ENSI-Direktor Hans Wanner leitet IAEA-Mission in Armenien

Armenien zeigt seit einigen Jahren eine grosse Bereitschaft, sich internationalen Überprüfungsmissionen zu unterziehen. Das IRRS-Team hat diese Offenheit entsprechend als vorbildlich bewertet. (Bild: gov.am)
Armenien zeigt seit einigen Jahren eine grosse Bereitschaft, sich internationalen Überprüfungsmissionen zu unterziehen. (Bild: gov.am)

Als Leiter einer Gruppe von internationalen Nuklearexperten hat der Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats ENSI im Auftrag der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA die Nuklearaufsichtsbehörde in Armenien inspiziert. Nicht weniger als 62 Empfehlungen zur Verbesserung der Aufsichtspraxis wurden ausgesprochen. Im Zentrum stehen dabei die Ressourcen für die Sicherheit.

„Die armenische Aufsichtsbehörde ANRA steht vor grossen Herausforderungen“, sagt ENSI-Direktor Hans Wanner. „Es ist unsere Pflicht, sie in ihren Bemühungen zu unterstützen, die internationalen Sicherheitsstandards im armenischen Kernkraftwerk Mezamor durchzusetzen.“

Zwei der zentralen Empfehlungen der Mission des Integrated Regulatory Review Service IRRS der IAEA richten sich denn auch an die Regierung Armeniens: Hauptsorge der Experten sind die ungenügenden Mittel, welche sowohl für einen sicheren Betrieb des einzigen armenischen Kernkraftwerks, wie auch für dessen umfassende Überwachung durch die armenische Aufsichtsbehörde zur Verfügung stehen.

Zentrale Empfehlungen

  • The government should establish and implement a policy for safety that demonstrates its long-term commitment to safety.

(Übersetzung: Die Regierung sollte eine Sicherheitsstrategie entwickeln, in der sie sich zu einer nachhaltigen Sicherheitspolitik bekennt.)

  • The government should provide ANRA with adequate human and financial resources, and authorize it to structure its organization and manage its resources.

(Übersetzung: Die Regierung sollte ANRA die nötigen personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung stellen und ihr erlauben, sich selber zu organisieren und ihre Mittel selber zu verwalten.)

Armenien zeigt seit einigen Jahren eine grosse Bereitschaft, sich internationalen Überprüfungsmissionen zu unterziehen. Das IRRS-Team hat diese Offenheit entsprechend als vorbildlich bewertet. „Aber das Problem liegt nach wie vor in der Umsetzung. Es fehlen Armenien noch die Mittel, um alle internationalen Forderungen in den verlangten Fristen umzusetzen.“ Insbesondere erwartet die internationale Gemeinschaft, dass die armenische Aufsichtsbehörde dafür sorgt, dass die Erkenntnisse aus Fukushima jetzt rasch im Kraftwerk Mezamor umgesetzt werden.

Kernkraftwerk Mezamor

Armenien verfügt über einen laufenden kommerziellen Kernreaktor zur Stromproduktion. Dieser wurde 1980 in Betrieb genommen und befindet sich im Kernkraftwerk Mezamor, 36 Kilometer westlich der Hauptstadt Jerewan. Er deckt mit einer Bruttoleistung von 408 Megawatt rund 40 Prozent des Strombedarfs in Armenien. Während beide Blöcke des Kernkraftwerks 1989 nach einem schweren Erdbeben ausser Betrieb genommen wurden, wurde Block 2 nach Verbesserungsmassnahmen 1995 wieder in Betrieb genommen.
Anlässlich eines Besuchs beim Premierminister von Armenien, Howik Abrahamjan, konnte Hans Wanner die wichtigsten Ergebnisse der IRRS-Mission unterstreichen: “Ich hatte den Eindruck, dass der Premiermister gut verstanden hat, was unsere Erwartungen an Armenien sind.” Insbesondere habe er versprochen, sich persönlich um den raschen Fortschritt des Lizenzierungsprozesses für die Verlängerung der Betriebsbewilligung für das KKW Mezamor zu kümmern.

Obwohl die Betriebsbewilligung im September 2016 ausläuft, hat die Aufsichtsbehörde bis heute vom Betreiber noch keinen Antrag für die Verlängerung erhalten. Zusammen mit dem Antrag muss die Betreibergesellschaft der Aufsichtsbehörde eine umfassende Dokumentation über den Zustand der Anlage und die nötigen Nachrüstungen für den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks einreichen. Die Überprüfung dieser Unterlagen durch die Aufsichtsbehörde ist sehr aufwändig und braucht erfahrungsgemäss mehr als ein Jahr.

Aufsichtsbehörde könnte unter Druck geraten

„Es zeichnet sich ab, dass der Lizenzierungsprozess nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann“, erläuterte Hans Wanner bei der Medienkonferenz zum Abschluss der IRRS-Mission in Armeniens Hauptstadt Jerewan.“ Wir befürchten deshalb, dass die Aufsichtsbehörde unter politischen Druck geraten wird, wenn sich abzeichnet, dass die Anlage mangels gültiger Bewilligung ausser Betrieb genommen werden muss.“

Der Bericht der IRRS-Mission wird in den nächsten Wochen bei der IAEA in Wien finalisiert und anschliessend durch die armenischen Behörden veröffentlicht.

Teilnahme entspricht der ENSI-Strategie

Es ist eines der Ziele der internationalen Zusammenarbeit des ENSI, sich mit eigenen, erfahrenen Mitarbeitenden an den internationalen regulatorischen Überprüfungsmissionen zu beteiligen. Dadurch erhält das ENSI Einblick in die Aufsichtspraxis anderer Länder und kann diese als Instrument nutzen, sich für das Sicherheitsprinzip der kontinuierlichen Verbesserung weltweit einzusetzen. Zudem fordert das ENSI gemäss seiner Strategie Internationales, dass sich die Aufsichtsbehörden und Kernkraftwerke regelmässig und umfassend von solchen Missionen überprüfen lassen, die Resultate daraus öffentlich machen, sowie die notwendigen Massnahmen in ihren Ländern zeitnah umsetzen.

IRRS-Mission

Der IRRS, der Integrated Regulatory Review Service, ist heute die wohl wichtigste Überprüfungsmission der IAEA für Behörden. Sie dauert zwei Wochen und wird je nach Aufsichtsgebiete der zu überprüfenden Behörde von zehn bis zwanzig internationalen Experten durchgeführt.

Etwa drei Jahre nach einer Mission findet eine sogenannte Follow-up-Mission statt, an der die Umsetzung der Verbesserungsmöglichkeiten, die während der eigentlichen Mission empfohlen wurden, überprüft wird. Die internationalen Experten rekrutieren sich aus verschiedenen Ländern, wobei darauf geachtet wird, dass möglichst viele Kulturen (Erdteile) vertreten sind.

Die Überprüfung der Kernkraftwerke ist nicht Teil der Mission. Dafür sind unter anderen die OSART-Missionen der IAEA zuständig.

Die Schweiz hat sich letztmals Ende 2011 durch einen IRRS-Mission überprüfen lassen. Im April 2015 erfolgte die Follow-up-Mission.