Technisches Forum Sicherheit

Frage 62: Verfahren mit den Empfehlungen der KNS

Zur Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) betr. die Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen in Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager vom Juni 2011, KNS 23/247

In der o.g. Stellungnahme macht die KNS fünf Empfehlungen:

  • Zusätzliche 2D-Seismik in den Standortgebieten Jura-Südfuss und Südranden.
  • Umfassende Lagebeurteilung nach erfolgter Auswertung der von Nagra vorgesehenen Arbeiten sowie ergänzenden weiteren Arbeiten – Bewertung, ob die Datengrundlagen für die Zielsetzung der Etappe 2 ausreichen.
  • Die Methodik des qualitativen sicherheitstechnischen Vergleichs soll vorgängig zur Einengung in Etappe 2 genauer spezifiziert werden.
  • Erschliessungsvarianten mit Vertikalschächten ohne Rampen sollen umfassend abgeklärt werden.
  • Auf der Basis des EKRA-Konzeptes sollen die Lagerkonzepte noch in Etappe 2 einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen und die entsprechenden Forschungsprojekte mit hoher Priorität bearbeitet werden.

Von der Arbeitsgruppe Sicherheit Kantone (AG SiKa) und der Kantonalen Expertengruppe Sicherheit (KES) wurden bereits in einem Fachbericht vom Mai 2011 Schlussfolgerungen gezogen, die in die gleiche Richtung wie die o.g. Empfehlungen 1 – 3 gehen. Weiterhin wird auch in der Stellungnahme der deutschen Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager (ESchT) vom Mai 2011 u.a. empfohlen, die Methodik zur qualitativen sicherheitstechnischen Bewertung vor ihrer Anwendung in Etappe 2 festzulegen.

Zum Lagerkonzept, insb. zum EKRA-Konzept, wurde von Österreich bereits eine Frage in das TFS eingebracht (TFS-Frage 40 vom 03.12.2009), die von ENSI bereits 2010 beantwortet wurde. In der Antwort wird u.a. auf des Entsorgungsprogramm 2008 und Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Nagra, auf Projekte der regulatorischen Sicherheitsforschung und das weitere Vorgehen eingegangen.

Fragen dazu – primär an ENSI, auch Nagra wird um Stellungnahme gebeten:

  1. Wie werden die fünf Empfehlungen der KNS bewertet – inwieweit wird diesen Empfehlungen gefolgt werden?
  2. Falls bestimmte Empfehlungen nicht aufgegriffen werden – wie wird dies begründet?
  3. Soweit den Empfehlungen gefolgt wird – in welcher Form soll dies geschehen, haben entsprechende Aktivitäten bereits begonnen? Lt. Kurzprotokoll der 9. TFS-Sitzung wird das Vorgehen bei der sicherheitstechnischen Bewertung im Rahmen von Fachsitzungen von ENSI mit KNE, AG SiKa/KES und ESchT diskutiert. Stellt dies bereits eine Reaktion auf die entsprechende Schlussfolgerung im o.g. Fachbericht der AG SiKa/KES vom Mai 2011 dar?
  4. Gibt es zu den Lagerkonzepten unabhängig von der Empfehlung der KNS neue Entwicklungen bzw. Stellungnahmen, die von der o.g. Antwort des ENSI auf TFS-Frage 40 noch nicht abgedeckt waren?
  5. Welcher Zeitaufwand wird für die Umsetzung der Empfehlungen der KNS jeweils angesetzt; inwieweit sind dadurch Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Etappen 2 und 3 des Sachplans geologische Tiefenlager zu erwarten?
Thema Bereich
Eingegangen am 14. September 2011 Fragende Instanz Verteter Österreich
Status beantwortet
Beantwortet am 31. Mai 2012 Beantwortet von ,

Beantwortet von ENSI

a) Wie werden die fünf Empfehlungen der KNS bewertet – inwieweit wird diesen Empfehlungen gefolgt werden?

Zur ersten Empfehlung der KNS

Die erste Empfehlung der KNS beinhaltet die Forderung nach zusätzlichen 2D-seismischen Untersuchungen in den Standortgebieten Jura-Südfuss und Südranden. Dies wurde im Auftrag der Nagra im Frühjahr 2012 durchgeführt und wird für die sicherheitstechnischen Unterlagen für Etappe 2 ausgewertet.

Zur zweiten Empfehlung der KNS

Die zweite Empfehlung der KNS beinhaltet den Vorschlag einer umfassenden Lagebeurteilung nach erfolgter Auswertung der von der Nagra vorgesehenen Arbeiten sowie ergänzender weiterer Arbeiten und die Bewertung der Frage, ob die Datengrundlage für die Zielsetzung der Etappe 2 SGT ausreicht. Das ENSI hat in ENSI 33/115 (Stellungnahme zu NTB 10-01) 41 Forderungen an die Nagra formuliert und wird vor Einreichung der Nagra-Unterlagen für die Etappe 2 SGT prüfen, ob die Unterlagen die behördlichen  Anforderungen erfüllen. Das ENSI wird – nach Diskussionen mit Vertretern der AG SiKa, der KES, der KNS und der EGT – das Vorgehen bei der Überprüfung des Kenntnisstands in der Aktennotiz ENSI 33/115 festlegen.

Zusammengefasst wird wie folgt vorgegangen werden: Im Rahmen von „Zwischenhalt-Fachsitzungen“ werden die im Pflichtenheft des Konzeptteils Sachplan aufgeführten Behörden und Gremien (ENSI, KNS, EGT, AG SiKa/KES) über die Ergebnisse der zusätzlichen Untersuchungen der Nagra für Etappe 2 SGT informiert. In diesen Sitzungen wird diskutiert, ob der geologische Kenntnisstand, respektive die verwendeten Modelle den behördlichen Anforderungen (ENSI 33/075 und ENSI 33/115) genügen und ob der sicherheitstechnische Vergleich in Etappe 2 durchgeführt werden kann. Falls das ENSI nach den jeweiligen Zwischenhalt-Fachsitzungen zum Schluss kommt, dass der Kenntnisstand ausreichend ist, vervollständigt die Nagra die sicherheitstechnische Dokumentation für Etappe 2.

Vor der Einreichung der Nagra-Unterlagen beim BFE führt das ENSI eine Grobprüfung der Dokumentation durch. Das ENSI prüft, ob die formellen Vorgaben des Konzeptteils des Sachplans und die Vorgaben des ENSI erfüllt sind. Falls dies zutrifft, informiert das ENSI das BFE, dass die Nagra ihren Auftrag zur Abklärung des Kenntnisstands gemäss Sachplan erfüllt hat. Falls dies nicht zutrifft und die Dokumentation noch Lücken aufweist, muss die Nagra diese noch schliessen.

Die Aktennotiz ENSI 33/115 wird vor Einreichung der sicherheitstechnischen Unterlagen der Nagra vorliegen und im Technischen Forum vorgestellt werden.

Zur dritten Empfehlung der KNS

Drittens empfiehlt die KNS eine genaue Spezifizierung der Methodik des quantitativen sicherheitstechnischen Vergleichs vorgängig zur Einengung in Etappe 2 SGT. Das ENSI hält fest, dass das grundsätzliche Vorgehen des Einengungsverfahrens in Etappe 2 SGT im Konzeptteil des Sachplans sowie in ENSI 33/075 definiert ist. Die Fragen zur Bewertungsmethodik für Etappe 2 werden in Fachsitzungen mit der EGT, AG SiKaund KES diskutiert. Aufgrund dieser Diskussionen wird das ENSI die Aktennotiz ENSI 33/154 verfassen, in der das Vorgehen beim sicherheitstechnischen Vergleich präzisiert wird. Diese Aktennotiz dient neben dem Konzeptteil des SGT und ENSI 33/075 der Nagra bei der Festlegung der Bewertungsmethodik für die Einengung in Etappe 2.

Die Aktennotiz ENSI 33/154 wird vor Einreichung der sicherheitstechnischen Unterlagen der Nagra vorliegen und im Technischen Forum vorgestellt werden.

Zur vierten Empfehlung der KNS

Die vierte Empfehlung der KNS beinhaltet die Forderung nach einer umfassenden Abklärung der Erschliessungsvarianten mit Vertikalschächten ohne Rampen.

Es bestehen grosse nationale und internationale Erfahrungen beim Bau von untertägigen Bauwerken, beispielsweise aus dem Bau und Betrieb von Minen und Tunnel. Die Erschliessung des geologischen Tiefenlagers mittels Rampe oder Schacht ist aus der heutigen Sicht der Fachbehörden des Bundes grundsätzlich möglich. Beide Varianten weisen Vor- und Nachteile auf. Bei seiner Beurteilung zum Entsorgungsnachweis für hochaktive Abfälle im Jahre 2005 hat das ENSI das von der Nagra vorgelegte Lagerkonzept mit Hilfe von unabhängigen Experten geprüft (Bericht Emch+Berger AG 2005). Dieses sieht einen Zugang zum Tiefenlager mit einer Rampe und Schächte für die Belüftung vor. Gemäss ENSI ist das vorgeschlagene Konzept der Anlage zweckmässig. Auch Kommissionen des Bundes wie die Kommission für die Sicherheit der Kernanlagen und die Kommission Nukleare Entsorgung kamen damals zum Schluss, dass die bautechnische Machbarkeit grundsätzlich erbracht ist.

Das ENSI wird während der weiteren Standortsuche im Sachplanverfahren in jeder Etappe überprüfen und neu bewerten, ob der vorgeschlagene Zugang zum Tiefenlager die Sicherheitsanforderungen erfüllt und ob er sicher verschlossen werden kann. Das ENSI kann sich dabei auch auf die unabhängige Beurteilung der Expertengruppe Geologische Tiefenlagerung (EGT) abstützen.

In Etappe 2 werden die bautechnischen Risiken stufengerecht und für die jeweiligen Standorte analysiert. Das ENSI hat die entsprechenden Anforderungen zusammen mit seinen Experten der Ingenieurgeologie der ETH Zürich entwickelt und wird diese in der Aktennotiz ENSI 33/170 dokumentieren.

Die Erschliessungsvarianten eines Tiefenlagers werden im Agneb-Forschungsprojekt „Lagerauslegung“ vertieft diskutiert, um den regulatorischen Bedarf für die Realisierung eines Tiefenlagers zu klären. Das ENSI wird über die Ergebnisse des Projekts im Laufe der Etappe 2 SGT informieren.

Zur fünften Empfehlung der KNS

Inhalt der fünften Empfehlung der KNS ist die Forderung nach der Überprüfung der Lagerkonzepte während Etappe 2 SGT. Das ENSI führt die Überprüfung der Eignung von vorgeschlagenen Lagerkonzepten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (KEG und die KEV) sowie der ENSI-Richtlinie ENSI-G03 durch. Zusätzlich werden spezifische Fragen zu den Lagerkonzepten im Rahmen des Agneb-Forschungsprojekts „Lagerauslegung“ diskutiert und damit abgeklärt, ob regulatorischer Reglungsbedarf für das ENSI besteht. Das ENSI wird im Technischen Forum über die Resultate dieses Forschungsprojekts berichten.

b) Falls bestimmte Empfehlungen nicht aufgegriffen werden – wie wird dies begründet?

Das ENSI prüft generell Empfehlungen auf ihre sicherheitstechnische Relevanz und trägt diesen stufengerecht Rechnung. Weiterhin werden Empfehlungen von Stellungnehmenden in die Anhörungsberichte des BFE zu den Ergebnissen jeder Etappe aufgenommen und gewürdigt.

c) Soweit den Empfehlungen gefolgt wird – in welcher Form soll dies geschehen, haben entsprechende Aktivitäten bereits begonnen? Lt. Kurzprotokoll der 9. TFS-Sitzung wird das Vorgehen bei der sicherheitstechnischen Bewertung im Rahmen von Fachsitzungen von ENSI mit KNE, AG SiKa/KES und ESchT diskutiert. Stellt dies bereits eine Reaktion auf die entsprechende Schlussfolgerung im o.g. Fachbericht der AG SiKa/KES vom Mai 2011 dar?

In Bezug auf Teilfrage c) verweist das ENSI auf seine Ausführungen zu Teilfrage a).

d) Gibt es zu den Lagerkonzepten unabhängig von der Empfehlung der KNS neue Entwicklungen bzw. Stellungnahmen, die von der o.g. Antwort des ENSI auf Frage 40 noch nicht abgedeckt waren?

Das ENSI weist darauf hin, dass Entwicklungen auf internationaler Ebene stattfinden (NEA, IAEA) und verweist auf den internationalen Stand von Lagerprojekten (z.B. Finnland, Schweden, Frankreich und Kanada). Ebenfalls ist zu erwähnen, dass die Ergebnisse der derzeit laufenden Agneb-Projekte „Lagerauslegung“, „Auslegung und Inventar des Pilotlagers“ und „Monitoring“ voraussichtlich bis Ende 2013 vorliegen werden.

e) Welcher Zeitaufwand wird für die Umsetzung der Empfehlungen der KNS jeweils angesetzt; inwieweit sind dadurch Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der Etappen 2 und 3 des Sachplans geologische Tiefenlager zu erwarten?

Die Empfehlungen 1-3 werden mit Einreichung der Unterlagen für Etappe 2 abgeschlossen bzw. umgesetzt sein, während zu den Empfehlungen 4 und 5 das Agneb-Projekt „Lagerauslegung“ noch während der Etappe 2 Ergebnisse liefern wird. Die Lagerauslegung ist ein Prozess, der bei der schrittweisen Realisierung eines Tiefenlagers stetig optimiert wird.

Der in der Antwort zur Frage 40 definierte Zeitrahmen musste modifiziert werden. Zum einen wartet das ENSI noch auf Resultate aus europäischen Projekten, zum anderen hat die Etappe 1 SGT und die Stellungnahme zum NTB 10-01 Ressourcen gebunden. Die drei Projekte „Pilotlager“, „Lagerauslegung“ und „Monitoring“ sind aber bereits angelaufen und Zwischenergebnisse sind bereits vorhanden.

Die Stellungnahmen zum Entsorgungsprogramm (NTB 08-01) und zu den Empfehlungen zum Entsorgungsnachweis (NTB 08-02) werden voraussichtlich im Mai 2012 veröffentlicht.

Referenzen

Emch+Berger AG (2005): Beurteilung der bautechnischen Machbarkeit eines geologischen Tiefenlagers für BE/HAA und LMA und der durch das Lager induzierten Prozesse, Expertenbericht HSK 35/97, Emch+Berger AG, Bern. https://www.ensi.ch/de/wp-content/uploads/sites/2/2012/04/emch-berger-abschlber-8-4-05.pdf

ENSI 33/115: Stellungnahme zu NTB 10-01 «Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in Etappe 2 SGT», Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Stellungnahme, Brugg, 2011

ENSI 33/154: Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager: Präzisierungen zur Bewertungsmethodik der Nagra, Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Brugg, 2012

ENSI 33/155: Ablauf der Überprüfung des geologischen Kenntnisstands vor Einreichung der Unterlagen für Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager (Entwurf), Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Brugg, 2012

ENSI 33/170: Bautechnische Risikoanalysen in Etappe 2 SGT (Entwurf), Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat, Aktennotiz, Brugg, 2012

NTB 10-01: Beurteilung der geologischen Unterlagen für die provisorischen Sicherheitsanalysen in SGT Etappe 2 – Klärung der Notwendigkeit ergänzender geologischer Untersuchungen, Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra Technischer Bericht, Wettingen, 2010.

Beantwortet von Nagra

Ergän­zung der Nagra:

Zur ersten Empfehlung der KNS

Die Nagra bestätigt, dass im Zeitraum vom 17.02.2012 – 27.02.2012 seismische Profile mit einer Gesamtlänge von etwa 27 km im geologischen Standortgebiet „Jura-Südfuss“ und zwischen 29.02.2012 – 07.03.2012 weitere 18 km im Standortgebiet „Südranden“ gemessen wurden.

Zur vierten Empfehlung der KNS

Zu dieser Empfehlung hält die Nagra ergänzend fest, dass die Lagerkonzepte für den Zugang Untertag sowohl Schacht als auch Rampe enthalten. In diesem Sinne ist auch die Option eines Zugangs nur mit Schächten in den Abklärungen enthalten.