine Gewichtung. Es fehlen klare Hinweise, mit welchen weiteren Untersuchungen/ Massnahmen diesen begegnet werden soll. Wie schätzt die Nagra selbst die verbleibenden Unsicherheiten und Restrisiken ein und wie sollen diese ausgeräumt werden?

Thema , Bereich
Eingegangen am 23. Dezember 2005 Fragende Instanz Vertreter des Kantons Schaffhausen
Status beantwortet
Beantwortet am 23. Dezember 2005 Beantwortet von

Beantwortet von Nagra

Die Bewertung der Ungewissheiten erfolgt im Sicherheitsbericht zum Entsorgungsnachweis (NTB 02-05). Das Vorgehen der Nagra beim Umgang mit Ungewissheiten besteht aus mehreren Schritten und kann wie folgt zusammengefasst werden:

(1) Im ersten Schritt wird ein umfassendes Systemverständnis sowie ein Verständnis der möglichen zukünftigen Entwicklungen aufgebaut und dokumentiert; und Ungewissheiten werden systematisch erfasst (Kapitel 4 und 5 sowie speziell Tab. 5.7-1 im Sicherheitsbericht NTB 02-05).

(2) Im zweiten Schritt wird – basierend auf dem Systemverständnis aus Schritt 1 – das Verhalten der Radionuklide in den verschiedenen Systemkomponenten beschrieben und die dazu gehörenden Ungewissheiten dokumentiert. Dann wird in Sensitivitätsanalysen untersucht, wie diese Ungewissheiten sich auf das Verhalten bzw. die Freisetzung der Radionuklide auswirkten. Dies erlaubt eine Bewertung der Ungewissheiten: Es gibt solche, die wegen ihres geringen Einflusses auf das Verhalten der Radionuklide vernachlässigt werden können; alle anderen werden vorgemerkt für eine vertiefte Abklärung; d.h. deren Auswirkungen werden mit spezifischen Rechenfällen evaluiert (Kapitel 6 sowie speziell Tab. 6.8-1 im Sicherheitsbericht NTB 02-05).

(3) Im dritten Schritt werden die im Schritt (2) zur vertieften Abklärung vorgesehenen Ungewissheiten in einem breiten Spektrum von Rechenfällen analysiert. Im Bericht „FEP Management for Safety Assessment“ (NTB 02-23) wird aufgezeigt, wie mit einer exakten Buchführung sichergestellt wird, dass alle in den bisherigen Schritten identifizierten Ungewissheiten mit geeigneten Werkzeugen bewertet werden. Ferner wird die Liste der diskutierten Phänomene einem Quervergleich mit internationalen Datenbanken unterzogen, um zu gewährleisten, dass keine relevanten Phänomene und zugehörige Ungewissheiten „vergessen“ werden. Die Resultate dieser Rechenfälle werden im Kapitel 7 des Sicherheitsberichts (NTB 02-05) vorgestellt.

(4) Im vierten Schritt werden die Resultate der Analyse der Rechenfälle bewertet (Kapitel 8 sowie speziell Tab. 8.2-2 im Sicherheitsbericht NTB 02-05).

Im Kapitel 8.2.8.4 des Sicherheitsberichts wird das Resultat der Anwendung dieser Methodik vorgestellt: Es wird festgestellt, dass die Sicherheitsanalyse für das Projekt Entsorgungsnachweis, trotz der Berücksichtigung eines breiten Spektrums von möglichen zukünftigen Entwicklungen, welche mit einer klar definierten Methodik identifiziert wurden, keine verbleibenden Ungewissheiten identifiziert hat, welche die Sicherheit des geologischen Tiefenlagers in Frage stellen könnten. Zum Spektrum der berücksichtigten Szenarien und Rechenfälle und zur Analyse der Ungewissheiten hält der Bericht der Experten der OECD/NEA, in dem die Resultate der Überprüfung der Nagra-Sicherheitsanalyse zum Entsorgungsnachweis vorgestellt werden, fest [1]: „Die in der Sicherheitsanalyse berücksichtigten Szenarien und Rechenfälle decken eine breite Auswahl an Möglichkeiten ab und sind genügend umfassend. Die Auswirkungen der mit den Daten und Modellen verbundenen Ungewissheiten auf die Sicherheit sind umfassend analysiert worden und solche Ungewissheiten sind im Sicherheitsnachweis auf geeignete Weise berücksichtigt worden.“

Im Kapitel 8.4 des Sicherheitsberichts wird ferner erläutert, dass die Resultate der Sicherheitsanalyse sowie die Resultate der behördlichen Gutachten wichtige Hinweise liefern rsp. liefern werden für die weiteren Arbeiten im Hinblick auf die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers. Im gleichen Kapitel wird auch eine vorläufige Liste solcher Themen aufgeführt, und es wird aufgezeigt, dass diese Themen entweder schon in Bearbeitung sind oder dass entsprechende Untersuchungen geplant sind. Sobald die behördlichen Gutachten mit konkreten Empfehlungen vorliegen, wird die zu bearbeitende Themenliste entsprechend aufdatiert und direkt in den Forschungs und Entwicklungsplan der Nagra einfliessen. Damit wird sichergestellt, dass die entsprechenden Ungewissheiten weiter reduziert werden. Es sei aber darauf hingewiesen, dass es nicht notwendig ist, sämtliche Ungewissheiten auszuräumen: Falls klar nachgewiesen werden kann, dass das Verhalten der Radionuklide im System unempfindlich ist auf Variation z.B. eines Parameters innerhalb bestimmter Bandbreiten, so ist es nicht notwendig, diese Bandbreite durch zusätzliche Forschungsarbeiten weiter zu reduzieren.

Referenzen

[1] OECD Nuclear Energy Agency: Die Sicherheit der geologischen Tiefenlagerung von BE, HAA und LMA in der Schweiz: Eine internationale Expertenprüfung der radiologischen Langzeitsicherheitsanalyse der Tiefenlagerung im Opalinuston des Zürcher Weinlands. OECD/NEA, Issy-les-Moulineaux, 2004.