Technisches Forum Sicherheit

Frage 68: Warum wird die sicherste Lösung für den Zugang zum Lager von vornherein verunmöglicht?

Der Zugang zu einem Tiefenlager ist eine Sollbruchstelle. Das Gestein wird durch die Stollen verletzt und geschwächt. Ein Schacht zwischen Oberflächenanlage und Tiefenlager ist die sicherste Lösung, da sind sich verschiedene Experten einig. Die Verletzung des Wirtgesteins wäre bei dieser Variante am geringsten.

Das Sachplanverfahren verunmöglicht jedoch a priori die Option eines Schachts. Es werden nämlich schon zu Beginn der Etappe 2, ab Anfang 2012, Standorte für die Oberflächenanlage ausgeschieden. Pro Region werden das mehrere Standorte sein – erst sehr viel später wird feststehen, wo das Tiefenlager im Untergrund genau zu liegen kommt. Damit wird die sicherste Zugangsoption, der Schacht, verunmöglicht. Es müsste schon ein sehr grosser Zufall sein, dass die Oberflächenanlage und das Tiefenlager genau übereinander zu liegen kommen.

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Eingegangen am 9. Februar 2012 Fragende Instanz SES
Status beantwortet
Beantwortet am 19. Juni 2013 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

Machbarkeit & Sicherheit

Bei der Beurteilung der technischen Machbarkeit eines geologischen Tiefenlagers wird geprüft, ob mit den heutigen technischen Mitteln das Lager gebaut, betrieben, überwacht und schliesslich unter Gewährleistung der Langzeitsicherheit verschlossen werden kann. Nach Ansicht des ENSI ist die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers mit den dazu notwendigen Erschliessungsbauwerken (Rampe/Schacht) unter den felsmechanischen Gegebenheiten in den vorgeschlagenen Tiefenlagen machbar. Für die Erstellung der Untertagebauwerke liegt heute eine breite nationale und internationale Erfahrung aus dem Tunnel- und Bergbau vor. Aus heutiger Sicht ist die Erschliessung per Rampe oder Schacht grundsätzlich möglich, beide Varianten weisen Vor- und Nachteile auf.

Im Rahmen des Entsorgungsnachweises für ein Lager für hochaktive Abfälle wurde für Rampe und Schacht die Machbarkeit aufgezeigt. Für die Überprüfung der bautechnischen Machbarkeit des Tiefenlagers im Opalinuston des Zürcher Weinlandes hatte das ENSI einen Auftrag an ihren Experten Emch+Berger, Ingenieure und Planer, Bern, erteilt. Der Expertenbericht geht ausführlich auf die felsmechanischen Verhältnisse im Opalinuston und auf die bautechnischen Aspekte des Tiefenlagers ein und beurteilt dessen Auslegung und Realisierung. Die Experten kamen zum Schluss, dass die für den Bau vorgesehenen Vortriebstechniken flexibel sind und sich für alle anzutreffenden Gesteinsschichten eignen. Die aufgeworfenen Fragen und Kritikpunkte können im Laufe der nächsten Realisierungschritte bearbeitet und die Projekte noch weiter optimiert werden. Eine grundsätzliche Änderung der baulichen Anlage des Tiefenlagers drängt sich aus der bautechnischen Begutachtung nicht auf.

In Etappe 1 des Sachplans wurden Planungsperimeter ausgeschieden im Wissen, dass die Erschliessung Oberfläche-Untergrund grundsätzlich mit Schacht und Rampe möglich ist. Die Ausdehnung des Planungsperimeter (max. 5 km Radius um das geologische Standortgebiete) ist generell akzeptiert, denn auch eidgenössische Kommissionen wie die KSA und die KNE zweifelten nicht an der grundsätzlichen Realisierbarkeit eines Lagers für hochaktive Abfälle im Wirtgestein Opalinuston und der Erschliessung über eine Rampe oder Schacht. Die KSA kam 2005 auf Grund ihrer Beurteilung zum Schluss, dass das mit einer Rampe erschlossene Lager im Opalinuston im Zürcher Weinland aus technischer Sicht erstellt, betrieben und sicher verschlossen werden kann. Die KNE hat das Konzept und die bautechnische Machbarkeit des geologischen Tiefenlagers ebenfalls überprüft. Sie kommt zum Schluss, dass der Bau des Lagers im Opalinuston machbar ist. Hinsichtlich Anordnung der Zugangsbauwerke, Vorgehensweise beim Schachtbau und Dimensionierung der Querschnitte der Untertagebauwerke hat die KNE einige Kritikpunkte und Anregungen, die aber die grundsätzliche Machbarkeit nicht in Frage stellen.

Zusätzlich wurden die sicherheitstechnischen Aspekte der Erschliessung an einem Behördenseminar diskutiert. Dieses Seminar wurde in 2 Fachsitzungen aufgeteilt: Entgegennahme und Diskussion der wichtigen Fragen zum Thema Zugangsbauwerke und deren Versiegelung (Teil 1) und detaillierte Behandlung der im ersten Teil ausgewählten Fragen (Teil 2). Am Behördenseminar nahmen Vertreter und Vertreterinnen der AG SiKa, Beirat Entsorgung, BFE, Basler& Hofmann, EGT/ETHZ, ENSI, KES, KNS und der Nagra teil. Themen des 2. Teils des Behördenseminar waren

  • Versiegelungskonzept und Auswirkungen auf die Langzeitsicherheit
  • Stand der Forschung zur Erstellung und dem Langzeitverhalten von Versiegelungsbauwerken
  • Geologische Gefährdungsbilder von Untertagebauwerken, bautechnische Risikoanalyse für Etappe 2 SGT und ihre Relevanz für die Langzeitsicherheit
  • Risikoanalyse aus Sicht der KNS
  • Varianten für die Erschliessungsbauwerke und Diskussion der sicherheitstechnischen Aspekte

Aus den geführten Diskussionen zum Thema Zugangsbauwerke und deren Versiegelung zieht das ENSI im Anschluss an das Behördenseminar die folgenden Schlussfolgerungen:

  • Die bautechnische Machbarkeit der Zugangsvarianten Schacht und Rampe (sowie eine Kombination aus beiden) ist grundsätzlich gegeben. Es liegen derzeit keine zwingenden bautechnischen Argumente gegen eine der möglichen Zugangsvarianten vor.
  • Durch Langzeitexperimente in Felslaboratorien konnte gezeigt werden, dass die für die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers notwendigen Versiegelungen nach heutigem Kenntnisstand mit vorhandenen Materialien und Techniken grundsätzlich errichtet werden können. Aus nationaler wie internationaler Forschung  ergeben sich bisher keine Hinweise, dass die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers durch die Art der Zugangsbauwerke (Schacht oder Rampe) und deren Versiegelung in Frage gestellt wäre. Die Forschung zu Versiegelungsbauwerken ist nach Ansicht des ENSI aber weiterzuführen und anhand von 1:1 Demonstrationsexperimenten in      Felslaboratorien zu verifizieren.
  • Von den Teilnehmenden wurde zusätzlicher Diskussionsbedarf zur Betriebsphase identifiziert. Für die Betriebsphase wurde zusätzlich eine neue Frage (TFS-Frage 79) im Technischen Forum Sicherheit eingereicht.
  • Die Entsorgungspflichtigen haben gemäss Kriteriengruppe 4 „Bautechnische Eignung“ zu zeigen, dass die untertägigen Bauwerke (inkl. Zugangsbauwerke) sicher gebaut, betrieben und verschlossen werden können. Bei dieser Beurteilung muss das Gesamtsystem (Erschliessung des untertägigen Lagerperimeters zum Standortareal)      standortspezifisch betrachtet werden.

Das ENSI wird während der weiteren Standortsuche im Sachplanverfahren in jeder Etappe überprüfen und neu bewerten, ob der vorgeschlagene Zugang zum Tiefenlager die Sicherheitsanforderungen erfüllt und ob er sicher verschlossen werden kann. Das ENSI kann sich dabei auch auf die unabhängige Beurteilung der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung (EGT) abstützen.

Zum Sachplanverfahren

Das Sachplanverfahren hat zum Ziel, in drei Etappen einen sicheren und bautechnisch geeigneten Standort für ein geologisches Tiefenlager je für SMA und HAA zu finden. In Etappe 2 SGT laufen verschiedene Prozesse (erdwissenschaftliche Untersuchungen, regionale Partizipation und Diskussion von Vorschlägen für die Standortareale der Oberflächenanlagen, sozioökonomische Grundlagenstudien, Beurteilung Raumplanung und Umweltaspekte, etc.) parallel ab, die am Ende zu einer Gesamtbewertung zusammengefügt werden. Dabei hat die Sicherheit nach wie vor oberste Priorität. Das parallele Vorgehen ist deshalb gerechtfertigt, da die Anforderungen und Beurteilungskriterien für jeden Prozess wieder verschieden sind. Im Hinblick auf die Einengung von mindestens je zwei geologischen Standortgebieten (inkl. zugehörige Oberflächenstandortareale) pro Lagertyp muss die Nagra für jedes Standortgebiet provisorische Sicherheitsanalysen, einen sicherheitstechnischen Vergleich und bautechnische Risikoanalysen (unter Berücksichtigung der Erschliessung des Lagers) durchführen. Das ENSI hat die Anforderungen an die bautechnischen Risikoanalysen zusammen mit seinen Experten der Ingenieurgeologie der ETH Zürich entwickelt und wird diese in der Aktennotiz ENSI 33/170 dokumentieren. Die Ergebnisse dieser Risikobetrachtungen werden die Vor- und Nachteile von verschiedenen Zugangsvarianten aufzeigen.

Zusammenfassend kommt das ENSI zum Schluss, dass mit dem dargestellten Sachplanverfahren ein sicherheitsgerichtetes Vorgehen gewährleistet ist und das Verfahren genügend breit ausgelegt ist, um auf Fragen und Anliegen der Regionen eingehen und berücksichtigen zu können.

Beantwortet von Nagra

Die Frage lässt sich in die folgenden Teilfragen aufteilen:

  1. Ist der Schacht die für die Langzeitsicherheit sicherste Lösung?
  2. Muss die Oberflächenanlage direkt über dem Lager liegen?

a) Ist der Schacht die für die Langzeitsicherheit sicherste Lösung?

Für die Langzeitsicherheit sind die Barrierenwirkung des Wirtgesteines und der allenfalls vorhandenen Rahmengesteine (zusammen: einschlusswirksamer Gebirgsbereich) massgebend; die über dem einschluss-wirksamen Gebirgsbereich liegenden Gesteinsschichten haben als Radionuklidbarrieren (d.h. zur Rückhaltung von radioaktiven Substanzen) für die Gewährleistung der Langzeitsicherheit keine Bedeutung.

Die Zugangsbauwerke zu den Lagerkammern im Wirtgestein werden beim Verschluss des Lagers versiegelt und verfüllt. Für die Versiegelung im Hinblick auf die Langzeitsicherheit sind im Wirtgestein sowohl horizontale und leicht geneigte (für Rampe) als auch vertikale (für Schacht) Versiegelungsstrecken notwendig. Für den Fall des Schachtes wird neben dem vertikalen Abschnitt im Wirtgestein immer auch eine horizontale Versiegelungsstrecke eingeplant. Die horizontale Versiegelung hat dabei gegenüber der vertikalen Versiegelung den Vorteil der bedeutend grösseren Länge und gewährleistet damit eine sehr gute Barrierenwirkung. Dabei ist zu beachten, dass der für den Wasserfluss relevante Querschnitt der horizontalen und vertikalen Bauten etwa gleich gross ist, die Gradienten (Druckunterschied entlang der Bauten) jedoch bei horizontalen Bauten in der Regel deutlich kleiner sind. Die Barrierenwirkung der Versiegelung wurde in verschiedenen Sicherheitsanalysen untersucht (z.B. Entsorgungsnachweis, geprüft von den Behörden, wo neben einem Schacht zusätzlich auch schon eine Rampe für den Zugang Untertag verwendet wurde). Die praktische Umsetzung der Versiegelung wurde in verschiedenen Experimenten in Felslabors im relevanten Massstab untersucht (z.B. Versuche in Stripa und Äspö in Schweden, im Felslabor in Kanada, im Felslabor Grimsel und im Felslabor Mont Terri).

Aus Gründen des Grundwasserschutzes sind auch die mit Schacht und/oder Rampe durchfahrenen Aquifere (wasserdurchlässigere Gesteinsschichten über dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich) bei Verschluss der geologischen Tiefenlager durch entsprechende Versiegelungen voreinander zu trennen, damit es keine signifikanten Wasserflüsse vom einem Aquifer in den anderen gibt. Diese Versiegelungen sind jedoch für die Gewährleistung der Langzeitsicherheit nicht notwendig. Diese über dem einschlusswirksamen Gebirgsbereich liegenden Versiegelungen haben keinen Einfluss auf das Verhalten und die Langzeitentwicklung der Versiegelungen im Wirtgestein bzw. einschlusswirksamen Gebirgsbereich, welche auf einen sofortigen Wasserzutritt nach Fertigstellung ausgelegt sind.

Aus Sicht der Nagra sind sowohl Schacht als auch Rampe geeignet als Zugänge zu den untertägigen Lageranlagen. Diese Varianten unterscheiden sich zwar (beide haben ihre Vor- und Nachteile), aber beide gewährleisten bei geeigneter Auslegung (inkl. Versiegelung) die erforderliche Langzeitsicherheit.

Schacht und Rampe werden nicht nur von der Nagra sondern auch von anderen Organisationen in ihren Projekten für geologische Tiefenlager verwendet (z.B. Andra/Frankreich, Posiva/Finnland und SKB/Schweden) und Schacht sowie Rampe sind auch im Bergbau gebräuchlich.

b) Muss die Oberflächenanlage direkt über dem Lager liegen?

Die Oberflächenanlage muss nicht direkt über den untertägigen Lageranlagen liegen. Mit einer Rampe oder mit einer Kombination von (sub-)horizontalem Tunnel und Schacht können die untertägigen Lageranlagen von der Oberflächenanlage her erschlossen werden, auch wenn die Oberflächenanlage nicht über den untertägigen Lageranlagen liegt. Mit dem Konzept des Planungsperimeters trägt der Sachplan dem Rechnung, indem ein Streifens von 5 km um die geologischen Standortgebiete zur Anordnung der Oberflächenanlage genutzt werden kann.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das schweizerische Entsorgungskonzept für den Zugang Untertag zurzeit drei Zugänge vorsieht, für welche sowohl Schacht als auch Rampe (bzw. eine Kombination von (sub-) horizontalem Tunnel und Schacht) verwendet werden können. Sowohl die Verwendung nur von Schächten oder eine Kombination aus Schächten und Rampen lassen ein sicheres Lager zu und somit muss auch die Oberflächenanlage nicht direkt über den untertägigen Lageranlagen liegen.