2011 war für das ENSI ein Wendepunkt

Es gibt nicht oft Jahre, von denen im Rückblick mit Fug und Recht behauptet werden kann, sie seien „wahrhaft historisch“ gewesen. Das Jahr 2011, dessen Ende in ein paar Tagen bevorsteht, wird wohl als ein solches in die Annalen eingehen.

Der Tsunami an Japans Ostküste im vergangenen März und die daraus folgende Katastrophe in den Kernkraftanlagen von Fukushima hat nachhaltige Auswirkungen – auch auf die Schweiz. Der Bundesrat hat am 25. Mai entschieden, dass die Schweiz aus der Kernenergie aussteigen wird. National- und Ständerat haben diesen Entscheid bestätigt.

Dieser Entscheid hat die Aufgabe des ENSI nachhaltig verändert. Noch im Januar waren wir anders aufgestellt: Neben der „normalen“ Aufsichtstätigkeit über die bestehenden Kernanlagen waren wir vorbereitet, um beim Vorliegen der Gesuche zügig ins Bewilligungsverfahren für den Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz einsteigen zu können.

Seit diesem Sommer ist unsere ganze Kraft auf die drei zentralen Themen ausgerichtet, die die Arbeit der Atomaufsichtsbehörde in den nächsten Jahrzehnten prägen werden:

Diese Aufgaben sind sehr anspruchsvoll. Mit dem Alterungsprozess der Schweizer Kernkraftwerke wird die Aufsichtstätigkeit noch intensiver und mit der Stilllegung grosser Anlagen hat die Schweiz noch wenig Erfahrung. Auch im Bereich der Entsorgung haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

Gefordert sind die Menschen, die beim ENSI arbeiten, diese Fachleute unterschiedlicher Disziplinen. Sie sind international vernetzt, machen sich laufend neue Erkenntnisse zu Eigen und sind sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst.

Kritiker haben versucht, unsere Kompetenz in Frage zu stellen und damit die Glaubwürdigkeit des ENSI zu untergraben. Würde man diesen Glauben schenken, dann könnte man zur Annahme gelangen, hier in Brugg sei ein Haufen völlig inkompetenter Kernkrafthardliner versammelt.

Wir wissen, dass dem nicht so ist. Und internationale Gremien attestieren uns Kompetenz und Unabhängigkeit. Ich bin stolz darauf, dass die Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Fachkreisen der ganzen Welt grosse Anerkennung findet.

Eben hat das ENSI eine Art internationales Gütesiegel erhalten: Während zweier Wochen haben mehr als zwei Dutzend internationale Experten der IAEA das ENSI auf Herz und Nieren überprüft. Fazit des Leiters der Untersuchungsgruppe Jean-Christophe Niel: „Unser Team gewann einen guten Eindruck des ENSI als unabhängige Organisation“. Er hob speziell den Umgang mit den Lehren aus Fukushima und die gelebte Transparenz hervor.

Das Sicherheitsdenken der Schweizer Atomaufsicht wird als vorbildlich beurteilt, die Schweizer Praxis der ständigen Nachrüstungen zur weiteren Verbesserung der Sicherheit der Schweizer Kernanlagen wird als beispielhaft taxiert und die Philosophie hinter der Suche eines Endlagers für nukleare Abfälle als nachahmenswert.

Auch meine Wahl zum Präsidenten der Vereinigung der westeuropäischen Nuklearaufsichtsbehörden WENRA verstehen wir als eine Auszeichnung der Professionalität aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ENSI. Sie sei „ein klares Zeichen dafür, wie sehr die Leistungen der Schweizer Nuklearaufsicht international anerkannt werden. Sie stärkt die Stellung der Schweiz“, hat die Präsidentin des ENSI-Rates, Anne Eckhardt, geschrieben.

So sehr wir das Lob geniessen – wir sind weit davon entfernt, uns auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Die guten Noten sind ein Ansporn, die Empfehlungen eine Verpflichtung, hart weiter zu arbeiten, uns ständig kritisch zu hinterfragen und uns weiter zu verbessern, damit sich die Schweiz und unsere Nachbarn weiterhin auf das ENSI verlassen können.

Wir arbeiten auch 2012 für die Sicherheit der Bevölkerung: Wir setzen die Erkenntnisse aus Fukushima um, vertiefen die Empfehlungen der IRRS-Mission, prüfen kritisch die Sicherheitsnachweise der KKW-Betreiber und führen akribisch und konsequent unsere Inspektionen durch.

Ich wünsche Ihnen von Herzen ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Und viel Erfolg für dieses 2012, von dem wir heute (zum Glück) noch nicht wissen, welche Überraschungen es für uns bereithält.

 

Hans Wanner
Direktor ENSI