KKL: Automatische Reaktorschnellabschaltung durch Neutronenfluss-Hoch

BETROFFENES WERK / TITEL

KKW Leibstadt, Automatische Reaktorschnellabschaltung durch Neutronenfluss-Hoch

DATUM / ZEIT

5. Juli 2014, 08:29 Uhr

SACHVERHALT

Das Kernkraftwerk Leibstadt hatte für den 5. Juli 2014 eine Anpassung der Stellung der Steuerstäbe geplant. Als Vorbereitung darauf wurde die thermische Leistung des Reaktors von 100 % auf rund 80 % reduziert. Dazu wurde der Neutronenflussregler wie vorgesehen auf Handbetrieb umgeschaltet. Um die Reaktorleistung während der Stabmusteranpassung bei konstant 80 % zu halten, wurde der Neutronenflussregler nach der Leistungsreduktion wieder auf automatischen Betrieb umgeschaltet.

Im automatischen Betrieb dient das Ausgangssignal des Hauptreglers als Sollwert für den Neutronenflussregler. Um eine Regelabweichung im Moment des Umschaltens zu vermeiden, müssen Hauptregler und Neutronenflussregler vorgängig abgeglichen werden.

Weil dieser Abgleich nicht erfolgt war, entsprach das Ausgangssignal des Hauptreglers immer noch einer Reaktorleistung von 100 %, was im Moment des Umschaltens des Neutronenflussreglers zum Sollwert wurde. Da die Reaktorleistung nur 80 % betrug, kam es zu einem raschen Öffnen der Umwälzmengenregelventile. Der durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit verminderte Dampfblasengehalt im Reaktor führte zu einem Anstieg des Neutronenflusses und der Wärmeproduktion im Brennstoff. Nach 3 Sekunden erreichte der Neutronenfluss 118 % des Nennwerts, was auslegungsgemäss zu einer Reaktorschnellabschaltung führte.

Da ein Teil der zusätzlichen Wärmeproduktion den Brennstoff aufheizt, folgt die Wärmeleistung, die über die Hüllrohre ans Kühlmittel abgegeben wird, zeitlich verzögert dem Neutronenfluss. Die Wärmeleistung, die ans Kühlmittel abgegeben wurde, erreichte lediglich einen Maximalwert von 87 % der thermischen Nennleistung des Reaktors, bevor die Reaktorschnellabschaltung den Leistungsanstieg beendete. Die Hauptursache für die Fehlhandlung war, dass das Vier-Augen-Prinzip nicht konsequent angewendet wurde. Der überwachende Operateur bemerkte nicht, dass der ausführende Operateur den Reglerabgleich unterlassen hatte. Die Überwachung war wie vorgeschrieben angeordnet worden, da der ausführende Operateur die Schalthandlungen zwar am Simulator geübt hatte, aber erstmalig im Kommandoraum vornahm.

EINSTUFUNG (NACH RICHTLINIE ENSI-B03)

INES: unterhalb der Skala

MASSNAHMEN DES BETREIBERS

Nach der Reaktorschnellabschaltung wurde die Anlage gemäss den anzuwendenden Betriebsvorschriften kontrolliert. Nachdem als eindeutige Ursache der Reaktorschnellabschaltung die Fehlbedienung bei der Umschaltung des Neutronenflussreglers identifiziert worden war, wurde die Anlage zur Wiederaufnahme des Leistungsbetriebs vorbereitet. Bis zum 7. Juli 2014 wurde wieder Volllast erreicht.

Der Betreiber hat zum Sachverhalt, das zum Vorkommnis führte, eine Reihe von organisatorischen Massnahmen ergriffen. Insbesondere wurden die Arbeitsanweisungen überarbeitet. Ebenso erfolgten vertiefte Übungen am Simulator mit gezielten Trainings für die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips.

MASSNAHMEN DES ENSI

Die vom Betreiber eingeleiteten Massnahmen erachtet das ENSI als zweckmässig und ausreichend.

BEURTEILUNG DURCH DAS ENSI

Die Störung führte auslegungsgemäss zu einer Reaktorschnellabschaltung. Alle sicherheitstechnischen Einrichtungen haben auslegungsgemäss funktioniert und alle Bedingungen der Technischen Spezifikation Leibstadt wurden zu jedem Zeitpunkt eingehalten.

Das Vorkommnis hatte eine geringe Bedeutung für die nukleare Sicherheit.

KRITERIEN FÜR DIE AUFSCHALTUNG AUF DER ENSI-WEBSITE

Auslösung von Sicherheitssystemen, sowie Vorkommnis, das mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 zu 100 Millionen zu einem Kernschaden führt.

Das ENSI informiert die Öffentlichkeit in seinem jährlichen Aufsichtsbericht über sämtliche meldepflichtigen Vorkommnisse im Bereich der nuklearen Sicherheit. Über Vorkommnisse, die eines der folgenden Kriterien erfüllen, informiert das ENSI auf der Website laufend:

  • INES-Stufe 1 oder höher
  • Auslösung von Sicherheitssystemen
  • Vorkommnis, das mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 zu 100 Millionen zu einem Kernschaden führt
  • Inkorporation radioaktiver Stoffe mit einer Folgedosis von mehr als 1 mSv

Aktualisierung: 8. Juni 2015