Gestaffelte Sicherheitsvorsorge: Das Reaktorschutzsystem (6/13)

Defence in DepthSicherheitssysteme sind grundsätzlich der Sicherheitsebene 3 zugeordnet. Ein zentrales Sicherheitssystem ist das Reaktorschutzsystem. Wie der Name schon ausdrückt, schützt es den Reaktor bei Störfällen, die nicht durch die Sicherheitsebene 2 abgefangen werden können.

Das Reaktorschutzsystem überwacht wichtige Prozessgrössen des Reaktors und löst bei Überschreitung zulässiger Grenzwerte automatisch eine Reaktorschnellabschaltung aus und – falls erforderlich – weitere Sicherheitsfunktionen (zum Beispiel Notkühlung, Isolation des Primärkreislaufs oder Isolation des Containments).

 

Das Reaktorschutzsystem besteht aus

Messteil

  • dem Messteil, der dem Erfassen der zu überwachenden Prozessgrössen dient,

Verknüpfungs- oder Logikteil

  • dem Verknüpfungs- oder Logikteil, der die gemessene Information entsprechend dem jeweiligen Betriebszustand und den Schutzzielen sinnvoll verknüpft und auch Störungen einzelner Geräte ausscheidet

Auslöse- oder Befehlsteil

  • dem Auslöse- oder Befehlsteil, der die Aktionen zum Schutz der Anlage (zum Beispiel eine Reaktorschnellabschaltung) auslöst.

Die Überwachung erfolgt durch mehrere parallele Teilsysteme, die alle dieselbe Funktion erfüllen. Die Anzahl notwendiger paralleler Zweige wird durch das Einzelfehlerkriterium, das Reparaturkriterium und die Prüfbarkeit des Systems während des Betriebs bestimmt. Dies führt üblicherweise zu drei bis vier parallelen Redundanzen für dieselbe Aufgabe.

Wichtige Prozessgrössen, die vom Messteil erfasst werden, sind etwa Neutronenfluss, Drücke, Temperaturen, Ventilstellungen und Wasserniveaus. Die Mess- und Prozessgrössen werden den Gebern über Messleitungen zugeführt und dort in elektrische Signale umgesetzt, die dann in den Grenzwerteinheiten mit den zulässigen Grenzwerten verglichen werden. Als Ausgang ergibt sich ein Binärsignal (Ja-Nein-Signal für „zulässig“ oder „unzulässig“), das dem Logikteil weitergeleitet wird.

Die dem Logikteil zugeführten Binärsignale werden dort so miteinander verknüpft, dass für jede Sicherheitsfunktion aus den dafür vorgesehenen Signalen die erforderlichen Befehle erzeugt werden. Die Befehle werden gleichzeitig und unabhängig voneinander in den Logikteilen einer jeden Redundanz gebildet. Die Befehlssignale der einzelnen Redundanzen werden logisch miteinander verknüpft, einerseits um die Auslösung sicher zu stellen, andererseits aber auch, um fehlerhafte Auslösungen zu vermeiden. Diese führt dann zum Beispiel zu einer 2-von-4-Logik. Wenn mindestens zwei von vier Redundanzen ansprechen, wird die Sicherheitsfunktion ausgelöst.

Im Auslöseteil werden die in der Logik erzeugten Befehle an die Anforderungen der nachfolgenden Geräte angepasst und falls nötig vervielfacht. Die einzelnen Redundanzen der Sicherheitssysteme bestehen oft aus mehreren anzusteuernden Komponenten (zum Beispiel Ventile und Pumpen) mit unterschiedlichen Anforderungen an die Steuerung.

Die 5 Ebenen der gestaffelten Sicherheitsvorsorge

  • Anforderungsfall: Normalbetrieb
  • Ziel: Vermeidung von Betriebsstörungen
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Betriebssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
  • Anforderungsfall: Betriebsstörungen
  • Ziel: Beherrschung von Betriebsstörungen
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Begrenzungssysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
  • Anforderungsfall: Auslegungsstörfälle
  • Ziel: Beherrschung von Auslegungsstörfällen, sodass ein Kernschaden verhindert wird
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Sicherheits- und Notstandsysteme einschliesslich der erforderlichen Versorgungssysteme und Leitanlagen
  • Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle ohne schweren Kernschaden
  • Ziel: Beherrschung bestimmter auslegungsüberschreitender Störfälle
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallsysteme und Notfallausrüstungen (präventive Notfallmassnahmen)
  • Anforderungsfall: Auslegungsüberschreitende Störfälle mit schwerem Kernschaden
  • Ziel: Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen: Notfallausrüstungen (mitigative Notfallmassnahmen)
  • Anforderungsfall: Schwere Notfälle mit grösserer Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung
  • Ziel: Linderung der radiologischen Auswirkungen in der Umgebung
  • Systeme, Ausrüstungen und Massnahmen
    • Massnahmen zur Minimierung der Strahlendosis der Bevölkerung und des Personals

Dies ist der sechste von 13 Teilen zur gestaffelten Sicherheitsvorsorge. Der nächste Teil behandelt Sicherheitssysteme und Schutzziele.

Dieser Artikel wurde am 30.11.2018 aktualisiert.