NGO-Kritik am KKW Beznau ist unhaltbar

Mit einer Auftragsstudie des «Öko-Instituts e.V.» haben die Schweizerische Energiestiftung SES und Greenpeace Schweiz versucht, ihre Thesen zur ungenügenden Sicherheit des Reaktordruckbehälters im KKW Beznau 1 technisch zu untermauern. Das ENSI hat die Auftragsstudie überprüft und hat darin schwerwiegende fachliche Mängel identifiziert. Das ENSI kommt zum Schluss, dass die Kritikpunkte der Auftragsstudie nicht haltbar sind.

Der Reaktordruckbehälter ist die wichtigste Komponente eines Kernkraftwerks und darf nicht versagen. Aus diesem Grund musste die Axpo detailliert nachweisen, dass die Befunde, die im Sommer 2015 im Grundmaterial des Reaktordruckbehälters im Kernkraftwerk (KKW) Beznau 1 entdeckt wurden, die Sicherheit nicht negativ beeinflussen. Diesen Nachweis erbrachte die Axpo im Jahr 2018. Dies hat die Prüfung durch das ENSI ergeben. Das vom ENSI eingesetzte International-Review-Panel IRP kam zum selben Schluss. «Wir können deshalb überzeugt sagen, dass der Reaktordruckbehälter sicher ist», fasste ENSI-Direktor Hans Wanner 2018 das Resultat der Untersuchungen zusammen. Das ENSI hat daher dem Wiederanfahren von Beznau 1 nach fast drei Jahren Stillstand zugestimmt.

Zweifel am ENSI-Entscheid sind haltlos

Der Entscheid, das Werk wieder ans Netz gehen zu lassen, wird in der im Auftrag der Schweizerischen Energiestiftung SES und Greenpeace Schweiz erarbeiteten Stellungnahme «Materialfehler im hochversprödeten Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerks Beznau Block 1» angezweifelt. Das beauftragte «Öko-Institut e.V.» bezeichnet die von der Axpo angewandten Nachweismethoden in der Stellungnahme als ungeeignet und listet vermeintliche Abweichungen von wissenschaftlichen Standards und internationalen Regelwerken auf.

Das ENSI hat die Stellungnahme des Öko-Instituts geprüft und kommt in seinem Kommentar zu dem Schluss, dass die Kritikpunkte haltlos sind. Sie beruhen auf der Unkenntnis des anwendbaren Regelwerks, einem mangelhaften Verständnis des Konzeptes für den Sicherheitsnachweis, verzerrt wiedergegebenen Schlussfolgerungen des ENSI und des IRP und dem Ignorieren von wesentlichen Bestandteilen des Sicherheitsnachweises.

Richtigstellung zu den Hauptkritikpunkten


Die Hauptkritikpunkte, die aus der Stellungnahme hervorgehen, stellt das ENSI wie folgt richtig:

Eingesetzte Ultraschallverfahren: Obwohl im vorliegenden Fall die technisch beste verfügbare Prüftechnik zum Einsatz kam, kritisiert das Öko-Institut, dass das Prüfverfahren nicht anhand von befundbehaftetem Originalmaterial validiert wurde. Die vom Öko-Institut geforderte Verwendung von Originalmaterial wird in keinem Regelwerk verlangt. Die Forderung ist zudem auch sachlich unsinnig. Für die Validierung müsste das Originalmaterial im Anschluss an die Ultraschallprüfung zerstörend geprüft werden und stünde somit für die Verwendung nicht mehr zur Verfügung.  Eine Validierung erfolgt immer an einer Referenz mit bekannten Messgrössen.

Herstellung einer Replika: Das Öko-Institut kritisiert, dass es für die Herstellung einer Replika keine nationalen oder internationalen Regelwerksvorgaben gebe. Diese Kritik zeugt von einem Unverständnis des zugrunde gelegten Nachweiskonzepts. Für die Herstellung einer Replika ist das gleiche Regelwerk zu verwenden wie für das Original. Ob die Herstellung einer Replika ihren Zweck erfüllt, ergeben die anschliessenden zerstörungsfreien und zerstörenden Prüfungen am Replika-Originalmaterial. Ansonsten wäre die Replika nicht repräsentativ. Diese Prüfungen ergaben im vorliegenden Fall eine sehr gute Übereinstimmung mit den Originalproben des Reaktordruckbehälters.

– Übertragbarkeit des Materialverhaltens: Für die Begründung seiner Zweifel an der Übertragbarkeit des Materialverhaltens der Replika auf den Reaktordruckbehälter zieht das Öko-Institut insbesondere die Bewertungen des IRP heran. Dabei werden die Schlussfolgerungen des IRP zur Repräsentativität der Replika vom Öko-Institut verzerrt wiedergegeben, um zu suggerieren, dass das IRP an der Repräsentativität der Replika zweifle. Dies ist jedoch unzutreffend. In Kapitel 3.3 seiner Stellungnahme hält das IRP zweifelsfrei und eindeutig fest, dass die Replika in Bezug auf die Zwecke, für die sie im Sicherheitsnachweis verwendet wurde, repräsentativ ist.

Strahlenversprödung und das Ermüdungsrisswachstum: Das Öko-Institut negiert pauschal die Aussagekraft aller Materialuntersuchungen mit Replika-Material. Die im Rahmen des Sicherheitsnachweises durchgeführten, umfangreichen Untersuchungen zum Einfluss der Materialfehler auf die Strahlenversprödung und das Ermüdungsrisswachstum werden ohne Begründung ignoriert. Aufgrund der fehlenden Begründung hat die vom Öko-Institut geäusserte Kritik den Stellenwert von blossen Behauptungen.

– Quantifizierung der Unsicherheiten: In Bezug auf die Quantifizierung der Unsicherheiten des Sicherheitsnachweises vermischt das Öko-Institut den Nachweis der Konservativität des Sicherheitsnachweises mit dem Nachweis der darüberhinausgehenden Margen. Zu letzterem forderte das ENSI zusätzliche Angaben. In Bezug auf den Nachweis der Konservativität des Sicherheitsnachweises bestätigen sowohl das IRP als auch das ENSI, dass die verbleibenden Unsicherheiten im Rahmen des Sicherheitsnachweises konservativ berücksichtigt wurden und dass alle Vorgaben des Regelwerkes eingehalten werden. Insbesondere wird das UVEK-Ausserbetriebnahme­kriterium von 93ºC für die Sprödbruchreferenztemperatur eingehalten. Auch hier beruht die Kritik des Ökoinstituts auf einer nicht weiter begründeten Behauptung.

Grobe Fehler und Falschaussagen

Darüber hinaus enthält die Stellungnahme des Öko-Instituts gravierende fachliche Fehler. So thematisiert das Öko-Institut in seiner Stellungnahme an insgesamt neun Stellen das Vorhandensein von Magnesiumsulfiteinschlüssen. Tatsächlich können Magnesiumsulfiteinschlüsse in Stählen von Reaktordruckbehältern, wie sie im KKW Beznau 1 verwendet wurden, absolut ausgeschlossen werden.  «Es ist für uns schlicht unverständlich», sagt Georg Schwarz, Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke, «dass eine für Experten offensichtliche Falschaussage in der Stellungnahme verbreitet wird.»

Der Reaktordruckbehälter des KKW Beznau 1 ist sicher

Aufgrund der genannten schwerwiegenden Mängel ist die Stellungnahme des Öko-Instituts in keiner Weise geeignet, die Beurteilung des ENSI im Hinblick auf die Sicherheit des Reaktordruckbehälters im KKW Beznau 1 in Frage zu stellen.

Das ENSI hält an seiner Beurteilung fest: Der Sicherheitsnachweis der Axpo entsprach dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik sowie den nationalen und internationalen Regelwerken. Die Befunde haben sicherheitstechnisch keine Relevanz, sodass nichts gegen die Wiederaufnahme des KKW-Betriebs 2018 sprach.