In Mühleberg beginnt die erste Stilllegungsphase

Am 20. Dezember 2019 hat das KKW Mühleberg den Leistungsbetrieb eingestellt. Formell gilt es aber erst seit dem 15. September 2020 als endgültig ausser Betrieb genommen. Damit wurde die Betriebsbewilligung von der Stilllegungsverfügung abgelöst.

Im Reaktorgebäude wurden Anlageänderungen umgesetzt, damit das Brennelementlagerbecken autark und redundant gekühlt werden kann.

Das öffentliche Interesse war gross, als am 20. Dezember 2019 das Kernkraftwerk Mühleberg (KKM) abgeschaltet und der Leistungsbetrieb endgültig eingestellt wurde: Das Ereignis wurde live im Fernsehen übertragen, das ENSI beantwortete gemeinsam mit anderen Experten in einem Live Chat eines SRF-Sonderprogramms Fragen aus der Bevölkerung, in einem grossen Festzelt wohnten rund 300 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Behörden dem Anlass bei.

Seit der Einstellung des Leistungsbetriebs wurde das KKM – von aussen kaum sichtbar – für den nächsten grossen Meilenstein der Stilllegung vorbereitet: die endgültige Ausserbetriebnahme. Am 15. September 2020 war es so weit. Das KKM gilt nun als endgültig ausser Betrieb genommen und die Stilllegungsverfügung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) löst die noch gültige Betriebsbewilligung ab.

Der Weg vom Betrieb in die Stilllegung

Um den Unterschied zwischen endgültiger Einstellung des Leistungsbetriebs (EELB) und endgültiger Ausserbetriebnahme (EABN) zu verstehen, hilft ein Blick in das ENSI-Gutachten zur Stilllegung des KKM und in die Stilllegungsverfügung des UVEK:

  • In der Schweiz ist die EELB als der Zeitpunkt definiert, an dem die Stromproduktion eingestellt und das Kernkraftwerk endgültig heruntergefahren («abgestellt») wird.
  • Unter EABN wird gemäss Richtlinie ENSI-G17 die sogenannte endgültige Einstellung des bestimmungsgemässen Betriebs einer Kernanlage verstanden. Mit der endgültigen Ausserbetriebnahme wird der Eigentümer der Kernanlage stilllegungspflichtig.

Phasen Stilllegung KKW Mühleberg

Die Arbeiten in der Nachbetriebsphase unter ENSI-Aufsicht

Das KKM gilt erst dann als endgültig ausser Betrieb genommen, wenn alle Brennelemente aus dem Reaktor in das Brennelementlagerbecken transferiert worden und die für die Etablierung des sicheren technischen Nachbetriebs (ETNB) erforderlichen Massnahmen umgesetzt sind.

Die wichtigsten Massnahmen in diesem Rahmen waren Anlageänderungen, damit das Brennelementlagerbecken autark und redundant gekühlt werden kann. Diese Anlageänderungen werden unter dem Begriff Arbek (autarke redundante Brennelementlagerbeckenkühlung) zusammengefasst. Sie bestehen im Wesentlichen aus fünf Teilsystemen:

  • einem Betriebssystem,
  • einem Sicherheitssystem zur Kühlung des Brennelementlagerbeckens,
  • einem Notnachspeisesystem,
  • einem Verschlusssystem sowie
  • Massnahmen zum Schutz des Brennelementlagerbeckens und der notwendigen Betriebs- und Sicherheitssysteme vor Auswirkungen aus dem Rückbaubetrieb.

Die Arbeiten wurden gestützt auf die Betriebsbewilligung durchgeführt, weil während der Etablierung des technischen Nachbetriebs die noch bestehenden Betriebs- und Sicherheitssysteme benötigt wurden, um die Nachwärme der Brennelemente abzuführen. Zudem mussten diese Arbeiten im Unterschied zu den Stilllegungsarbeiten nach der Beurteilung des ENSI zeitnah und zwingend ausgeführt werden, um die Anlage nach der endgültigen Einstellung des Leistungsbetriebs in einen langfristig sicheren Zustand zu überführen.

Der eigentlichen Stilllegung vorangestellt: die «vorbereitenden Massnahmen»

Ab dem Zeitpunkt, an dem der Leistungsbetrieb endgültig eingestellt war, wurden zudem Massnahmen ausgeführt, die der Vorbereitung der Stilllegung dienten. Mit diesen sogenannten vorbereitenden Massnahmen wurden die Voraussetzungen für den nahtlosen Beginn der sicheren und effizienten Stilllegung der Anlage geschaffen. Sie waren freigabepflichtig durch das ENSI und umfassten unter anderem folgende Arbeiten:

Vorbereitung der Stilllegung: Die Demontage der grossen Einzelkomponenten im Maschinenhaus, insbesondere der Turbinen, war freigabepflichtig durch das ENSI.
  • Demontage der grossen Einzelkomponenten im Maschinenhaus, insbesondere Turbinen und
  • Einrichtung von Materialbehandlungsanlagen, beispielsweise Einrichtungen zum Dekontaminieren von Komponenten.

Die vorbereitenden Massnahmen wurden also noch unter der Betriebsbewilligung und parallel zu den Arbeiten zur Etablierung des technischen Nachbetriebs – und damit vor der endgültigen Ausserbetriebnahme – durchgeführt. Dies war deshalb möglich, weil es sich bei den vorbereitenden Massnahmen um untergeordnete sicherheitstechnisch relevante Stilllegungsarbeiten handelt, die nach Ansicht des UVEK bereits ab dem Zeitpunkt, an dem der Leistungsbetrieb eingestellt wurde, durchführbar sind.

ENSI erteilte Freigaben und kontrollierte die Arbeiten vor Ort

Eine Grosszahl der Arbeiten, die zur Etablierung des technischen Nachbetriebs oder im Rahmen der vorbereitenden Massnahmen durchgeführt wurden, waren freigabepflichtig. Entsprechend prüfte das ENSI nach der Einstellung des Leistungsbetriebs eine Vielzahl von Dokumenten. Die korrekte Umsetzung der Arbeiten wurde durch regelmässige Inspektionen vor Ort und an Fachgesprächen überprüft. Um im Anschluss an die endgültige Ausserbetriebnahme in die Stilllegungsphase 1 (SP1) übergehen zu können, muss gemäss Stilllegungsverfügung des UVEK die SP1 inklusive der damit zusammenhängenden freigabepflichtigen Dokumente vom ENSI freigegeben sein.

Die drei Stilllegungsphasen


Das KKM wird in drei Phasen zurückgebaut. Die Stilllegungsphasen (SP) orientieren sich dabei an den Schutzzielen zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit sowie am radiologischen Gefährdungspotenzial.

  • Die SP1 dauert bis zum Erreichen der Kernbrennstofffreiheit auf der Anlage, bis also alle Brennelemente abtransportiert sind (voraussichtlich 2024).
  • Die SP2 endet mit der Freimessung und Aufhebung der kontrollierten Zone in der Anlage und dem Abschluss der Beweissicherungsmessungen auf dem Areal, voraussichtlich etwa 2030.
  • Die SP3 schliesslich beinhaltet formale Arbeiten zum Nachweis, dass die Anlage keine radiologische Gefahrenquelle mehr darstellt (geplant: 2031).


Der konventionelle Abbruch der Anlage muss in einem zweiten öffentlichen Verfahren (2. Stilllegungsverfügung) des UVEK geregelt werden.

Im Juni 2020 hat das ENSI die SP1 nach eingehender Überprüfung freigegeben. Die Freigabe der SP1 enthält wiederum eine Reihe von Forderungen, die grösstenteils vor Beginn der SP1 erfüllt sein müssen. Die für die endgültige Ausserbetriebnahme benötigten Forderungen hat das KKM erfüllt. Daher kann nun auch formell der Schritt vom Betrieb in die Stilllegung vollzogen werden.

Mit der endgültigen Ausserbetriebnahme und dem Beginn der ersten Stilllegungsphase ist nun ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum kompletten Rückbau des Kernkraftwerks erreicht.