Der Betrieb einer Verpackungsanlage muss Grundwasserschutz gewährleisten
Verpackungsanlagen für hochradioaktive Abfälle können sicher betrieben werden und gefährden das Grundwasser in ihrer Umgebung nicht. In Finnland und Schweden wurden zwei Verpackungsanlagen von den Behörden als sicher beurteilt. In Finnland ist eine entsprechende Anlage inzwischen im Bau.
Die Sicherheit von Verpackungsanlagen für geologische Tiefenlager und insbesondere der Schutz des Grundwassers stehen seit langem in der Diskussion. Die Verpackungsanlage zählt zu den Einrichtungen, die nach aktueller Planung der Nagra zur Oberflächeninfrastruktur eines geologischen Tiefenlagers gehören soll. Es ist vorgesehen, die angelieferten Abfälle in der Oberflächenanlage (OFA) für die Einlagerung vorzubereiten, das heisst unter anderem, sie entsprechend zu verpacken.
Im November 2012 beauftragte das Bundesamt für Energie (BFE) die Nagra, darzulegen, wie bei einer OFA der Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt werden kann. Die Nagra reichte den Bericht NTB 13-01 am 30. August 2013 beim BFE ein. Das ENSI und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) nahmen dazu Stellung. Konkret zeigte der Bericht auf, welche Funktionen und Abläufe in einer OFA vorgesehen sind, wie die Anlage ausgelegt werden kann und welche Anforderungen bezüglich radiologischer Sicherheit und Umweltschutz, insbesondere bezüglich Gewässerschutz, zu beachten sind.
Keine grundsätzlichen Zweifel an der Sicherheit
Das ENSI beurteilt das im Bericht NTB 13-01 beschriebene Anlagenkonzept inklusive der zugehörigen Abläufe als plausibel. Ausserdem gibt es keinerlei Gründe, die beim Betrieb von Oberflächenanlagen gegen die nukleare Sicherheit sowie gegen den Schutz von Mensch und Umwelt sprechen. Dies hielt das ENSI in seiner Stellungnahme fest.
«Das Kernenergiegesetz schreibt den Schutz von Mensch und Umwelt vor. Insbesondere müssen Vorsorgemassnahmen gegen eine unzulässige Freisetzung radioaktiver Stoffe im Normalbetrieb und bei Störfällen getroffen werden», sagt Felix Altorfer, Bereichsleiter Entsorgung. Die Verordnung des UVEK über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen führt Gefährdungen auf, die beim Betrieb einer Kernanlage, also auch einer Verpackungsanlage, in der Sicherheitsanalyse betrachtet werden müssen. «Durch die Auslegung und die Sicherheitsmassnahmen hat der Betreiber einer Verpackungsanlage dem ENSI aufzuzeigen, dass der Schutz des Grundwassers sichergestellt ist.»
Bereits im August 2005 hatte die HSK, die Vorgängerorganisation des ENSI, in ihrem Gutachten zum Entsorgungsnachweis (HSK 35/99) unter Einbezug externer Experten den Machbarkeitsnachweis eines geologischen Tiefenlagers für hochaktive und langlebige Abfälle inklusive der zugehörigen Oberflächenanlagen und Zugangsbauwerke bestätigt. Dem ENSI liegen keine Erkenntnisse oder seither gemachten Erfahrungen vor, die Zweifel an der grundsätzlichen Machbarkeit aufkommen lassen.
Auch das BAFU schätzt in seiner Stellungnahme den Betrieb einer Oberflächenanlage als grundsätzlich bewilligungsfähig ein. Diese Einschätzung gilt ebenfalls für Standorte im Schutzbereich der nutzbaren unterirdischen Gewässer und in den entsprechenden Randgebieten.
Schutz von Mensch und Umwelt muss gewährleistet sein
Im Kernenergiegesetz sind die Bewilligungsschritte vorgegeben: Stufenweise muss die Nagra aufzeigen, wie der Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet wird. Das ENSI prüft die entsprechenden Sicherheitsnachweise, wenn es die Gesuche für Rahmen-, Bau- und Betriebsbewilligungen begutachtet. Die Nagra muss in den Gesuchen standortspezifisch und auf den gesetzlichen und behördlichen Vorgaben basierend nachweisen, dass Störfälle von der Anlage beherrscht werden, also keine unerlaubten Mengen von Radioaktivität freigesetzt werden.
Gefährdungsannahmen auch für Verpackungsanlagen gültig
Der Gesuchsteller für eine Bau- oder Betriebsbewilligung oder der Inhaber einer Betriebsbewilligung für eine Kernanlage hat die Einhaltung der grundlegenden Schutzziele durch eine deterministische Störfallanalyse nachzuweisen. Die Verordnung des UVEK über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen führt Gefährdungen auf, die beim Betrieb einer Kernanlage, also auch einer Verpackungsanlage, in der Sicherheitsanalyse betrachtet werden müssen:
Art. 4: Gefährdungsannahmen für Störfälle mit Ursprung innerhalb der Anlage
a. Reaktivitätsstörungen: Leistungsexkursionen, Bestrahlung;
b. Brand: heisse Gase, Rauch und Wärmestrahlung;
c. Überflutung: Staudruck auf Gebäude und Kurzschlüsse in elektrischen Anlagen;
d. Komponentenversagen: mechanische Einwirkungen auf Bauwerke und Anlageteile;
e. Fehlhandlungen des Personals: direkte Freisetzung radioaktiver Stoffe, Auslösung von Störfällen sowie Erschwerung der Störfallbeherrschung;
f. Fehlerhafte Handhabung von radioaktivem Material: Kontamination;
g. Versagen oder Fehlfunktion von Betriebssystemen: Auslösung von Störfällen;
h. Versagen oder Fehlfunktion von Sicherheitssystemen: Auslösung von Störfällen und Verletzung der Integrität von Barrieren;
i. Explosionen: Druckwelle, Wärmestrahlung und Brand;
j. Absturz schwerer Lasten: Beschädigung von Strukturen oder Komponenten.
Art. 5: Gefährdungsannahmen für Störfälle mit Ursprung ausserhalb der Anlage
a. Erdbeben: Bodenerschütterungen, Bodensetzungen, Erdrutsche, Zerstörung in der Nähe befindlicher Anlagen, welche die Sicherheit der Kernanlage gefährden können und Verlust von nicht erdbebenfesten Hilfs- und Versorgungssystemen, Brand und Überflutung;
b. Überflutung: Flutwellenwirkung auf Gebäude, Eindringen von Wasser in Gebäude und Unterspülung von Gebäuden;
c. Flugzeugabsturz: durch den Absturz induzierte Erschütterung von Anlageteilen, Treibstoffbrand (inkl. Rauchentwicklung), Explosionen und Trümmerwirkung;
d. Extreme Wetterbedingungen: Verlust von nicht gegen diese Bedingungen ausgelegten Hilfs- und Versorgungssystemen sowie Druck- und Temperaturbelastung von Gebäuden;
e. Blitzschlag: Spannungseintrag in elektrische Einrichtungen;
f. Explosionen: Druck- und Hitzewelle;
g. Brand: heisse Gase, Rauch und Wärmestrahlung.
Verpackungsanlagen in Finnland und Schweden bewilligt
Während sich die Entsorgung radioaktiver Abfälle in der Schweiz noch in der Planung befindet, nämlich in der Etappe 3 des Sachplans Geologische Tiefenlager, sind die Endlagerprojekte in Finnland und Schweden bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Die zuständigen Behörden haben Verpackungsanlagen für hochradioaktive Abfälle begutachtet und hinsichtlich der radiologischen Sicherheit positiv bewertet. In Schweden kam neben der Nuklearaufsicht SSM auch der Land- und Umweltgerichtshof zu der Schlussfolgerung, dass eine Verpackungsanlage sicher betrieben werden kann.
In Finnland beurteilte die Aufsichtsbehörde STUK im November 2015 die Verpackungsanlage als sicher. Die Verpackungsanlage ist gegenwärtig im Bau und soll voraussichtlich im Sommer 2022 fertiggestellt sein.