Technisches Forum Sicherheit

Frage 49: Bergwasser mit einem hohen Chlorid- und Sulfatgehalt

  1. Im Artikel TIEFBAU 1/98, Seiten 33-35, wird darauf hingewiesen, dass beim Bau des Strassentunnels im Bözberg unerwartet Bergwasser mit einem hohen Chlorid- und Sulfatgehalt (bis 10 g/l) aufgetreten ist. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass beim Bau eines Endlagers im Bözberg ebenfalls mit diesem Bergwasser zu rechnen ist?
  2. Wenn ja, welche Massnahmen müssen ergriffen werden, um die Bauwerke, aber auch die Behälter für die radioaktiven Abfälle und die Abfälle selbst zu schützen? Die Lösung mit Folien ist vielleicht eine Lösung für Strassen- und Bahntunnels, welche nach einigen Jahrzehnten sowieso total saniert werden.
  3. Wie würde das stark salzhaltige Wasser entsorgt? Im Falle, dass dieses Wasser nach 200 Jahren nicht nur salzhaltig wäre, sondern noch radioaktiv verseucht würde, wie könnte das Wasser entsorgt werden?
  4. Der Bericht sagt auch, dass gemäss einer Studie der ETH 80% der Schäden durch Planungs- und Ausführungsfehler entstanden sind. Ich gehe davon aus, dass gerade im Bau von Autobahnen und Eisenbahnen relativ zuverlässig gearbeitet wird und dass auch verschiedene mehrstufige Kontrollmechanismen zum Einsatz kommen. Das dürfte auch beim Bau eines Endlagers der Fall sein, vielleicht ist das Monitoring noch strenger. In Anbetracht der Problematik eines Endlagers für radioaktive Abfälle müsste eigentlich die Toleranz für Planungs- und Ausführungsfehler gleich null sein, was natürlich illusorisch ist. Mit welchen Massnahmen wird versucht, Planungs- und Ausführungsfehler möglichst tief zu halten?
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Eingegangen am 5. Oktober 2010 Fragende Instanz Fragen aus der Bevölkerung | KAIB
Status beantwortet
Beantwortet am 10. Juni 2011 Beantwortet von

Beantwortet von ENSI

a)

Grundwasserzuflüsse (Bergwasser) werden im Untertagebau häufig beobachtet. Der in der Frage zitierte Artikel listet verschiedene Tunnelprojekte auf, bei denen mineralisierte Wässer angetroffen wurden. Der Artikel spricht jedoch nicht von unerwartetem Bergwasser oder unerwarteter Mineralisation, sondern von ungewöhnlichen Ablagerungen aus solchen Zuflüssen. Die Ablagerungen wurden durch aggressives Tiefengrundwasser mit hohem Chlorid- und Sulfatgehalt verursacht. Durch die mineralisierten Bergwässer war vor allem die Dauerhaftigkeit der Tunnelausbauten beeinträchtigt, welche langfristig zu einem erhöhten Instandsetzungsbedarf geführt hätten. Die Vorkommnisse im Bözbergtunnel konnten durch zusätzliche technische Massnahmen (Abdichtungen, Einbau eines zusätzlichen Tübbings) gelöst werden.

Bezüglich Geologie und Tektonik unterscheidet sich das vorgeschlagene geologische Standortgebiet Bözberg (neu Jura Ost) stark vom Bözberg-Autobahntunnel. Es liegt ausserhalb des komplex aufgeschobenen Faltenjuras, die Gesteinsschichten des Deckgebirges sind hier flach und relativ ruhig gelagert (Herznach-Bözberg-Tafel, siehe Geologischer Atlas der Schweiz, Kartenblatt Frick, 1:25 000, von 2006). Im Gegensatz dazu führt der Autobahntunnel durch die Aufschiebungen des Faltenjuras.

Hydrogeologisch zeichnet sich die Bözberg-Tafel durch einen ausgeprägten Grundwasserstockwerkbau aus, bei dem die wasserführenden Schichten (Aquifere) durch dichte, praktisch wasserundurchlässige Gesteinsschichten (Aquitarden) voneinander getrennt werden. Der Opalinuston ist eines dieser dichten Gesteine, weshalb er als Wirtgestein vorgeschlagen wurde.

Beim Bau eines geologischen Tiefenlagers muss zwischen den Zugangsbauwerken (Rampen und/oder Schächten), welche wasserführende Schichten durchqueren, und den eigentlichen Lagerkammern im dichten Opalinuston unterschieden werden. In den Zugangsbauwerken ist im Bereich wasserführender Schichten (Quartär, Molasse, Malm, Hauptrogenstein) mit Wasserzutritten zu rechnen, wobei die Mineralisation je nach Herkunft des Wassers sehr unterschiedlich sein kann. Vor dem Bau eines Tiefenlagers sind die lokalen hydrogeologischen und hydrochemischen Bedingungen am Standort mittels Bohrungen sorgfältig abzuklären.

b)

Die sichere Durchquerung wasserführender Schichten im Bereich der Zugangsbauwerke stellt erhöhte Anforderungen an Planung, Bau, Betrieb und Unterhalt dieser Bauwerke. Diese können jedoch mit dem heutigen Stand des Wissens, den heute verfügbaren Technologien und Erfahrungen zuverlässig beherrscht werden. Die Massnahmen reichen von einer sorgfältigen Planung (Vorauserkundung, Wahl der Streckenführung) über die von der Aufsichtsbehörde kontrollierte Ausführung der Massnahmen bis hin zu laufenden Instandhaltungs- und Erneuerungsarbeiten. Die angesetzten Massnahmen werden sich an den örtlichen Gegebenheiten zu orientieren haben und zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt (Baubewilligungsverfahren).

Ein denkbares Gefährdungsbild im Einlagerungsbereich des dichten Opalinustons ist ein allfälliger Wassereinbruch aus den überlagernden wasserführenden Gesteinsschichten entlang von Rampe oder Schacht. Die behördlichen Anforderungen (Richtlinie ENSI-G03) verlangen deshalb, dass die Auslegung eines geologischen Tiefenlagers so erfolgt, dass ein Wassereinbruch entlang der Zugangsbauwerke grundsätzlich verhindert wird. Dazu ist es wichtig, Wasserzutritte in den Zugangsbauwerken bereits bei deren Bau durch technische Massnahmen zu unterbinden oder zu minimieren. Anders als in durchgehenden Verkehrstunneln kann zuströmendes Wasser nicht frei an einem Portal auslaufen, sondern muss in einem Sumpf oberhalb des Wirtgesteins gesammelt und dann nach oben gepumpt werden (vgl. Alptransit Gotthard Basistunnel Zwischenangriff in Sedrun). Anders als in durchgehenden Verkehrstunneln werden die Untertagebauten nach Abschluss der Einlagerungs- und Beobachtungsphase wieder verfüllt und versiegelt. Mit der Verfüllung und Versiegelung der Zugangsbauwerke muss die dauerhafte hydraulische Trennung der Aquifere untereinander und gegenüber dem Tiefenlager wiederhergestellt werden.

c)

Die Entsorgung von salzhaltigem Wasser aus den Zugangsbauwerken muss während des Lagerbetriebes gemäss den behördlichen Vorgaben erfolgen (z.B. Gewässerschutzgesetz). Technische Lösungen und Erfahrungen sind bereits heute vorhanden. Da die Wasserzutritte nur in den Zugangsbauwerken auftreten, das heisst oberhalb des dichten Wirtgesteins gesammelt werden, können diese zuströmenden Wässer nicht radioaktiv kontaminiert sein. Nach Abschluss der Betriebsphase des Lagers werden alle Untertagebauten verfüllt und versiegelt, so dass über die Zugangsbauwerke keine Bergwässer eindringen können.

d)

Ein Geologisches Tiefenlager ist eine Kernanlage und untersteht den hohen Anforderungen der Kernenergiegesetzgebung. Entsprechend sorgfältig werden Planung und Ausführung überwacht und gesteuert. Das ENSI verlangt in seiner Richtlinie ENSI-G03 zur geologischen Tiefenlagerung qualitätssichernde Massnahmen bei allen Schritten der Realisierung. Diese Massnahmen umfassen die organisatorische Qualitätssicherung, die Zertifizierung, die Qualitätssicherung bei den technischen Arbeiten, Vorkommnisanalysen, Inspektionen und Freigabeverfahren zu den sicherheitsrelevanten Schritten bei der Erstellung der Bauwerke.

Die Realisierung eines geologischen Tiefenlagers erfolgt in vielen Teilschritten. Jeder Schritt wird jeweils von der Aufsichtsbehörde und Expertengremien beurteilt. Da die Zugangsbauwerke flexibel gestaltet werden können (im Unterschied zu einem Verkehrstunnel), ist ihre Linienführung so zu planen, dass das Risiko von grossen Wasserzutritten minimiert werden kann.