«Offene und sachkritische Diskussionen»: Die Leiterin der Zwischenhalt-Fachsitzungen im Interview mit dem BFE
Seit März 2013 hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI elf sogenannte Zwischenhalt-Fachsitzungen im Rahmen des Auswahlverfahrens für geologische Tiefenlager durchgeführt. Wie diese Sitzungen abgelaufen sind und warum die Teilnehmer positive Rückmeldungen gegeben haben, erklärt Ann-Kathrin Leuz, Leiterin der Sektion Tiefenlagerung und Sicherheitsanalysen beim ENSI, im Interview mit dem Bundesamt für Energie BFE.
Das Interview des BFE mit Ann-Kathrin Leuz im Wortlaut:
Ann-Kathrin Leuz war verantwortlich für die Durchführung der Zwischenhalt-Fachsitzungen. Die Leiterin der Sektion «Tiefenlagerung und Sicherheitsanalysen» im ENSI erzählt von den Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre.
Frau Leuz, wie muss man sich den Ablauf einer Zwischenhalt-Fachsitzung vorstellen?
Ein wichtiger Teil der Sitzung erfolgte bereits im Vorfeld. Die Nagra musste dem ENSI und den weiteren teilnehmenden Fachpersonen von Bund, Kantonen und aus Deutschland ihre Daten zu den ergänzenden Untersuchungen vorlegen. Wir prüften, ob unsere Forderung damit erfüllt wurde. An den Zwischenhalt-Fachsitzungen selbst wurden die Untersuchungen erläutert und diskutiert. Am Schluss der teilweise ganztägigen Sitzungen haben wir vom ENSI jeweils unser Fazit vorgestellt. Ab und zu gab es den Fall, dass eine Forderung in Teilen nicht erfüllt war. Dann musste die Nagra die fehlenden Informationen an einer späteren Sitzung vorstellen oder einen Bericht nachliefern.
Welche Themen wurden behandelt?
Im Vordergrund standen die Themen der 41 Forderungen des ENSI. Diese betreffen im Allgemeinen diejenigen Wirtgesteine und Standortgebiete, die in Etappe 1 noch weniger gut erforscht waren – deshalb hat das ENSI ja gerade dort ergänzende Untersuchungen verlangt.
Ist denn nun aufgrund der Kenntnisse klar, welche Standorte im Verfahren verbleiben werden?
Nein, der Vorschlag der Nagra für mindestens zwei geologische Standortgebiete pro Lagertyp wurde nicht diskutiert. Das wurde bewusst so gehandhabt, um die Rollenteilung zu bewahren. Schliesslich werden wir und die anderen Fachgremien genau diesen Vorschlag der Nagra ab nächstem Jahr im Detail überprüfen. Natürlich haben sich bei einigen Themen Schwächen und Stärken der Standortgebiete gezeigt, doch das sind einzelne Aspekte. Beim Vorschlag wird es um eine Gesamtbewertung aller Aspekte gehen. Wichtig wird die Begründung der Nagra für den Vorschlag sein. Das ENSI wird prüfen, ob diese auf Basis der sicherheitstechnischen Vorgaben und Kriterien erfolgte.
Zu den Fachsitzungen gab es viel positive Rückmeldungen von den teilnehmenden Gremien. Wie erklären Sie sich das?
Für uns war es zentral, dass an den Sitzungen offen und sachkritisch diskutiert werden konnte, auch über den Umgang mit bestehenden Ungewissheiten. Die Teilnehmenden erhielten Einsicht in die Untersuchungen der Nagra und konnten die Qualität der Datenbasis hinterfragen. Es wurde geschätzt, dass die Fachpersonen der Nagra, die die Berichte erarbeitet haben, an den Sitzungen teilgenommen haben. So waren detaillierte Diskussionen möglich. Dass das Interesse an den «Zwischenhalten» trotz der umfangreichen Unterlagen und Vorarbeiten sehr gross war, zeigte sich an der Bereitschaft aller Teilnehmenden, Termine für die Sitzungen zu finden. Bei rund 30 vielbeschäftigten Expertinnen und Experten ist das keine einfache Sache.
Wird es in Zukunft, zum Beispiel in der 3. Etappe, wieder solche Fachsitzungen geben?
Vermutlich in einer ähnlichen Form, ja. Der Einbezug der Fachexpertise der weiteren Akteurinnen und Akteure im Verfahren ist uns wichtig. Die Zwischenhalt-Fachsitzungen waren sehr wertvoll, aber auch enorm zeitintensiv und aufwändig. Wir werden ihre Stärken und Schwächen nun im Hinblick auf Etappe 3 analysieren müssen. Es wird nicht eins zu eins dieselben Fachsitzungen geben, aber ein ähnliches Gefäss ist angedacht, um die Ergebnisse der erdwissenschaftlichen Untersuchungen sachkritisch zu begleiten.