1 Jahr Fukushima: Analysen und Massnahmen für die weitere Verbesserung der Sicherheit der Kernkraftwerke

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI hat in den vergangenen zwölf Monaten die Ereignisse in Fukushima intensiv analysiert. Gestützt auf den bisherigen Erkenntnissen hat es zusätzliche Nachweise von den Betreibern gefordert und erste Massnahmen angeordnet, um die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke weiter zu verbessern. Auch wenn nach heutigem Stand gesagt werden kann, dass die Schweizer Kernkraftwerke sicher sind, gehen die Arbeiten weiter.

Bereits am 18. März 2011 – eine Woche nach Unfallbeginn – hat das ENSI von den Betreibern eine Überprüfung der Auslegung der Schweizer Kernkraftwerke bezüglich Erdbeben und Überflutung verlangt. Insbesondere war zu prüfen, ob Bedingungen für eine vorläufige Ausserbetriebnahme gemäss der entsprechenden Verordnung vorlagen. Besondere Aufmerksamkeit schenkte das ENSI der Verfügbarkeit der letzten Wärmesenke, der Sicherheit der Brennelementlagerbecken und den Auswirkungen grossflächiger Zerstörungen auf die Verfügbarkeit externer Einsatzmittel.

Bis zum 31. März 2011 hatten die Betreiber dem ENSI erste Berichte vorzulegen. Bis zum 1. Juni 2011 hatten sie einen Zugang zu einem externen Lager zu schaffen, aus dem auch im Falle eines schweren Erdbebens oder einer Überflutung Notfalleinsatzmittel auf dem Luftweg auf das Kraftwerksareal transportiert werden können. Damit diese Mittel selbst dann einsetzbar sind, wenn in Gebäuden erschwerte Bedingungen herrschen, verlangte das ENSI, bis Ende 2012 diverse Nachrüstungen zu verwirklichen, dank denen Pumpen und Generatoren auch ausserhalb der Gebäude angeschlossen werden können.

 

Extrem-Hochwasser und -Erdbeben

Am 1. April 2011 legte das ENSI genauer fest, wie die Betreiber die Ausserbetriebnahmekriterien zu überprüfen hatten. Bis zum 30. Juni 2011 war das Anlageverhalten bei einem alle 10‘000 Jahre möglichen Extremhochwasser zu untersuchen. Bis zum 31. März 2012 müssen die Betreiber zeigen, ob die Anlage auch bei einem alle 10‘000 Jahre zu erwartenden Extremerdbeben in der Lage ist, die Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung einzuhalten. Der gleiche Nachweis ist für die Kombination von Erdbeben und einem durch das Erdbeben bedingten Versagen einer Stauanlage im Einzugsbereich des Kernkraftwerks und der dadurch verursachten Überflutung zu erbringen.

Am 5. Mai 2011 forderte das ENSI aufgrund der bis zum 31. März 2011 von den Betreibern eingereichten ersten Berichte für jedes Kernkraftwerk spezifische Nachrüstmassnahmen. Zusätzlich verlangte es, die am 1. April 2011 für die Überprüfung der Reaktorsicherheit gemachten Verfahrensvorgaben auch auf die Auslegung der Brennelementlagerbecken, ‑gebäude und ‑kühlsysteme anzuwenden und den Schutz vor Wasserstoffexplosionen im Bereich der Brennelementbecken zu bewerten. Die entsprechenden Überprüfungen wurden bis zum 31. März 2012 gefordert.

 

Teilnahme am EU-Stresstest

Am 1. Juni 2011 verlangte das ENSI von den Schweizer Kernkraftwerksbetreibern bis zum 31. Oktober 2011 eine Neubewertung der Sicherheitsmargen im Rahmen des EU-Stresstests. Diese Neubewertung folgt der Logik der gestaffelten Sicherheitsvorsorge und umfasst die Themenbereiche auslösende Ereignisse, Ausfall von Sicherheitsfunktionen und Notfallmanagement. Die geforderte Neubewertung auslösender Ereignisse umfasste eine Analyse der Einwirkung extremer Erdbeben, Hochwasser sowie der Kombination von Erdbeben und von Erdbeben ausgelösten Überflutungen. Zudem waren die Folgen des Verlustes der Strom- und Kühlwasserversorgung unabhängig vom Auslöser zu beurteilen. Im Bereich des Notfallmanagement war die Wirksamkeit der vorbereiteten Massnahmen gegen schwere Unfälle neu zu bewerten.

In der Stellungnahme vom 7. September 2011 zu den Hochwassernachweisen vom 30. Juni 2011 kam das ENSI zum Schluss, dass alle schweizerischen Kernkraftwerke auch ein extremes Hochwasser, wie es durchschnittlich alle 10’000 Jahre einmal vorkommen kann, beherrschen. Auch wenn gleichzeitig die externe Stromversorgung ausfällt, können die Anlagen in einen sicheren Zustand überführt werden. Die geltenden Grenzwerte werden von allen Anlagen deutlich eingehalten.

Am 31. Dezember 2011 reichte das ENSI den Schweizer Länderbericht zum EU-Stresstest ein. Gestützt auf die Eingaben der Betreiber identifizierte das ENSI acht „offene Punkte“, welche die 37 Prüfpunkte aus der Fukushima-Analyse ergänzen.

Das ENSI verfügte am 10. Januar 2012, dass alle Schweizer Kernkraftwerke bis am 30. September 2012 die seismische Robustheit der Isolation des Reaktor-Containments neu überprüfen und dem ENSI die Ergebnisse einreichen müssen. Die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt müssen zudem bis zu diesem Datum die Erdbebenfestigkeit der Containmentdruckentlastung überprüfen und bis am 31. Dezember 2012 Massnahmen zur Verbesserungen vorschlagen. Eine weitere Forderung betrifft die Verklausung.

 

Vier Berichte zu Fukushima

Parallel zu den Überprüfungen der Schweizer Anlagen analysierte ein interdisziplinäres Team des ENSI den Unfallablauf in Japan minutiös und dokumentierte die Erkenntnisse in mehreren Berichten:

 

Überprüfungen gehen weiter

Bis voraussichtlich Ende Juni 2012 wird das ENSI zu den Nachweisen vom 31. März 2012 zur Beherrschung des 10’000-jährlichen Erdbebens und der Beherrschung der Kombination von Erdbeben und erdbebenbedingtem Versagen der Stauanlagen im Einflussbereich des Kernkraftwerks Stellung nehmen.

Bis 2015 wird das ENSI die 37 Prüfpunkte, die aus den Lessons Learned abgeleitet wurden, abarbeiten. Der Aktionsplan für das laufende Jahr wird am 1. März 2012 publiziert.