Die behördlichen Vorgaben zum Behältermaterial sind in der Kernenergieverordnung (KEV) und der Richtlinie ENSI-G03 festgehalten:
Mehrfachbarrierensystem
Ein Geologisches Tiefenlager ist so auszulegen, dass die Langzeitsicherheit durch gestaffelte, passiv wirkende, technische und natürliche Barrieren Sicherheitsbarrieren gewährleistet wird (KEV Art.11, ENSI-G03 Leitsatz Sicherheitsbarrieren). Bei der Auslegung der Lagereinbauten, einschliesslich der technischen Barrieren, ist auf die physikalische und chemische Verträglichkeit mit den Abfällen und mit der natürlichen Barriere zu achten (ENSI-G03). Weiterhin sind gemäss KEV Art. 7 bei der Auslegung, beim Bau, bei der Inbetriebnahme und beim Betrieb von Kernanlagen bewährte oder nachweislich hochqualitative Verfahren, Werkstoffe, Techniken sowie Organisationsstrukturen und -abläufe einzusetzen.
Zusätzlich dürfen gemäss Richtlinie ENSI-G03 Abfallgebinde nur dann angenommen werden, wenn ihr chemisches und radiologisches Inventar mit den entsprechenden Voraussetzungen des Sicherheitsnachweises verträglich ist. Die für die Einlagerung von Abfallgebinden in einem geologischen Tiefenlager erforderlichen Verpackungsverfahren sowie die Nachweise für die Erfüllung der Annahmebedingungen für das vorgesehene geologische Tiefenlager sind dem ENSI zur Prüfung vorzulegen.
Anforderungen an die Lagerbehälter
Des Weiteren gibt es in der Richtlinie ENSI-G03 spezifische Anforderungen an die Lagerbehälter. Im Sinne einer Optimierung der Langzeitsicherheit sind die Lagerbehälter für hochaktive Abfälle auf einen vollständigen Einschluss der Radionuklide während tausend Jahren ab deren Einlagerung auszulegen. Die Entsorgungspflichtigen haben die zeitliche Einschlussfähigkeit der Lagerbehälter aufzuzeigen. Lagercontainer für schwach und mittel aktive Abfälle sind bezüglich mechanischer Beständigkeit so auszulegen, dass sie mindestens bis zum Ende der Beobachtungsphase ohne grossen Aufwand rückgeholt werden können.
Stellungnahmen des ENSI (bzw. der ehemaligen HSK) zum Entsorgungsnachweis Projekt Opalinuston
Das ideale Behältermaterial gibt es nicht, kein Material hat nur Vorteile. Der von der Nagra vorgeschlagene Stahlbehälter für hochaktive Abfälle wurde vom ENSI im Rahmen des Entsorgungsnachweises Projekt Opalinuston beurteilt. Das Behältermaterial Stahl für hochaktive Abfälle hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile dieses Behältermaterials sind beispielsweise, dass die Eigenschaften des Materials recht gut bekannt sind und sein Verhalten unter Tiefenlagerbedingungen entsprechend gut vorhersagbar ist. Die Korrosionsprodukte des Eisens und das bei der Korrosion entstehende Wasserstoffgas wirken stabilisierend auf die Redox-Verhältnisse im Tiefenlagernahfeld (HSK 35/99). Ein wichtiger Nachteil des Stahlbehälters ist hingegen, dass die Korrosionsrate und damit die Bildungsrate des Wasserstoffgases zu hoch sind, als dass das Gas im Porenwasser gelöst bleibt. Die geringe Gasdurchlässigkeit der Bentonitverfüllung und des Opalinustons behindert das Entweichen des Gases, was zu einem Druckaufbau um den Behälter führt. Ist genügend Druck aufgebaut, beginnt das Gas sich auszubreiten und muss dabei als erste Barriere die Bentonitverfüllung überwinden. Die Möglichkeiten des Weitertransportes des Gases im Wirtgestein sind entscheidend, um abzuklären, ob der Gasdruck am Übergang vom Nahfeld zum Wirtgestein unter Bildung neuer Wegsamkeiten zu einer irreversiblen Beschädigung des Wirtgesteins führt.
Zusammenfassend lässt sich für den Entsorgungsnachweis Projekt Opalinuston festhalten, dass das ENSI bezüglich Gastransport im Opalinuston zum Schluss kommt, dass die Nagra das Problem des Gastransportes umfassend angegangen hat. Die vom ENSI erkannten offenen Fragen werden dadurch relativiert, dass die Nagra in konservativer Weise von einer kontinuierlich maximalen Gasproduktion ausgeht und die Wasserzehrung sowie den Gastransport entlang der EDZ (Auflockerungszone um den Lagerstollen) nicht berücksichtigt hat. Das ENSI stellt aufgrund eigener Berechnungen fest, dass der von der Nagra aufgestellte Nachweis generell robust ist und aufzeigt, dass irreversible Schäden im Wirtgestein durch die auftretenden Gasdrücke nicht zu erwarten sind (HSK 35/99).
Der von der Nagra als Alternative betrachtete Kupferbehälter mit Innenbehälter aus Eisen würde voraussichtlich während noch längerer Zeit (mehrere 100 000 Jahre) einen absoluten Einschluss gewährleisten. Dank der geringeren Korrosionsrate würde weniger Wasserstoffgas entstehen. Diese Behältervariante wirft hingegen andere Fragen auf, z.B. zur galvanischen Korrosion von Eisen und Kupfer oder zur Frage der Sulfidkorrosion von Kupfer, die es zu klären gäbe (HSK 35/99).
Nach Ansicht des ENSI stellen die offenen Fragen bezüglich Materialeigenschaften und Korrosionsverhalten der Behälter die Machbarkeit der Tiefenlagerung nicht in Frage. Sollte sich im Laufe der weiteren Abklärungen herausstellen, dass bei der Verwendung eines Stahlbehälters der bei der Korrosion entstehende Wasserstoff die Wirkung der technischen und natürlichen Barrieren beeinträchtigen könnte, besteht die Möglichkeit, statt dessen den als Alternative beschriebenen Kupferbehälter zu verwenden (HSK 35/99).
Das ENSI hat anlässlich seiner Beurteilung des Entsorgungsnachweises weitere Abklärungen zur Gasproblematik gefordert, darunter auch bezüglich Behältermaterialien und des Gastransports durch die Bentonitverfüllung und das Wirtgestein. Diese Empfehlungen müssen stufengerecht im Verlauf der weiteren Realisierungsschritte des Lagerprojektes beantwortet werden. Wenn Behälter aus anderen Materialien bezüglich Sicherheit klare Vorteile zeigen, soll man diese im Sinne einer Optimierung des Lagerkonzepts verwenden. Die Nagra muss gemäss Artikel 23 der Kernenergieverordnung im Rahmenbewilligungsgesuch die Grundsätze des Tiefenlagers sowie gemäss Artikel 17 des Kernenergiegesetzes im Baubewilligungsgesuch die wesentlichen Elemente der technischen Verwirklichung angeben. Mit der Baubewilligung wird daher das definitive Behälterdesign festgelegt.
Referenzen
ENSI-G03 Spezifische Auslegungsgrundsätze für geologische Tiefenlager und Anforderungen an den Sicherheitsnachweis, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Richtlinie, Würenlingen, 2009
HSK 35/99: Gutachten zum Entsorgungsnachweis der Nagra für abgebrannte Brennelemente, verglaste hochaktive sowie langlebige mittelaktive Abfälle (Projekt Opalinuston), Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen, Würenlingen, 2005
KEG: Kernenergiegesetz vom 21. März 2003, Schweiz, SR 732.1.
KEV: Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004, Schweiz, SR 732.11.